“Raking? Noch nie gehört!” Im Unterricht oder auf Workshops mache ich häufig die Erfahrung, dass der Begriff, um den es heute gehen soll, vielen Bassisten komplett unbekannt ist. Nach einer Erklärung und/oder Demonstration sagt aber jeder: “Ach so! Ja klar, das mache ich dauernd!” Raking bedeutet ganz einfach, dass wir keinen Wechselschlag anwenden, sondern in einer Abwärtsbewegung der Anschlagshand denselben Finger von den höheren zu den tieferen Saiten “durchziehen”. Das kann über eine, aber auch über mehrere Basssaiten geschehen. Dazu kann man Töne greifen, oder diese Spieltechnik als rein perkussiven Effekt mit Dead Notes nutzen – Letzteres ist sicher der häufigste Fall. Raking wird aber auch gerne eingesetzt, um größere Distanzen mit der Greifhand zu überwinden, vor allem auch bei Walking-Bass-Linien auf dem Kontrabass. Es kommt aber eigentlich in jeder Stilistik vor. Große “Raker” sind z.B. James Jamerson, Jaco Pastorius, Francis Rocco Prestia, Ray Brown, Ron Carter, etc.

- Grundsätzliches
- Zwei Möglichkeiten, mit dem Raking zu starten
- Raking-Technik Video 1
- Raking-Technik Video 2
- Raking im Walking Bass im Blues, Jazz etc.
- Raking-Technik Video 3
- Raking bei James Jamerson
- Video: Gladys Knight & The Pips – “I Heard It Through The Grapevine” (1967)
- Raking-Technik Video 4
- Raking bei Francis Rocco Prestia
- Video: Tower Of Power – “You’re Still A Young Man” (1972)
- Raking-Technik Video 5
- Raking bei Jaco Pastorius
- Raking-Technik Video 6
- Video: Jaco Pastorius – “Soul Intro / The Chicken”
- Video: Jaco Pastorius – “Come On, Come Over”
Grundsätzliches
Ich möchte euch heute die grundlegende Technik zeigen und wie Raking in mehreren Stilistiken und von verschiedenen Bassisten verwendet wird. Ein wichtiger Punkt ist, dass wir es bewusst einsetzen und uns darüber im Klaren sind, wann und warum wir raken. Gerade wegen seiner perkussiven Natur kann Raking nämlich im schlimmsten Fall zu unangenehmen Wacklern im Groove führen.
Eine Herausforderung ist also die rhythmische Genauigkeit, denn jede Saite ist verschieden stark und bietet somit mehr oder weniger Widerstand. Deshalb passiert es gerne mal, dass wir an den dickeren Saiten leicht hängenbleiben oder an den dünneren Saiten zu schnell vorbeiziehen. Das führt dann zu einem “Ruckeln” im Timing – und das möchte natürlich keiner! Wie bei jeder Technik ist es gut, wenn wir die absolute Kontrolle über sie haben, nicht umgekehrt. Beschäftigen wir uns daher erst einmal mit den Grundlagen.
Zwei Möglichkeiten, mit dem Raking zu starten
Viel zu erklären gibt es bei “Finger durch die Saiten ziehen” eigentlich nicht – der Bewegungsablauf ist denkbar einfach. Entscheidender ist, dass wir das Ganze rhythmisch sauber und artikuliert hinbekommen. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie wir mit unserem Raking starten, je nachdem, wie viele Noten und/oder Saiten es beinhaltet.
Die erste Variante ist, dass nur ein Finger involviert ist und auf der Saite, auf der wir beginnen, nur ein Ton gespielt wird. Hier ein paar Übungen dazu:
Raking-Technik Video 1
Bei der zweiten Option spielen wir zwei Noten auf der Saite, auf der wir beginnen. Das heißt, dem Raking geht noch einmal Wechselschlag voraus:
Raking-Technik Video 2
Raking im Walking Bass im Blues, Jazz etc.
Walking Bass finden wir in vielen Stilistiken, und die Raking-Technik kann hier für sehr schöne Abwechslung in der sonst so stringenten Viertel-Rhythmik sorgen. Zudem kann man wie erwähnt beim Raking auf elegante Weise größere Distanzen auf dem Griffbrett mit der Greifhand überwinden. Der Grund: Während des Rakings muss man die Strings ja nur abdämpfen und kann sich in dieser Zeit mit der Greifhand frei auf dem Griffbrett bewegen – das ist also ideal für Lagenwechsel!
Gerade im Jazz ist dies ein beliebtes Mittel – Spieler wie Ray Brown sind darin absolute Meister, deren Wege sich dabei nicht selten über mehr als zwei Oktaven erstrecken. Da sprechen wir beim Kontrabass immerhin schon von fast einem Meter Distanz!
Im folgenden jazzigen Walking-Bass-Beispiel kommt Raking sowohl als perkussives wie auch melodisches Element zum Einsatz. Sehr häufig werden hier Dreiklänge mit Leersaiten benutzt. In unserem Beispiel haben wir es mit einem G-Dur-Dreiklang zu tun, der die leere G- und D-Saite beinhaltet. Die Triolen, die mit Raking gespielt werden, sorgen für das gewisse Etwas und lockern den Viertel-Groove dadurch effektiv auf.
Raking-Technik Video 3
Du suchst mehr Infos zum Thema “Walking-Bass”? Dann ist dieser Workshop genau das Richtige für dich: Walking Bass: 5 Tipps für eure Basslines
Raking bei James Jamerson
James Jamerson war der erste große E-Bassist und Fingerstyler. Er prägte mit seinen Basslines ganz entscheidend den Motown-Sound – und somit unweigerlich alle E-Bassisten/innen nach ihm. Da er vom Jazz und Kontrabass kam, übernahm er viele Techniken und übertrug sie 1:1 auf den E-Bass. Das beinhaltet z.B. das Spielen mit nur einem Finger der Anschlagshand, das Verwenden von Leersaiten, wo immer dies möglich war – und natürlich Raking. Nur dieses mal eben nicht mehr in Walking-Bass-Lines, sondern in funky Motown-Grooves.
Ein großartiges Beispiel dafür ist die Version von “I Heard It Through The Grapevine” von Gladys Knight & the Pips, dessen Chorus geradezu ein Raking-Festival ist! Auch hier wird ein C-Dur-Dreiklang als Grundlage genommen, der die Leersaiten G und E beinhaltet – clever! Schaut euch mal das Original an:
Video: Gladys Knight & The Pips – “I Heard It Through The Grapevine” (1967)
Raking-Technik Video 4
Raking bei Francis Rocco Prestia
Auch der legendäre Francis Rocco Prestia von der Kultband Tower Of Power hörte in seiner Jugend viel James Jamerson und entwickelte seinen ganz persönlichen perkussiven Spielstil mit vielen Dead Notes und viel Raking. Das nutzt er aber weniger in seinen unwiderstehlichen Sechzehntel-Funkgrooves, die tatsächlich eher durch kraftvollen und artikulierten Wechselschlag glänzen. Vielmehr findet man es in den gefühlvollen Balladen im 6/8-Takt.
Ein ganz bekannter Song ist “You’re Still A Young Man”. Sieht man die Noten dazu, kann es einem schon mal schwindelig werden und man kann kaum glauben, dass dies die Bassline zu einer Ballade ist. Aber es funktioniert! Einfach oft anhören, dann kriegt man schon ein Gefühl dafür, trotz des recht verwirrenden Notenbildes. Ich habe eine von vielen Variationen des Verses notiert, aber schaut zunächst in das Original rein:
Video: Tower Of Power – “You’re Still A Young Man” (1972)
Raking-Technik Video 5
Raking bei Jaco Pastorius
Wenn man über Raking spricht, darf Jaco Pastorius natürlich nicht fehlen. Jaco nutzte diese Technik intensiv – sowohl in seinen bekannten Staccato-Grooves, wie auch in vielen Soli. Ich habe zwei Beispiele ausgewählt. Einmal den Klassiker “The Chicken”, wo es im zweiten Takt des Grooves einen typischen Jaco-Rake zu bewundern gibt. Natürlich variiert der große Meister diese Phrase ständig im Laufe des Songs, wir fokussieren uns aber heute auf das Raking und bleiben deshalb “nur” bei diesen beiden Takten.
Das zweite Beispiel ist “Come On, Come Over” aus Jacos erstem Soloalbum. Der Basis-Groove besteht hier aus zwei Takten, die sich nur in den ersten beiden Zählzeiten unterscheiden. Auf Zählzeit 3 und 4 gibt es jeweils das gleiche Lick – gespielt mit der Raking-Technik!
Raking-Technik Video 6
Hier könnt ihr dem Meister höchstpersönlich auf die Finger gucken:
Video: Jaco Pastorius – “Soul Intro / The Chicken”
Video: Jaco Pastorius – “Come On, Come Over”
Viel Spaß und bis zum nächsten Mal,
euer Thomas Meinlschmidt