Jaco Pastorius gilt zweifellos als einer der bedeutendsten Vertreter unserer Zunft! Nahezu jeder Tieftöner – egal aus welchem Genre – gibt an, an irgendeinem Punkt in seiner Bassistenlaufbahn von diesem großartigen Ausnahmebassisten beeinflusst worden zu sein. Auf seinem 1976 erschienen Debütalbum “Jaco Pastorius” interpretiert der Virzuose auf beeindruckende Art harmonisch komplexe und technisch anspruchsvolle Musik, gleichzeitig zeigen sich auf dem Album aber auch seine immensen Fähigkeiten als Komponist und Arrangeur. Jaco hat auf sein erstes Album allerdings auch eine vergleichsweise einfache und eingängige Soulnummer gepackt, bei welcher er groovt wie ein Weltmeister: den Titel “Come On, Come Over”. In diesem Workshop wollen wir uns die tricky Bassline einmal vorknöpfen.

“Come On, Come Over” im Original auf Youtube
Hören wir uns zu Beginn einmal das Original an:
“Come On, Come Over”: Form und harmonische Struktur
“Come On, Come Over” ist im Grunde sehr übersichtlich und setzt sich aus einer kurzen, zweitaktigen Intro, dem Vers, und natürlich einem Chorus zusammen. Jeder dieser Teile ist wiederum harmonisch sehr simpel aufgebaut: Der Vers besteht aus dem Akkord Cm, für den Chorus geht es einen Ganzton nach oben zu D7 und als Übergang zum zweiten Verse kommen zwei Takte F7 zum Einsatz.
Für den zweitaktigen Verse-Groove verwendet Jaco eine Moll-Pentatonik in C, welche sich aus den Tönen C/Eb/F/G/Bb/ zusammensetzt, und zwei zusätzliche chromatische Durchgangstöne. Bei den Durchgangstönen handelt es sich um ein H, das im Auftakt die kleine Septime mit dem Grundton verbindet, und um ein F#, welches Jaco im ersten Takt als Durchgang vom F zum G spielt.
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Der Chorus ist ähnlich einfach aufgebaut und besteht im Wesentlichen nur aus dem Akkord D7. Als Tonmaterial verwendet Jaco die mixolydische Skala, die er wieder mit zwei skalenfremden Tönen aufpeppt: Das C# auf der 4+ im ersten Takt leitet direkt zum Grundton, und das G# im zweiten Takt fungiert abermals als chromatischer Durchgangston von der vierten zur fünften Stufe – im Falle des Refrains also vom G zum A. Für die letzten zwei Takte im Chorus verschiebt Jaco den Groove dann einfach eine kleine Terz höher nach F und beginnt schließlich auf Zählzeit 4 wieder mit dem Auftakt zum Verse-Groove.
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Tipps zur spieltechnischen und musikalischen Umsetzung
Der Auftakt des Grooves im Vers besteht zwar aus vier Sechzehnteln, das Song-Tempo ist mit ca. 110 BPM aber zum Glück nicht allzu schnell. Wichtig für den Fluss ist lediglich, dass ihr den Groove relativ legato (also mit gebundenen Tönen und nicht kurz und abgestoppt) spielt.
Ich greife den Verse-Groove in den Audios sowie im Video komplett auf Höhe des achten Bundes und habe es auch dementsprechend in den Tabs notiert. Der Bass klingt hier etwas fetter und die tiefen Töne besitzen mehr Tragfähigkeit. Es spricht aber auch nichts dagegen, die zweite Hälfte des Grooves in den tieferen Lagen spielen, falls es für euch angenehmer zu greifen sein sollte.
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Im Refrain geht es schon deutlich heftiger zur Sache, hier werden ungleich höhere Anforderungen an die rhythmischere Sicherheit und die Spieltechnik gestellt. Jaco spielt hier einen seiner typisch-pumpenden Staccato-Grooves mit durchgehenden Sechzehntelnoten. Der perkussive Charakter entsteht einerseits durch einen relativ kräftigen Anschlag mit den Fingern der Schlaghand, und zum anderen durch zahlreiche “Deadnotes”, welche Jaco in diesen Groove integriert. Für die Deadnotes verwende ich nur Leersaiten, die ich mit den Fingern der Greifhand abdämpfe – das ist für mich spieltechnisch am einfachsten.
Es kann durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen, bis man die perkussiven Deadnotes rhythmisch und dynamisch so sicher platzieren kann, dass sich der Groove organisch und flüssig anhört. Hier hilft, wie immer bei derartigen Herausforderungen, schlicht nur aufmerksames Üben in einem deutlich langsameren Tempo. Zur Veranschaulichung habe ich im Video das Tempo um ca. 20 Beats nach unten geschraubt.
Jacos Basssound in “Come On, Come Over”
Jaco Pastorius ist der “Godfather” des Fretless-Basses. Allerdings gab es in den 1960er-Jahren kaum Fretless-Bässe in den Shops, weshalb Jaco kurzerhand selbst die Bünde aus seinem Fender Jazz Bass herausoperiert und das Griffbrett anschliesend mit Bootslack überzogen hat – “der Rest ist Geschichte”, wie man so schön sagt!
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Die Vermutung liegt nahe, dass er seinen bundlosen Jazz Bass auch auf den Aufnahmen zu “Come On, Come Over” eingesetzt hat, obwohl immer wieder behauptet wird, er habe im Studio durchaus auch mal auf einen bundierten Jazz Bass zurückgegriffen. Aber wie auch immer, die gute Nachricht ist, dass man den Sound auf “Come On, Come Over” in der Tat relativ leicht auch mit einem bundierten Bass nachahmen kann – vorzugsweise natürlich mit einem passiven Jazz Bass.
Hierzu muss man lediglich den Halspickup in der Lautstärke zurückdrehen, sodass hauptsächlich der mittenstarke Stegpickup zu hören ist. Gleichzeitig sollte die Tonblende komplett zugedreht werden. Schlägt man den Bass jetzt auf Höhe des Stegtonabnehmers an, klingt es schon ziemlich nach Jaco.
In Interviews hat Jaco immer wieder erwähnt, dass er im Studio keine Amps verwendet und meistens direkt ins Pult spielt. Das klingt durchaus glaubhaft, denn der Sound auf seinem Debütalbum klingt in der Tat sehr direkt und schnörkellos. Für die Aufnahmen zu den Beispielen habe ich meinen bundierten Jazz Bass deshalb auch direkt über das Audio-Interface aufgenommen und keinerlei EQs oder Effekte verwendet.
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Tipp: Der von mir verwendete Drumgroove stammt übrigens aus der App “Drumgenius”. Zu meiner Freude hat der Programmierer den originalen Drum-Groove des Refrains (gespielt von Narada Michael Walden) für die App nachprogrammiert – damit macht das Üben der Jaco-Grooves in verschiedenen Tempi echt großen Spaß!
Jetzt wünsche ich euch viel Spaß “Come On, Come Over” und bis zum nächsten Mal!
Euer Rainer Wind