Etwa ab 2010 war im Musikbusiness eine kleine Revolution zu beobachten: Bands und einzelne Artists konnten auf einmal ihre Zielgruppe mit ihrer Musik auf direkten Wege erreichen, ohne dass dritte Parteien (Labels etc.) notwendig waren. Die sozialen Medien existierten zwar bereits eine Weile, die geringen Übertragungsraten erschwerten die Sache aber speziell für Musikvideos während der ersten Jahre. Interessant ist, dass plötzlich auch Bands abseits des Mainstreams enorm erfolgreich wurden, denn sie trafen auf eine „ausgehungerte“ Zuhörerschaft, die vom damaligen Pop-Einheitsbrei genervt war. Unter diesen Bands finden sich das Musikerkollektiv Snarky Puppy, das schwedische Fusion-Trio Dirty Loops – aber auch: Vulfpeck. Die US-Band wusste das Medium YouTube mit ihrem LoFi Retro-Look und -Sound sehr geschickt zu nutzen und etablierte sich im Handumdrehen sehr geschickt als Marke. 15 Jahre später touren Vulpeck sehr erfolgreich über den gesamten Globus. Ihr Bassist Joe Dart avancierte im Laufe weniger Jahre zu einem der bekanntesten und einflussreichsten Bassisten unserer Zeit. Wir werfen einen Blick auf Joes Werdegang, sein Equipment und seinen Stil.

(Bild: Gonzales Photo / Alamy Stock Photo)
Joe Dart – die Anfänge
Joe Dart wurde am 18. April 1991 in Harbor Springs im US Bundesstatt Michigan geboren. Er wuchs in einer musikalischen Familie auf, was ihn bereits seit frühester Kindheit prägte. Sein Vater war passionierter Hobbymusiker, sein älterer Bruder spielte Gitarre, und sein Großvater wirkte als professioneller Sessionmusiker auf zahlreichen Produktionen bekannter Künstler mit.
Schon früh probierte sich Joe an verschiedenen Instrumenten, darunter Posaune, Schlagzeug und Piano. Im Alter von acht Jahren griff er zum ersten Mal zum Bass – und war begeistert! In der Middle und High School spielte der junge Bassist dann in verschiedenen Bands und traf die Entscheidung, eine Karriere als professioneller Musiker einzuschlagen.
In dieser Zeit entwickelte er bereits seinen ganz eigenen Stil. Als Einflüsse nennt Joe stets die Funk- und Soulmusik der 60er- und 70er-Jahre bzw. die späteren Revivals dieser Styles. Als Bassist beeinflussten ihn vor allem James Jamerson, Rocco Prestia, Jaco Pastorius, Pino Palladino, Flea, Verdine White, Bootsy Collins, Stuart Zender etc.
Nach dem Abschluss der Highschool studierte Joe Musik an der „University Of Michigan“. Dort traf er bei einer Recording-Session Jack Stratton, Theo Katzman und Woody Goss. Zwischen den Vieren war sofort eine persönliche sowie musikalische Chemie zu spüren und sie beschlossen, nach dem Vorbild der Funk Brothers oder der Wrecking Crew eine feste Band für das „Vulf Records Label“ von Jack Stratton zu bilden. Dieser Entschluss sollte jedoch erst der Anfang einer erstaunlichen Erfolgsgeschichte werden.

Joe Dart & Vulfpeck
Zum ersten Mal auf sich aufmerksam machten Vulfpeck im Jahr 2011 mit dem YouTube-Video zum Song „Beastly“. In diesem wird Joe Dart gleich ordentlich mit einem Basssolo gefeatured, was unmittelbar zu einer Auszeichnung des Online-Bassmagazins „No Treble“ führte. Es folgten mit „Peck“ und „Vollmilch“ zwei EPs, bis es 2013 zu ersten Konzerten in der lokalen Szene kam. Im August 2013 erschien die dritte EP „My First Car“, dessen Cover Joe Dart sogar ziert.
Mittlerweile hatten sich Vulfpeck über YouTube und verschiedene Streaming-Plattformen bereits eine treue Fangemeinde erspielt. Einen großen Anteil daran hat das von Jack Stratton ersonnene Gesamtkonzept: Vulfpeck traten von Beginn an als Marke mit eigener Corporate Identity auf: Die Idee dahinter war, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen und eine „deutsche“ und durchaus etwas nerdig-spießige Version der berühmten „Motown“- oder „Stax Records“-Rhythmusgruppen zu verkörpern. Dies zeigte sich vor allem im von alten amerikanischen Fernsehsendungen inspirierten Retro-Look der Musikvideos, aber auch in den Outfits der Musiker.
Die Band entwarf sogar einen eigenen Schriftfont für ihr Logo – jedes Video beginnt mit dessen Einblendung und wird mit einer kurzen Akkordfolge unterlegt, ähnlich wie beim Einschalten eines Computers. Auch mit diesem Audio-Logo wird bis heute Vulfpecks CI unterstrichen.
Zudem entwarf Jack Stratton von Beginn an ein Signature-Klangbild für die Band, das man als „modern produzierten Retro-Sound“ beschreiben könnte.
Mit dem Album „Sleepify“ schaffte es Vulfpeck, den Streaming-Giganten Spotify den Finger zu zeigen. Die zehn Songs des Albums bestanden allesamt aus – Stille! Vulfpeck baten ihre Fans darüber hinaus, das Album über Nacht in der Dauerrotation zu streamen, um durch die eingenommenen Lizenzgebühren eine Tournee zu finanzieren. Als Gegenleistung erhielten die Fans freien Eintritt zu dem Konzerten. Allen Widerständen Spotifys zum Trotz gelang Vulfpeck dieser spektakuläre PR-Stunt!
Im August 2014 veröffentlichte die Band mit „Fugue State“ ihre vierte EP, und 2015 erschien das Album „Thrill Of The Arts“, auf dem bereits mehrere namhafte Gastmusiker zu hören waren. Der Lohn für die Popularität auf YouTube und Spotify waren Platz 16 der US-amerikanischen R&B Album-Charts und ein Auftritt in der „Stephen Colbert Late Show“.
Das nachfolgende Album, „The Beautiful Game“, veränderte dann 2016 für Vulfpeck und vor allem für Joe Dart noch einmal alles. Zunächst einmal kam es auf diesem Album zum ersten Mal zur Kooperation mit dem Gitarristen Cory Wong, der seither den Sound der Band mit seinem unglaublich tighten Groove bereichert. Darüber hinaus enthält das Album mit den Songs „Animal Spirits“, „Cory Wong“ und vor allem „Dean Town“ drei wahre Klassiker der Band, die allesamt zu modernen Basshymnen wurden.
Vor allem „Dean Town“ katapultierte Joe Dart in der Gunst der Tieftöner-Gemeinde ganz nach oben und verfestigte seinen Status als einer der beliebtesten und einflussreichsten Bassisten unserer Zeit. Die Anzahl der YouTube-Covers dieses Songs sprechen eine eindeutige Sprache. Aber nicht nur bei unserer Zunft, sondern auch beim Publikum ist Joe Dart enorm beliebt. Die Tatsache allein, dass ausschließlich von ihm ein T-Shirt auf der Merchandise-Seite von Vulfpeck erhältlich ist, spricht Bände.
Dies hängt natürlich zum großen Teil damit zusammen, dass Joe Dart sich bei Vulfpeck ordentlich austoben darf, häufiger quasi die Rolle des Frontmanns einnimmt und mit seinem Lachen, dem stets wackelnden Kopf und der obligatorischen Sonnenbrille einen hohen Wiedererkennungswert innehat.
Wie hingebungsvoll Vulfpecks und Joes Fans sind, zeigt sich an der Tatsache, dass das Publikum bei Konzerten die komplexe synkopierte Bassline zu „Dean Town“ jedes Mal fehlerfrei mitsingt.
Mit „Mr. Finish Line“ und „Hill Climber“ erschienen zwei weitere Alben, auf denen jeweils renommierte Gastmusiker mitwirkten. Im November 2019 spielten Vulfpeck ein ausverkauftes und umjubeltes Konzert im New Yorker „Madison Square Garden“. Der Gig wurde anschließend als Live-Video und -Album veröffentlicht. Das wirklich Bemerkenswerte daran ist jedoch, dass Vulfpeck die gesamte Aktion aus eigener Kraft und ohne Manager oder Plattenlabel stemmen konnten.
Bis 2025 erschienen mit „The Joy Of Muisc, The Job Of Real Estate“, „Schvitz“ und „The Clarity Of Carl“ noch drei weitere Alben, welche die Reputation der Band als eine der kreativsten und spannendsten musikalischen Formationen unserer Zeit weiter verfestigten. Und auch als Live Act haben sich Vulfpeck mit ihren energiegeladenen, unterhaltsamen und humorvollen Konzerten weltweit einen hervorragenden Ruf erspielt.
Zudem gibt es die „Vulfpeck Conservatory Joe Dart Masterclass“, in der Joe seine Philosophie, Bass zu spielen, in mehreren Kapiteln erläutert, ohne dabei aber die von Vulfpeck bekannte Lockerheit und Selbstironie vermissen zu lassen.

Joe Dart: The Fearless Flyers
2018 hatte Jack Stratton eine neue Idee für die Instrumentalband The Fearless Flyers und entwarf ein musikalisch wie auch ein optisch neues Konzept: Die Gitarristen Mark Lettieri und Cory Wong, Drummer Nate Smith und Joe Dart treten in Flieger-Overalls auf; ihre Instrumente „schweben“ zudem auf Ständern.
Bei den Songs handelt es sich meist um knackig-kurze Funktunes, die ohne Bläser und Gesang auskommen. Alle vier Instrumentalisten werden abwechselnd gefeatured, darunter natürlich auch Joe Dart. Mittlerweile sind fünf Studio- und zwei Live-Alben von The Fearless Flyers erschienen.
Joe Dart: Musikalischer Stil
Vulfpeck besitzen ihren ganz eigenen Signature-Sound, welchen Jack Stratton von Anfang an geplant und designed hat. Einen entscheidenden Anteil an diesen Sound hat Joe Dart mit seinem persönlichen Stil und den vielen Freiheiten inne, die er im Bandgefüge genießt. Nicht selten übernimmt er ganz homogen die Rolle des Frontmanns, ohne dabei jemals den Groove zu vernachlässigen.
Auf diese Weise wurde Joe Dart in kurzer Zeit einem der einflussreichsten und bekanntesten Bassisten der Neuzeit, der bekannt ist für seine Technik, seinen Groove, seinen Ton, seine Melodik – aber auch für seine Nackenmuskeln und seine legendäre Sonnenbrille!
Hier einige Kernpunkte des Stils von Joe Dart:
- Fast ausschließlich Fingerstyle, nur gelegentliche Slap-Einlagen
- Zahlreiche Deadnotes
- Ausgefeilte Raking-Technik
- Elaborierte Muting-Technik, dämpft die Noten häufig mit der Greifhand
- Prägnantes Staccato-Spiel
- Starke Kompression, die staccato und perkussive Elemente unterstützt
- Viele Artikulationen (Slides, Hammer-Ons, Pull-Offs …)
- Vielfach Verwendung der Pentatonik, Bluestonleiter sowie der mixolydischen und dorischen Tonleiter
- Wechselt gerne zwischen statischen Grooves mit wenig Noten und melodischen Motiven
- Nutzt die Range des gesamten Griffbretts, viele Registerwechsel
- Absolute Kontrolle über Subdivisonen (Achtel, Sechzehntel, Zweiunddreißigstel), fließender Wechsel zwischen Ebenen
- Häufig Basisgroove als Anker, über den improvisiert wird
- Wechsel zwischen Puls-orientierten Grooves und Synkopen

(Bild: ZUMA Press, Inc. / Alamy Stock Photo)
Joe Dart: Equipment
Joes erster Bass stammte von der Fernost-Marke Samick. In den Anfangstagen von Vulfpeck nutzte er häufig die günstigen Instrumente aus Jack Strattons Arsenal, darunter ein Squier Precision (siehe „Beastly“) und die berühmte Carlo-Robelli-Kopie eines Music Man Stingrays.
Die ersten Jahre sah man Joe aber hauptsächlich mit seinem weißen in Mexiko gefertigten Fender Jazz Bass. Diese allesamt günstigen Versionen bekannter Klassikern dienten schließlich als Vorlagen für Joes Signature-Bässe aus dem Hause Music Man. Diese verfolgen mit ihrem Natur-Finish, den passiven Tonabnehmern und der auf einen einzigen Volumen-Regler reduzierten Elektronik einen äußerst minimalistischen Ansatz.
Hier einige Instrumente von Joe Dart:
- Squier Precision Bass
- Fender Mexico Jazz Bass
- Carlo Robelli M-Bass
- Music Man Joe Dart Bass I (M-Style)
- Music Man Joe Dart Bass II (J-Style)
- Music Man Joe Dart Bass III (Shortscale P-Style)
In Sachen Bassverstärkung vertraut Joe schon seit vielen Jahren der italienischen Company Markbass. Sein bevorzugtes Equipment sind die Topteile Little Mark Tube 800 und Little Mark Vintage, die er mit einer oder zwei 104 Standard HF-Boxen und gelegentlich einer Classic 810 paart.






Joe ist bekannt dafür, ausschließlich Flatwound-Basssaiten zu nutzen. Mittlerweile hat er hier zu den Ernie Ball 2805 Stainless Steel Flats gefunden, welche auch die Werksbesaitung seiner Signature-Bässe bilden.


Vielen Dank für deine großartigen Basslines, lieber Joe!
