Die besten Bass Riffs in Tabs und Noten – „The Chicken“ (Solobass-Arrangement)

Über Jaco Pastorius‘ Version des Pee-Wee-Ellis-Soulhits “The Chicken” braucht man wohl keine großen Worte mehr zu verlieren, befindet sie sich doch ganz oben auf dem Olymp der Bass-Klassiker. Ich möchte diesen Klassiker heute aus einer anderen Perspektive betrachten, genauer gesagt: sogar aus mehreren Perspektiven! In der Regel beschäftigen wir Bassisten uns ja naturgemäß mit der Bassline eines Songs, was im Falle von “The Chicken” schon Herausforderung genug ist. Am Ende dieses Workshops soll aber ein Solobass-Arrangement von “The Chicken” entstehen, welches ALLE Aspekte des Songs beinhaltet. Der Grund dafür ist nicht, dass wir als Solokünstler im Zirkus auftreten können, sondern dass wir einmal über unseren bassistischen Tellerrand hinausschauen, viel für unseren täglichen Bassisten-Job lernen und uns als Musiker/in weiterentwickeln.

The Chicken Bass-Workshop Jaco Pastorius
In diesem Bass-Workshop erlernst du eine Solobass-Version von “The Chicken” im Stile von Jaco Pastorius
Inhalte
  1. Warum ein Solobass-Arrangement?
  2. Melodie von “The Chicken”
  3. “The Chicken”: Harmonische Analyse
  4. Die Basslinie von “The Chicken”
  5. “The Chicken” – Solobass-Arrangement

Jaco Pastorius
Jaco Pastorius gilt als der große Innovator des E-Basses – er genießt daher bei Bassisten einen ähnlichen Stellenwert wie Jimi Hendrix bei den Gitarristen! Wer den 1987 verstorbenen Musiker noch nicht kennt: Sein erstes Soloalbum aus dem Jahr 1976 bildet einen optimalen Einstieg in die Jaco-Welt!

Warum ein Solobass-Arrangement?

“Warum einen Song für Solobass arrangieren, wenn ich dieses sowieso nie in meiner Band spielen kann? Solokünstler will ich auch nicht werden. Brauche ich das?” Das sind eventuell die ersten Gedanken, die einen durch den Kopf schießen!

Allerdings geht es gar nicht darum, plötzlich als Solist zu glänzen, sondern darum, intensiv jegliche Aspekte eines Songs zu lernen, d.h. nicht nur die Bassline, sondern auch die Melodie und die Akkorde. Auf diese Weise taucht man richtig tief in den Song ein und lernt ihn von allen Seiten kennen, was uns wiederum enorm hilft, die harmonische und rhythmische Wechselwirkung unserer Bassline mit dem Song zu verstehen.

Wir erweitern also unseren musikalischen Horizont in jeder Hinsicht und unser Brot-und-Butter-Bassspiel wird von einem vermeintlich virtuosen Solobass-Arrangement deutlich profitieren. Größen wie Pino Palladino, Lee Sklar, Tony Levin und Nathan East werden nicht zufällig so häufig gebucht: Sie spielen nicht einfach nur ihren “Stiefel herunter”, sondern wissen genau, wie sie mit ihren Basslines den wichtigsten Teil des Songs (die Melodie) unterstützen und wie sie harmonisch und rhythmisch mit anderen Instrumenten interagieren.

Bevor wir “The Chicken” sezieren, gibt es hier das Original für den unwahrscheinlichen Fall, dass es jemand noch nicht kennt:

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Melodie von “The Chicken”

Die Melodie von “The Chicken” ist sehr luftig und von vielen Pausen geprägt. Diese Eigenschaft eröffnet viele tolle Möglichkeiten zu einem Frage-Antwort-Spiel mit der Rhythmusgruppe. Die synkopierte Sechzehntel-Rhythmik ist zudem eine perfekte Vorlage für einen knackigen Bläsersatz‑ oder eben ein E-Bass-Soloarrangement!

Tonal basiert die Melodie hauptsächlich auf der Bb-Dur-Bluestonleiter (Bb, C, C#, D, F, G), welche sowohl die kleine (C# bzw. Db) wie auch die große Terz (D) beinhaltet, was für den authentischen tonalen “Schmutz” sorgt. Im zwölften Takt findet sich ein Unisono-Riff aller Instrumente, welches auf der Bb-Moll-Pentatonik basiert.

Audio Samples
0:00
“The Chicken” – Melodie – WAV

“The Chicken”: Harmonische Analyse

Akkorde geben einer Melodie erst ihre entsprechende Stimmung, und im Falle von “The Chicken” besteht das harmonische Geschehen aus einer Reihe von Dominantseptakkorden. Diese bestehen aus dem Grundton, der Terz, der Quinte und der kleinen Septime (siehe PDF). Ihr charakteristischer Sound entsteht durch die Reibung zwischen der Terz und der Septime. Diese beiden Intervalle stehen im Abstand von einem Tritonus (sechs Halbtöne voneinander entfernt) zueinander. Die Besonderheit: Dieses Intervall empfindet unser Ohr als Reibung und somit als “spannend”.

Die Schreibweise ist bei Dominantseptakkorden: Der jeweilige Grundton plus die Ziffer “7”. Der Dominantseptakkord von C wird also “C7” notiert. Dominantseptakkorde sind sehr beliebt im Blues (die Urform des Blues besteht aus drei Dominantseptakkorden auf der ersten, vierten und fünften Stufe der Tonart) oder auch im Funk, Soul oder R&B. Hier kann ein einzelner Dominantseptakkord schon mal die harmonische Grundlage eines ganzen Songs darstellen (z.B. James Browns “Sex Machine”).

“The Chicken” besteht ausschließlich aus derartigen Dominantseptakkorden: Bb7, Eb7, D7, G7 und C7. Um nicht weiter für Verwirrung mit Begriffen wie Sekundär-Dominanten etc. zu sorgen, lassen wir es ab hier mit der Theorie und der harmonischen Analyse gut sein und wenden uns der Praxis zu – also wie man Dominantseptakkorde am Bass spielt. Diese bestehen aus vier Tönen, was sich nicht so leicht umsetzen lässt.

Die bessere Lösung ist daher, pro Akkord einen Ton zu opfern. Aber welchen? Den Grundton brauchen wir auf jeden Fall, außerdem haben wir besprochen, dass der charakteristische Sound durch die Reibung zwischen Terz und Septime entsteht. Der zwangsläufige Verlierer ist also die Quinte, denn sie trägt generell wenig zum Charakter eines Akkordes bei und ist eher ein Füllton ‑ also weg damit! Daraus ergeben sich für jeden Akkord jeweils zwei mögliche Griffbilder:

Audio Samples
0:00
“The Chicken” – Akkorde – WAV “The Chicken” – Akkorde + Melodie – WAV

Die Basslinie von “The Chicken”

Jacos Bassline ist wohl jedem interessierten Bassisten im Ohr. Ihr melodisches Motiv basiert auf der mixolydischen Tonleiter (entspricht einer Dur-Tonleiter mit kleiner Septime, siehe PDF). Dieses Motiv wird weitgehend auf sämtliche Akkorde übertragen.

Natürlich variiert Jaco regelmäßig, weicht sogar großzügig davon ab, und leitet ab und an chromatisch von einem Akkord zum anderen. Das Hauptmotiv taucht jedoch immer wieder auf und sorgt somit für den “Stabilität”.

Die rhythmischen Ankerpunkte des Grooves sind die Zählzeit 1 und die um ein Sechzehntel auf die “2e und te” vorgezogene 3. Dies bedeutet, dass die Energie des Downbeats 3 nun um eine Sechzehntel antizipiert wird, was kurzzeitig für eine Art Beschleunigungseffekt sorgt.

Ich habe zur Demonstration einmal das isolierte Hauptmotiv und einmal einen exemplarischen Durchlauf von “The Chicken” notiert, der sich an Jacos Line orientiert. Dies sollte genügend Munition für eigene Ideen und Interpretationen liefern: 

Audio Samples
0:00
“The Chicken” – Basslinie – WAV “The Chicken” – Melodie, Akkorde und Basslinie (3 Spuren) – WAV

“The Chicken” – Solobass-Arrangement

Zu guter Letzt fügen wir alles zusammen: Wir spielen Melodie und Groove gleichzeitig und wo es uns möglich ist, deuten wir zudem noch die Akkorde an!

Zugegeben ist das nicht einfach, klingt aber cool und ist eine wirklich schöne Herausforderung. Um alles unter einen Hut zu bringen, muss man unter Umständen an der einen oder anderen Stelle die Melodie und die Bassline etwas anpassen, natürlich kann man aber auch nach Lust und Laune kleine Highlights einstreuen. Ich habe z.B. in Takt 7 ein nettes Jaco-Lick mit einer Sechzehnteltriole geklaut. Aber dies ist natürlich nur eine von vielen möglichen Varianten. Am besten ihr probiert selbst so viele wie möglich.

Audio Samples
0:00
“The Chicken” – Solobass-Arrangement – WAV

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Viel Spaß mit “The Chicken” und bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt

Hot or Not
?
Teaser_The_Chicken Bild

Wie heiß findest Du diesen Artikel?

Kommentieren
Profilbild von Steff Madman Meyer The Indian

Steff Madman Meyer The Indian sagt:

#1 - 26.02.2024 um 19:17 Uhr

0

So ganz richtig sind die Melodie tabs aber nicht! Also zum Ende, der Anfang und Schluß sind Ok!

Profilbild von Steff Madman Meyer The Indian

Steff Madman Meyer The Indian sagt:

#2 - 26.02.2024 um 19:21 Uhr

0

Sorry hab mich geirrt, kann mann so machen, ich spiele das nicht so weit oben, nur beim Solo rutsch ich so weit hoch!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Für dich ausgesucht
Shaun Munday spielt Hendrix' "Bold As Love" - unglaubliche Solobass-Vocal-Performance!
Feature

Den Musiker Shaun Munday spielt eine Solobass-Version von Hendrix' "Bold As Love". Und die muss man gehört haben!

Shaun Munday spielt Hendrix' "Bold As Love" - unglaubliche Solobass-Vocal-Performance! Artikelbild

Es gibt Songs, bei denen läuft man unweigerlich Gefahr, sich bis auf die Knochen zu blamieren, wenn man sich an eine Coverversion heranwagt. Die Kompositionen von Jimi Hendrix zählen ohne Frage zu diesen Stücken, denen mitunter schon fast etwas Sakrales anhaftet. Und doch gibt es gelegentlich Künstler, die es schaffen, atemberaubend schöne Versionen dieser Meilensteine der Musikgeschichte zu kreieren. Hier ist eine davon: Die Version des Hendrix-Klassikers "Bold As Love" des US-Bassisten Shaun Munday müsst ihr auf jeden Fall hören und sehen!

Akkorde spielen auf dem E-Bass (Teil 2: Vierklänge)
Bass / Workshop

Akkordtöne sind fast immer Bestandteile von Basslinien. Im zweiten Teil unserer Workshop-Reihe "Akkorde spielen auf dem E-Bass " geht es um den Aufbau von Vierklängen.

Akkorde spielen auf dem E-Bass (Teil 2: Vierklänge) Artikelbild

Nachdem wir im ersten Teil dieser Workshopreihe "Akkorde spielen auf dem Bass" ausführlich das Thema "Dreiklänge" behandelt haben, legen wir heute noch "einen drauf" ‑ einen weiteren Ton nämlich, denn es soll um Vierklänge gehen. Und siehe da: Da sich viele Prinzipien, die wir in der letzten Folge besprochen haben, in analoger Weise auf Vierklangs-Akkorde auf dem Bass übertragen lassen, gibt es heute auch weniger Theorie.

Play-Alike Bernard Edwards – Bass-Workshop
Workshop

Unvergessen sind seine Basslinien in Songs wie "Le Freak", "We Are Family" oder "Good Times". Wir erinnern an Bernard Edwards!

Play-Alike Bernard Edwards – Bass-Workshop Artikelbild

The King Of Disco! Bernard Edwards ist einer der zahllosen Helden, die enorm viel für die Bass- und gesamte Musikwelt bewegt haben, dem breiten Publikum aber leider nahezu unbekannt sind. Er erlangte vor allem in Musikerkreisen Berühmtheit und genoss hier höchsten Respekt. Dies geschah jedoch nicht durch technische Kapriolen in YouTube-Videos, sondern durch sein professionelles und nachhaltiges musikalisches Schaffen, das meist in Zusammenarbeit mit seinem kongenialen Partner Nile Rodgers stattfand. Bernard Edwards hat uns nicht nur unzählige zeitlose Disco-Basslines mit Bands wie Chic und Sister Sledge geschenkt, sondern war auch als Songwriter und Produzent für Diana Ross, David Bowie, Duran Duran, Joe Cocker, Rod Stewart usw. tätig. Leider verstarb er 1996 viel zu früh im Alter von gerade einmal 43 Jahren.

Die besten Bass Riffs in Noten und Tabs – Guy Pratt: „Money“ (Bass-Solo)
Bass / Workshop

In dieser Folge unserer Workshopreihe "Das Bassriff der Woche" lernst du das legendäre Live-Basssolo von Guy Pratt zur Hitsingle "Money" von Pink Floyd.

Die besten Bass Riffs in Noten und Tabs – Guy Pratt: „Money“ (Bass-Solo) Artikelbild

Der Hit-Song "Money" der britischen Band Pink Floyd ist nicht nur ein echter Klassiker der Pop- und Rockgeschichte, sondern auch in Bezug auf prägnante Bassriffs, die wirklich jeder kennt. "Money" erschien 1973 auf dem bis heute ungebrochen erfolgreichen Jahrhundert-Album "Dark Side Of The Moon". Alles, was man als BassistIn zur Originalversion des Songs wissen muss, findest du in diesem älteren Bass-Workshop. Heute kümmern wir uns an dieser Stelle jedoch um das ebenfalls schon zum Klassiker gewordene Bass-Solo von Tourbassist Guy Pratt.

Bonedo YouTube
  • First notes on the Harley Benton BZ-7000 II NT #shorts
  • Harley Benton BZ-7000 II NT - Sound Demo (no talking)
  • First notes on the ESP LTD AP-4 #shorts