Im Jahr 2025 wird wahr, woran wohl kaum jemand mehr glaubte: Die britische Mega-Band Oasis ist zurzeit wieder auf Welttournee! Die beiden unversöhnlichen Brüder Liam und Noel Gallagher haben sich tatsächlich noch einmal zusammengerauft. Anlässlich dieses für die Rockszene bedeutenden Ereignisses widmen wir uns heute einem der größten Hits von Oasis. Auch wenn der ein oder andere „Wonderwall“ wahrscheinlich schon etwas zu häufig gehört hat, beinhaltet der Song doch eine in vielerlei Hinsicht interessante Bassline. Tatsächlich durfte ich bei genauerem Hinhören in den Track im Rahmen meiner Arbeit an diesem Artikel beschämt feststellen, dass ich „Wonderwall“ in meinen Coverband-Tagen niemals wirklich gerecht wurde – wie es eben manchmal so ist, wenn es schnell gehen muss! Darum nehmen wir uns heute besonders viel Zeit für die Bassline dieses Welthits.

„Wonderwall“ – Video
Auf geht’s, wir brechen auf in die 90er-Jahre und somit in die Hochzeiten des Britpop – auch wenn Oasis diesen Begriff bekanntermaßen hassen. Hier seht und hört ihr das Original aus dem Jahr 1995:
„Wonderwall“ – Rhythmik
„Wonderwall“ besitzt ein moderates Tempo von ca. 90 bpm. Wie so häufig bei Songs, welche in diesem Bereich liegen, haben wir es mit einer bunten Mischung aus Achtel- und Sechzehntel-Noten zu tun. Der Vers basiert auf einem zwei Takte langem Loop, der ohne Variationen wiederholt wird. Bassist Paul „Guigsy“ McGuigan steuert jeden Viertelpuls an, lediglich die Zählzeit 3 im zweiten Takt des Loops antizipiert er zusammen mit dem Schlagzeug um eine Sechzehntel.
Insgesamt beinhaltet die Bassline relativ viele Noten, dafür aber recht wenig Melodie. Im Pre-Chorus dünnt Paul die Sache etwas aus, dafür wird nun in jedem Takt die Zählzeit 3 um eine Sechzehntel antizipiert (vorgezogen). Das vorherige zweitaktige Pattern wird im Chorus dann auf nur einen einzigen Takt reduziert. Als Rhythmik wird exakt der zweite Takt der Strophe als Vorlage genommen, lediglich die Töne ändern sich. Auf diese Weise erzeugt Paul McGuigan eine homogene Bassline, die sämtliche Songteile miteinander verknüpft.
Schließlich haben wir noch die berühmte „Einser-Bremse“ – eine echte Stolperfalle für viele Bands. Die Rede ist vom Break am Ende des Chorus: Nach unserer letzten gespielten Note sind ganze sechs Pulsschläge frei, bevor wir mit einem kleinen Pickup wieder zurück zum Vers führen. Die Drums setzen jedoch bereits nach vier Schlägen Pause mit einem synkopiertem Fill ein, das auch noch ausgerechnet auf der 1+ startet. Keine Frage, diese vergleichsweise lange Pause sowie das angesprochene Fill-In können einen schon mal aus dem Takt bringen. Da heißt es beinhart mitzählen, bis man die Sache im Gefühl hat.
„Wonderwall“ – Tonmaterial
Der Song steht in der Tonart F#-Moll, welche die Töne F#-G#-A-B-C#-D und E umfasst. Sämtliches harmonische Geschehen besteht aus Stufenakkorden, die ausschließlich aus den Tönen der Tonleiter gebildet werden. Das Gleiche gilt auch für Paul McGuigans Bassline. Zudem reduziert er sich fast den ganzen Song auf den Grundton des jeweiligen Akkordes. Für etwas Spannung sorgt am Ende des Pre-Chorus die Septime A zum Bsus-Akkord.
Ein kleines Highlight hören wir im Chorus: Hier spielt Paul über die beiden Akkorde D- und A-Dur neben den Grundtönen das gleiche melodische Motiv. In Takt 1 sind es die None und die Terz des D-Akkordes, im zweiten Takt werden exakt die gleichen Töne zur Quinte und Sexte des A-Akkordes.

„Wonderwall“ – Spieltechnik & Basssound
„Wonderwall“ ist ein typisches Beispiel dafür, wie man den Bass in einem Mix begraben kann. Entsprechend schlecht ist er leider zu hören! Bei den Aufnahmen war wohl Paul – im Vergleich zu Liam und Noel – nicht gerade die oberste Priorität. Daher können wir nur raten, wie der Basssound auf „Wonderwall“ zustande kam.
Auf Fotos im Netz ist Paul nahezu ausschließlich mit den beiden Klassikern Fender Jazz Bass und Fender Precision Bass abgebildet, die er in der Regel mit den Fingern und nur ganz selten mit einem Pick spielt. In manchen Videos und TV-Auftritten sieht man ihn mit einem Hiwatt Custom 200-Amp plus 4x12er-Boxen.
Auch wenn es natürlich keine Garantie gibt, dass diese Kombination bei „Wonderwall“ zum Einsatz kam, erkennt man hier doch deutlich die Marschroute: Fender-Bass und Röhrenamp – was soll da auch schon schiefgehen?
„Wonderwall“ – Transkription
Hier findet ihr die transkribierte Bassline sowie die von mir eingespielten Klangbeispiele zum Mitjammen.
Viel Spaß mit „Wonderwall“ von Oasis und bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt