Kondensatormikrofon oder dynamisches Mikrofon?

Eine Frage, die häufig gehört wird, lautet “Ist ein Kondensatormikrofon besser als ein dynamisches Mikro?” Wie so oft gibt es nicht die eine, klare Ja-/Nein-Antwort zur Wahl zwischen beiden Typen. Ein kleiner Ratgeber zum Thema “Kondensatormikrofon oder dynamisches Mikrofon?

Kondensatormikrofon vs. Dynamisches Mikrofon

Zunächst: Natürlich ist ein dynamisches Mikrofon nicht per se “schlechter” als ein Kondensatormikrofon. Sonst gäbe es nämlich wahrscheinlich keine! Der Preis spielt natürlich eine Rolle. Tendenziell kann man sagen, dass Kondensatormikrofone meist teurer sind als dynamische. Aber auch das ist nur der Mittelwert: Es gibt sehr, sehr preiswerte Kondensatormikrofone und verdammt teure Dynamik-Mikros. Das war aber nicht immer so: Selbst gegen Ende des 20. Jahrhunderts galten Kondensatormikrofone als teurer Spaß, nur dynamische für “Normalsterbliche” bezahlbar. Tonstudios, Sender, manche Verleiher hatten Kondensatormikrofone, die private Nutzung war aufgrund der hohen Preise recht selten. Mit dem Aufkommen der Massenproduktion hat sich das aber geändert. 

Was bedeutet “Kondensatormikrofon”? Und was ist ein “dynamisches Mikrofon”?

Ein Mikrofon wandelt Schall mit einem sehr leichten, beweglichen Empfänger (meist eine “Membran”) in elektrische Spannung. Diese kann dann weiterverwendet werden, zum Beispiel zur Verstärkung oder zur Aufnahme. Es gibt mehrere Ansätze, wie diese Wandlung passiert. 

Ein dynamisches Mikrofon besitzt eine Spule, die in einem Magnetfeld liegt. Bewegt sich diese Spule, weil sich durch den Schall etwas im Mikrofon bewegt, dann entsteht in dieser Spule eine Spannung. Voilà! Aus dem Physikunterricht ist das vielleicht noch als Generatorprinzip bekannt. “In einem bewegten Leiter in einem Magnetfeld wird eine Spannung induziert.” heißt das auf Schulbuchdeutsch.

Ein Kondensatormikrofon arbeitet anders. Hier wird ein Kondensator genutzt. Eine dünne Membran, die sich mit dem Schall bewegen kann,bildet die eine Seite des Kondensators. Eine feste Seite bildet das Gegenstück. Dazwischen liegt Luft. Wenn man jetzt eine Spannung an den Kondensator anlegt, fließt kein Strom – es gibt ja keinen geschlossenen Stromkreis, weil zwischen den Platten Luft ist (als “Dielektrikum”). Aber durch den Schall ändert sich der Abstandzwischen den beiden Kondensatorteilen. Dadurch ändert sich auch immer die resultierende Spannung. Und genau diese Spannungsänderung repräsentiert den Schall. Das klingt jetzt nicht nur komplizierter, das ist es auch: Technisch ist der Aufwand deutlich höher, ein Kondensatormikrofon zu bauen, als es bei dynamischen Mikros der Fall ist. Und genau dieser Aufwand macht Kondensatormikrofone prinzipiell teurer.

Kappe abgenommen
Dynamisches Mikrofon mit abgeschraubtem Schutzgitter: Blick auf die Tauchspulenkapsel (unten links im Bild).
… in der Mitte des Drahtgeflechtkorbs, um Sprecher auf Distanz zu halten.
Kondensatormikrofone, Stereo-Set
Stereopärchen Kondensatormikrofone: Hier sind es Kleinmembranmikros in “Stäbchenform”. Unter der Kappe liegt direkt die empfindliche Membran.
Flaggschiff unter DPAs modularen Nieren: 4011A

Dynamische vs Kondensatormikros: Alles eine Frage der Masse

Die meisten dynamischen Mikrofone sind so genannte Tauchspulenmikrofone. Das bedeutet, dass auf die Membran eine Metallspule aufgeklebt ist. Das Magnetfeld, in dem sie sich bewegt, ist ein runder Magnet (“Topfmagnet”). In dessen kreisrunden Magnetspalt taucht die Spule ein und bewegt sich dort – daher der Name. Die Membran eines Tauchspulenmikrofons hat damit zwangsweise ein viel höheres Gewicht als die eines Kondensatormikrofons. Das hat zur Folge, dass die viel freier und schneller beweglliche Membran im Kondensatormikrofon deutlich mehr Details darstellen kann und auch weniger ein Problem mit der Darstellung von Höhen hat. Dabei geht es nicht nur um die Höhen selbst, sondern auch schnelle Anstiege im Signal, so genannten Transienten. Hier haben Kondenser schlicht und einfach die Nase vorn!

Schneller = besser. Detaillierter = besser. – Wirklich?

Zwischenstand: Kondensatormikrofone sind meist detailliert, “schneller”, höhenreicher. Und noch etwas: Üblicherweise ist ihr Frequenzgang linearer. Das klingt also eindeutlig nach einem Punktegewinn für die Kondensatortechnik. 

Allerdings: Viele Details sind oft gar nicht nötig! Das klingt vielleicht verrückt, ok. Aber in einer Mischung aus sehr vielen Signalen ist es nicht nur unerheblich für den Song, die genaue Obertonstruktur der akustischen Gitarre, die feine Textur des Ride-Beckens und die genaue Beschaffenheit der Erstreflexionen eines Raumes übermittelt zu bekommen. Auch was das Frequenzspektrum angeht: Sprache und Gesang besitzen unter 100 und über 10 kHz nur noch wenig wirklich verwertbareInformation. “Funktionieren” tut vor allem Sprache mit einem erstaunlich schmalbandigen Frequenzspektrum. 

Wenn man nun noch bedenkt, dass viele Sprecher, etwa im Radio, aber auch viele Vocals, besonders im Rock-Bereich, mit dynamischen Tauchspulenmikros aufgenommen werden, zeigt das, dass auch dort “viele Details” nicht immer daswünschenswerte Ziel sind. Oftmals geht es eher darum, bestimmten Signalen für die letztliche Mischung schon durch die Mikrofonwahl eine klangliche Richtung vorzugeben. 

Erbsenzählermodus: Wenn von “dynamischen Mikrofonen” gesprochen wird, sind meistens die oben genannten Tauchspulenmikrofone gemeint. Es gibt aber eine weitere wichtige Gruppe Mikrofone, die nach dem dynamischen Prinzip arbeitet: Bändchenmikrofone! Diese besitzen andere Klangeigenschaften. 

Zum Nägel einschlagen

Klar punkten können dynamische Mikrofone bei der Robustheit: Zwar ist auch die im schmalen Spalt sitzende Tauchspule nicht gegen Defekte gefeit, doch gelten Kondensatormikrofone als insgesamt deutlich anfälliger für Defekte bei unsachgemäßer Behandlung. Allerdings sind Beschädigungen an Körben und anderen Gehäuseteilen häufiger. 

Das Beyerdynamic M88 TG (im Bild), aber auch etwa das Shure SM58 gelten als sehr robuste Mikrofone, die auch Stürze und Stocktreffer wegstecken können.

Im Livebetrieb: Kondenser oder dynamisches Mikrofon?

Dadurch, dass Membranen von Kondensatormikrofone sich leichter in Schwingung versetzen können, sind diese Mikrofontypen auf der Bühne auch etwas schneller an einer Rückkopplungsschleifge beteiligt. Allerdings ist das Polardiagramm und die entsprechende Ausrichtung gegenüber PA- und Bühnenmonitoren sehr wichtig. Bei “bewegten” Mikrofonen in den Händen von eher unerfahrenen Nutzern setzen viele Livetechniker aber lieber auf die behäbigeren dynamische Mikros.

Lieber ein gutes dynamisches Mikrofon als ein schlechtes Kondensatormikrofon?

Kondensatormikrofone sind komplizierter zu bauen. Sie besitzen mehr Bauteile, die Kapselherstellung ist diffiziler. Das bedeutet, dass bei ansonsten gleichen Voraussetzungen das Kondensatormikro teuerer ist. Selbst hochwertige, teilweise seit Jahrzehnten häufig genutzte Tauschpulenmikrofone – etwa das Shure SM7B, das Electro-Voice RE20, das Sennheiser MD441 oder das Beyerdynamic M88 – sind noch “gemütlich” dreistellig im Preis. Ein Shure SM58 kostet etwas mehr als hunder Euro. Und mit diesem wurden auch große Alben aufgenommen. Ja, sogar die Vocals. Kondensatormikrofone gibt es zwar auch schon für unter hundert Euro, doch muss man für jene mit wirklich guter Klangqualität mehrere hundert Euro hinblättern. Ein dynamisches, sehr hochwertiges Klassiker-Mikrofon “Made in Germany” wie das M88 kostet ungefähr dreihundert Euro. Ein Neumann TLM 102 etwa das Doppelte. Bedenkt man nun, welche Vorteile hochwertige Markenware hat, lohnt sich die Überlegung, auf ein dynamisches Mikro zu setzen. WasWerterhalt/Wiederverkaufswert, Service und Reparatur, Herstellungsort und dergleichen angeht: Unter Investitionssicherheit beim Kauf von Audiogeräten wird diese Thematik diskutiert. Aber in Wirklichkeit vergleicht man dennoch Äpfel mit Birnen: Unterschiedliche Mikrofone gibt es für unterschiedliche Aufgaben. Deswegen ist der Mikrofntyp keine Frage von “Entweder, oder”, sondern “sowohl, als auch”. Lesetipp: Mikrofon-Grundausstattung für Bands (und Studios)

Ein Mikrofon alleine tut’s noch nicht

Dynamische Mikrofone gelten als stärker abhängig vom Mikrofonvorverstärker. Einmal ist es so, dass sie deutlich weniger Output besitzen. Deswegen ist ein hochwertiger, rauscharmer Preamp bei dynamischen Mikros wichtiger als bei Kondensatormikrofonen. Das konterkariert natürlich den Sparaspekt: Hochwertige Mikrofonvorverstärker kaufen kann ganz schön ins Geld gehen. Außerdem reagieren dynamische Mikros meist stärker auf die Eigenheiten des Preamps. Lässt sich dieser beispielsweise in der Eingangsimpedanz umschalten, sind die Auswirkungen auf den Klang bei elektrostatischen Mikros üblicherweise geringer als bei jenen, die nach dem dynamischen Prinzip arbeiten. Mittlerweile gibt es aber vermehrt so genannte aktive dynamische Mikrofone, die eine kleine eingebaute Verstärkung besitzen. Damit können sie auch einfacher an mittelmäßigen Amps betrieben werden.

Auch wenn Mikrofone gerne mal den Titel “Allrounder” verliehen bekommen: Wirklich ALLE Aufgaben beherrscht kein Mikrofontyp perfekt. Deswegen sind in Tonstudios eigentlich immer alle zu finden.

Dynamisches Mikrofon oder Kondensatormikrofon?” – “Wofür denn?”

In diesem Artikel wurde es schon kurz angerissen: Es ist vor allem ein Fall des Signals, seiner Aufgabe in der Mischung, der Musikrichtung und des persönlichen Geschmacks, welcher Typ verwendet wird. Eigentlich ist ja nichts “verkehrter” als eine Liste, die aufzeigt, was wann wo benutzt werden sollte – sie ist damit nur ein Anhaltspunkt und beruht auf Beobachtungen. Wer es anders kennt oder macht, möge bitte nicht sofort schreien: Es geht immer auch anders.

Tabelle übliche Wahl Kondensatormikro vs. dynamisches

Legende:

o = üblicherweise verwendet

x = nicht oder selten verwendet

Signal/Anwendungdynamisches MikrofonKondensatormikrofon
Spracheoo
Gesang klassischxo
Gesang Pop, Jazzxo
Gesang Rock, Rapoo
Akustikgitarrexo
Gitarrenverstärkeroo
Bassverstärkerox
Drums Overheadsxo
Bassdrum innen, Lochox
Bassdrum außenoo
Tomsox
Snare obenox
Snare untenoo
Hi-Hatxo
Hauptmikrofon Ensemble, Chorxo
Stützmikrofon klassische Instrumentexo
Stützmikrofon Chorstimmenxo
Holzbläserxo
Blechbläseroo
Stabspielexo
Ambience, Atmoxo
Geräuschexo
Vergleichstabelle: Kondensatormikrofone vs. dynamische Mikrofone (Tauchspule) bei unterschiedlichen Instrumenten und anderen Audiosignalen
Hot or Not
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Kondenser vs. Dynamic

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Profilbild von Wolfgang Lonien

Wolfgang Lonien sagt:

#1 - 21.06.2022 um 16:46 Uhr

1

"Kondenser" mit "K", aber "Dynamic" mit "c"? "Bestes" Denglisch bereits in der Überschrift. Können Eure Autoren Deutsch?

    Profilbild von Nick Mavridis

    Nick Mavridis sagt:

    #1.1 - 22.06.2022 um 09:11 Uhr

    1

    Sehr geehrter Herr Lonien, ja, unsere Autoren, mich als Redakteur eingeschlossen, beherrschen tatsächlich die deutsche Sprache. Wenn die Gegenfrage erlaubt ist: Wie sollten sie sonst Artikel in einem deutschsprachigen Portal beisteuern, wenn sie diese Sprache nicht "könnten"? Die Diskrepanz zwischen der Überschrift und dem vermutlichen gemeinten Text im Teaser ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass wir hinsichtlich vermehrtem Medienkonsum über kleine Bildschirme möglichst kurze, schnell erkennbare Titel benötigen. Auch weiter im Text finden sich Varianten. Hier reagieren wir darauf, dass wir nicht sicher sein können, dass die Suchmaschinen die oft sehr unterschiedlichen Suchanfragen zu einem Thema auch tatsächlich korrekt und in unserem Sinne kanalisieren. Dass Begriffe des Englischen und des Deutschen miteinander kombiniert werden – und mehr noch: ganze Satzteile aus dem Englischen im Original oder Wort für Wort ins Deutsche übersetzt werden – ist nun schon seit sehr langer Zeit Usus. Das gilt ganz besonders in einem technischen Umfeld und ist durchaus als Ausdruck der funktionierenden Vernetzung zu verstehen. Sprachen sind nicht statisch, sondern passen sich den Gegebenheiten an – auch den technischen. Inhaltlich kann ich die Kritik durchaus verstehen (oder, auf "Denglsich": "bin ich ganz bei ihnen"), stoße ich mich doch auch selbst oft an der einen oder anderen Ausdrucksweise oder Wortwahl. Beste Grüße Nick Mavridis (Redaktion Recording)

    Antwort auf #1 von Wolfgang Lonien

    Antworten Melden Empfehlen
    Profilbild von Oliver Berger

    Oliver Berger sagt:

    #1.2 - 29.03.2023 um 17:35 Uhr

    0

    Wenn eine Person nicht sinnvolles zu einer Konversation beizutragen hat, dann wird eben auf so einen Mist zurück gegriffen. Gut, dass es im Artikel um Inhalte geht, die Redaktion hier so bedacht mit Trollen umgeht und das gut abmoderiert.

    Antwort auf #1 von Wolfgang Lonien

    Antworten Melden Empfehlen
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