ANZEIGE

Toontrack EZkeys Cinematic Grand Test

Praxis

Man nehme: Bösendorfer Flügel

Die Basis für Toontrack EZkeys Cinematic Grand bildet ein Bösendorfer Flügel aus dem Jahre 1891. Genauer gesagt wurden nur vier Oktaven des ursprünglichen Instruments in das Plugin übertragen. Das Entscheidende bei Cinematic Grand ist allerdings, dass der Flügel nicht einfach gespielt und dabei gesampelt wurde. Man hat sich vier alternative Tonerzeugungs- und Spieltechniken einfallen lassen und diese dann aufgenommen. Cinematic Grand ist also kein schnödes Piano. Die Saiten wurden nicht einfach vom Hammer angeschlagen. Stattdessen kamen folgende vier Spieltechnicken zur Anwendung:

  • Bowed (mit einem Bogen gestrichen)
  • Plucked (von Hand gezupft)
  • Damped (die Saiten wurden mit verschiedenen Materialien abgedämpft)
  • Harmonic (mit hervorgehobenen Obertönen)

Die Aufnahmen wurden anschließend mit verschiedenen Effektketten bearbeitet und weiter verfremdet. Daraus wurden dann 40 einzigartige Presets kreiert. Teilweise lassen sich diese auch verändern, indem man das Lautstärkegleichgewicht der vier Spieltechnicken stufenlos variieren kann. 
GUI
Schon beim ersten Anblick der GUI wird schnell klar: bei Cinematic Grand handelt es sich offensichtlich nicht um ein herkömmliches Klavier-Plugin. Denn schon das Hintergrundbild zeigt einen nicht mehr ganz unversehrten Flügel. Verschiedenes Dämmmaterial liegt auf den Saiten, Dinge wurden zwischen die Saiten gesteckt, aus dem Instrument wurden Saiten und Tasten entfernt und hinter den beiden aufgeklebten Kartons verstecken sich die Einstellungen für Dynamics und Tuning. Durch einen Klick auf den jeweiligen Karton klappt dieser nach oben und gibt damit die entsprechenden Parameter frei. Die beiden Hebel unterhalb der Tastatur repräsentieren das Dämpfer- und Sostenuto-Pedal.

So sieht die Oberfläche von Cinematic Grand aus.

Darunter befindet sich dann ein Hauptelement der EZkeys Reihe, die direkt in die GUI implementierte MIDI-Engine, in die verschiede MIDI-Events geladen werden können. Neben der Transport-Sektion, einem Display, das Tonart, Takt und Tempo anzeigt, und einem großen Laustärkeregler findet man auf der linken Seite je nach Preset verschiedene Parameter. Teilweise lassen sich hier die vier Spieltechniken miteinander mischen, oder es erscheinen Regler für Reverb-Time und Delay, Rotor-Speed und -Drive oder Tremolo-Rate und -Intensity.  
Ganz oben in der Kopfzeile der GUI lässt sich eine Library wählen, allerdings nur, wenn man noch weitere Sound-Packs aus der EZKeys Reihe besitzt. Und hier sucht man sich ein Preset aus, entweder durch einen Klick auf das entsprechende Display, oder über die Pfeiltasten links davon. Außerdem kann man hier das Menü für Einstellungen aller Art betreten. 

Sound
Die Sounds von Cinematic Grand sind wirklich toll. Zum einen sind sie besonders, da man normalerweise keine gezupften Saiten bei einem Piano-VST hört. Zum anderen hört man in den Presets teilweise auch die Effects-Chain, mit denen die Sounds bearbeitet wurden. Dadurch werden die Klänge noch interessanter, noch charaktervoller. Und genau solche Sounds sucht man nun mal als Filmkomponist oder Sounddesigner.
Bei Beispiel 1 hört man deutlich das Material, das auf die Saiten gelegt wurde. Man kennt diese Technik schon seit Jahren auch von Jazz-Pianisten, in den Flügel zu greifen und eine oder mehrere Saiten abzustoppen, um sie so vom ungehinderten Schwingen abzuhalten. Dadurch entsteht dieser stumpfe Klang mit wenigen Obertönen, der dafür aber sehr viel Attack hat. Der Vorteil hier besteht darin, dass man die vier gesampelten Oktaven nach Herzenslust nutzen kann, ohne ständig eine Hand auf die Saiten des Flügels legen zu müssen.
Beispiel 2 ist ähnlich, aber dieses Mal klingt es so, als leide das Klavier unter Altersschwäche. Wer hat nicht schon einmal an einem uralten Klavier gesessen, das zusätzlich auch nicht gerade in der besten Verfassung war. Das Preset erinnert fast an ein Saloon-Piano aus einem Western. Beethoven wird darauf wahrscheinlich nicht besonders klingen. Aber sucht man für eine Filmszene einen besonderen Sound mit Charakter, ist man hier genau richtig. Schön, dass auch die tiefen Frequenzen und das Pedal bei den Aufnahmen mit eingefangen wurden, das verstärkt das Gefühl, ein akustisches Instrument zu hören. Allerdings ist bei diesem Preset die Ausschwingphase der Samples äußerst kurz geraten. 
Beispiel 3 zeigt, was Cinematic Grand wirklich drauf hat. Niemand würde hinter diesem Sound ein Klavier als Klangquelle vermuten, eher eine Orgel oder ein Harmonium. Aber die vier Spieltechniken von Cinematic Grand machen solche Sounds eben möglich. Hinzu kommen dann noch die Effekte. Ich höre eine leichte Verzerrung, eine Bewegung wie von einem Rotor-Effekt oder Delay und jede Menge Hall. Da schlägt das Filmkomponistenherz vor Freude bis an die Decke.
Beispiel 4 zeigt uns ein sehr schönes Toy-Piano mit einer leichten Hall-Fahne, die den Sound wieder besonders macht. Und die Detailstufe des Sounds mit seinen vielen Tastengeräuschen ist beachtlich.
Der Name von Beispiel 5 passt perfekt, dieses Preset hat tatsächlich etwas Asiatisches. Neben dem Delay hören wir auch ein leichtes Rauschen, das dem Sound wahrscheinlich nachträglich verpasst wurde. Bei einer Bach-Partiten-Aufnahme für Solo-Klavier wäre das nicht gerade erwünscht, aber in der Welt der Filmkomponisten ist das etwas ganz anderes. Hier geht es um Charakter, und der ist bei diesem Preset definitiv vorhanden. Außerdem haben wir Obertöne satt und ein vorbildliches Ausschwingverhalten, das einem akustischen Instrument schon recht nahe kommt. 

Audio Samples
0:00
Toontrack Cinematic Grand: 80s Dream Toontrack Cinematic Grand: Lonesome Toontrack Cinematic Grand: Rising Toontrack Cinematic Grand: Soft Indie Film Toontrack Cinematic Grand: Eastern Harp

MIDI-Packs
Zusätzlich zu Cinematic Grand teste ich noch ein paar dazu passende MIDI-Packs. Über den internen Browser kann man bequem durch alle Files gehen, sie vorhören und dann gegebenenfalls einfach in den MIDI-Dateien-Slot darunter ziehen.
In den folgenden Audiobeispielen nutze ich exemplarisch immer jeweils ein Event aus den Bereichen Intro, Main Theme, Bridge und Outro, damit eine Art Songform entsteht. Außerdem wähle ich einen aus meiner Sicht dazu passenden Sound aus. Alle MIDI-Events aus allen MIDI-Packs können selbstverständlich mit jedem Preset oder eigenen Sound kombiniert und abgespielt werden. Neben den Libraries EZKeys MIDI und Music Theory Examples, die zum Lieferumfang von allen EZKeys Produkten gehören, höre ich mir folgende MIDI-Packs an:

Audio Samples
0:00
Toontrack Cinematic Grand Movie Scores Toontrack Cinematic Grand Movie Scores u2013 Action Toontrack Cinematic Grand Movie Scores u2013 Drama Toontrack Cinematic Grand Movie Scores u2013 Horror Toontrack Cinematic Grand Movie Scores u2013 Romance

Alle MIDI-Packs beinhalten wirklich tolle Ideen, schöne Melodien und filmische Effekte. Am EZKeys System ist ebenfalls interessant, dass man diese MIDI-Packs natürlich auch mit Sounds anderer Expansions mischen kann, wie zum Beispiel mit Church Organ oder Dream Machine und diese in verschiedensten Tempi und Tonarten abspielen kann. Dadurch erhält man wirklich Möglichkeiten ohne Ende und die Tage des ergebnislosen Rumklimperns am Klavier gehören endgültig der Vergangenheit an.

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.