In diesem Workshop geht es nicht um spezielle Tonleitern, Arpeggios oder dergleichen, sondern um drei verschiedene Fingersatz-Archetypen, die am E-Bass Verwendung finden. Diese lassen sich dann wiederum auf das genannte Tonmaterial anwenden. Welchen der drei Fingersatz-Typen man wählt, hängt von unterschiedlichen Faktoren bzw. Situationen ab. Hier gibt es kein “richtig” oder “falsch”, kein “besser” oder “schlechter”, stattdessen gibt es für jeden E-Bass-Fingersatz zu jeder Zeit verschiedene Pro- und Contra-Argumente, warum er in einer bestimmten Situationen die beste Wahl sein kann – oder eben nicht.

Warum gibt es verschiedene Fingersätze für E-Bass?
Warum existieren eigentlich überhaupt verschiedene Fingerings für E-Bass? Kann man nicht nur mit einem Fingersatz Bass spielen?
Der Grund dafür liegt darin, dass wir zu jeder Zeit möglichst ökonomisch und entspannt spielen wollen, so dass wir uns voll auf unsere Musik konzentrieren können und nicht unnötig mit der Spieltechnik zu kämpfen haben. Da Musik aber nun einmal vielfältige spieltechnische Herausforderungen für uns bereithält, wäre dies mit nur einem einzigen Fingersatz kaum zu bewältigen. Tatsächlich kann man je nach Situation sogar unterschiedliche Fingersätze im Laufe desselben Songs einsetzen.
Hier ist eine kleine Auswahl an Kriterien, die für unterschiedliche Fingersätze in unterschiedlichen Situationen sprechen:
- Komplexität der Bassline
- Anzahl der Bünde, die die Bassline umfasst
- Tempo/Geschwindigkeit
- Anzahl an Artikulationen, z. B. Hammer-Ons, Pull-Offs, Bendings, etc.
- individuelle Anatomie: Wir alle haben unterschiedlich große Hände, nutzen aber das gleiche standardisierte Instrument. Hierdurch werden zwangsläufig individualisierte Lösungen erforderlich.
- persönlicher Geschmack (oft ebenfalls bedingt durch Anatomie): Bleibe ich lieber in einer Lage und spreize die Finger? Oder mache ich es mir bequem und verwende mehrere Lagenwechsel?
Fingersätze für E-Bass: Kontrabass-Fingersatz
Die Mensur eines Kontrabasses ist einfach “verdammt lang” – bei ¾ oder ganzen Bässen beträgt sie deutlich über einen Meter! Daher kann man mit seinen Fingern lediglich eine Spanne von drei Halbtönen in einer Lage abdecken, wenn man nicht gerade übergroße Hände sein Eigen nennt. Beim Kontrabass-Fingersatz greift der Zeigefinger den ersten, der Mittelfinger den zweiten und Ring- UND Kleiner Finger als eine Einheit den dritten Halbton.

Den Kontrabass-Fingersatz kann man allerdings auch auf dem E-Bass einsetzen – selbst dann, wenn man seine Hände noch nie an einen Kontrabass gelegt hat. Möchte man den Kontrabass-Fingersatz auf dem E-Bass benutzen, müssen wir auf dem Griffbrett drei Bünde mit vier Fingern der Greifhand greifen.
Der Kontrabass-Fingersatz hat vor allem zwei Vorteile: Die Hand ist absolut entspannt und muss sich nicht strecken, d. h. wir können für lange Zeit mühelos spielen – vor allem in den tiefen Lagen! Artikulationen wie Hammer-Ons, Pull-Offs, Bendings, Shakes etc. fallen einem dadurch wesentlich leichter, da man mehr Hebelwirkung erzielen kann, wenn die Finger nicht gespreizt sind.
In Basslines aller Stilistiken finden sich bestimmte Töne mit auffallender Häufigkeit: Grundton, Quinte, kleine Septime, Oktave, kleine Terz etc. sind feste Bestandteile des bassistischen “Brot und Butter”-Bassspiels: Diese Töne liegen allesamt perfekt in dem drei Bünde umfassenden Bereich – und den können wir mithilfe des Kontrabass-Fingersatzes perfekt bedienen. Warum also sollten wir uns also die Sache unnötig schwer machen?
Hier findest du den Fingersatz sowie ein paar Grooves aus verschiedenen Stilistiken, die sich komplett in einem drei Bünde umfassenden Bereich bewegen und die eben genannten Töne nutzen:
Pentatoniken sind ja bekanntlich gerade in Rock, Blues, Soul, Funk etc. meist die erste Wahl für Basslines, allen voran die Moll-Pentatonik. Diese kann man wunderbar mit dem Kontrabass-Fingersatz spielen, da dann immer zwei Bünde Abstand zwischen den einzelnen Tönen besteht.
Man muss hier lediglich einen Lagenwechsel mehr vollziehen als mit der Alternative „1 Finger pro Bund“ (siehe nächster Punkt). Dafür ist man aber viel relaxter in der Greifhand und Artikulationen, welche für die nötige stilistische Authentizität sorgen, lassen sich viel besser einbauen. Hier sind beide Fingersätze im Vergleich.
Fingersätze für E-Bass: 1 Finger pro Bund (auch: “4 Finger – 4 Bünde”)
Der Name ist bereits die Erklärung: Jeder Finger greift einen Bund, was eine Spannweite von vier Bünden ergibt. Das fühlt sich zwar nicht ganz so relaxt an wie der vorherige Kandidat und Artikulationen fallen schwerer, dafür erreicht man hier jedoch mehr Töne und kann sich sehr elegant und fließend horizontal und vertikal über das Griffbrett bewegen. Dieser Fingersatz eignet sich ausgezeichnet für Tonleitern, Dur-Pentatonik sowie Arpeggios.
Aber auch Basslines, die auf erwähntem Tonmaterial basieren, lassen sich hervorragend mit dem “4 Finger – 4 Bünde”-Fingersatz spielen.
Hier sind drei Beispiel-Basslines mit dem “1 Finger pro Bund”-Fingersatz:
Fingersätze für E-Bass: Spreizfingersatz
Der Exot unter unseren drei Kandidaten ist der sogenannte Spreizfingersatz, daher wird er hier auch nur kurz angerissen. Die meisten von uns werden ihn wohl nur selten bis nie benötigen. Der Vorteil des Spreizfingersatz liegt bei einem abermals größeren Tonumfang, welcher mir zur Verfügung steht, ehe ich einen Lagenwechsel vornehmen muss.
Das kann helfen, wenn es mal schnell und technisch komplex wird. Am besten sieht man dies anhand einer Dur-Tonleiter – hier deckt man mit dem Spreizfingersatz fünf statt vier Bünde (also immerhin drei Ganztöne!) auf einer Saite ab. Das verlangt zwar ein etwas aufwendiges Abspreizen der Finger, kann aber eben in bestimmten Situationen durchaus hilfreich und sinnvoll sein.
Viel Spaß mit den unterschiedlichen Fingerings für die Greifhand und bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt