Extreme Effekte verändern Sounds so stark, dass sie kaum wiederzuerkennen sind. Diese Art von radikalem Sounddesign braucht es oft – etwa für Filme und Games, um vollkommen neue Klangcharakteristiken zu schaffen, oder für Samples in der eigenen Produktion, die nicht nach Preset klingen sollen. Auch bei Stimmeffekten für den Livestream oder die Gesangsaufnahme kommen sie zum Einsatz. Ob Verzerrung, Glitch-Effekt oder verrücktes Delay, diese Plugins können eure Sounds vollkommen verfremden.

Extremes Sounddesign wird anfangs oft eher Geräusch, nah am Tafelkratzen, hervorbringen, bevor ihr die ersten spannenden Resultate zu hören bekommt. Egal, ob ihr Preset-Durchklicker oder Parameter-Verdreher seid, habt Geduld, bis sich die Sounds nicht mehr nur schrecklich anhören.
Was nutzt ihr zum Verfremden von Sounds? Welche Plugins und DAW-Tools sind eure Favoriten?
Distortion, Verzerrung, Saturation
Der Markt der Verzerrungs- und Sättigungsplugins ist (äh..) gesättigt. Von zarter Wärme über kräftiges Overdrive hin zur berstenden Metal-Amp-Emulation wird viel geboten. Soll es aber noch eine Stufe krasser sein, führt kein Weg an Trash 2 von iZotope vorbei. Über 60 Verzerrungsalgorithmen, zwei Filter, Multiband-Kompressor, Delay und eine Convolution Engine. So kann ich die ordentlich verzerrte Stimme dann auch noch so klingen lassen, als käme sie aus meinem Küchenradio.
Etwas neuer als Trash 2, aber nicht weniger kreativ ist Rift von Minimal Audio. Im Verzerrer gibt es 24 Algorithmen, eine komplexe Modulations-Engine und einen dreifachen Multibandmodus. Dazu gibt es Besonderheiten wie die Möglichkeit, die Tonhöhe des Feedback-Pfeifens auf eine Note zu stimmen, einen mächtigen Modulations-Sequencer für komplexe Rhythmen auf allen Parametern und über 400 Presets, die von subtilem Anwärmen bis zum resonanten Pfeifkonzert auf dem Drumloop alles bieten. Verzerr- und Feedback-Sound könnt ihr mit den Freeware-Versionen Rift Filter Lite und Rift Feedback Lite testen.
Grain
Wer seine ersten Gehversuche bereits bei Granular-Synthesizer gemacht hat, wird schnell auf die Idee kommen, wie das granulare Flattern und Glitzern auf den eigenen Loops und Samples klingen könnte. Und natürlich kann man jedes beliebte Sample in Soft Synths wie Novum oder Pigments laden, und selbst den ollen NI Absynth 5 kann man als Insert nutzen.
Mit einem Granular- oder Grain-Effekt kann man allerdings gleich eine ganze Effektkette dahinter bauen – und muss sich auch über temposynchrones Abspielen keine Gedanken machen.
Hier hat sich einiges getan in den letzten Jahren: Als komplexester und damit auch kompliziertester Effekt dieser Gattung gilt immer noch CrusherX. Wer eher einen spielerischen Ansatz sucht, erst einmal mit Presets und wenigen Reglern granulieren möchte, sollte sich New Sonic Arts Granite oder Portal von Output näher ansehen.
Wer Fan des Granular-Synths Pigments von Arturia ist, wird sich über EFX Fragments freuen. Auch der französischen Hersteller bringt mit diesem Plugin eine Grain-Engine mit, die sich beim Erzeugen von „Future Sounds“ für alle elektronischen Genres genauso effektiv zeigt wie beim radikalen Verändern von Sprach- oder Gesangsaufnahmen. Dazu verwandelt der „Rhythmic Mode“ jedes Synth Pad in Glitch Percussion. Der Modus triggert die erzeugten Grains rhythmisch.
Time-Stretching
Die Time-Stretching-Engines moderner DAWs, sei es die Warp-Engine in Ableton Live, VariAudio in Cubase oder Elastic Audio in ProTools, sind vor allem für sanfte Korrekturen und das Einpassen von leichten Temposchwankungen bei Audiomaterial gedacht. Zwar lassen diese sich mit den extremsten Einstellungen auch dafür nutzen, Sounds zu verfremden, soll es in richtig abgefahrenes Territorium gehen, führt kein Weg vorbei an der Freeware Sonosaurus PaulXstretch.
Audiomaterial auf das bis zu 1024-fache zu verlangsamen, ohne dass sich die Tonhöhe ändert, macht aus jedem Vocal Loop ein episches Pad und aus jeder Percussion ein bitterböses Drone. Ähnlich wie bei Melodyne müsst ihr das Quellmaterial dazu immer erst in den Effekt importieren. Dann gibt es bei dem Stretch-Algorithmus noch neun weitere Effekte wie eine Frequency, einen Pitch Shifter und einen Oberton-Erzeuger. Alle Effekte in Paulxstretch verfremden selbst bei kleinen Veränderungen bereits extrem.

Multi-Effekte: Glitch, Grain und Delay-Gewitter
Wenn es denn mal wirklich komplexer und extremer werden soll, sind Multi-Effekte eine gute Wahl. Einen Streicher-Loop verhackstücken, die Drums slicen, choppen und verzerren, was das Zeug hält – bevor ihr da für jeden Effekt einzeln ein Plugin ladet, sind diese Schweizer Taschenmesser eine gute Wahl. Hier werden verschiedene Glitch-, Verzerrungs- und Delay-Effekte kombiniert, oft auch rhythmisch getriggert.

Eine Auswahl: BYOME von Unfiltered Audio treibt das Prinzip Multi-Effekt auf die Spitze. Denn „Build Your Own Multi Effect“ bringt nicht nur über vierzig Effektmodule in den Kategorien Distortion, Modulation, Granular und Spektral mit. Die Modulationsmöglichkeiten machen den Effekt fast schon zu einem Modular-Synth, nur eben als Effekt. Dazu gibt es mit „Triad“ noch eine an BYMOE angelehnte Multi-Band-Version. Wer möchte, betreibt den Effektwahnsinn in drei Frequenzbereichen separat noch weiter.

Wenn es eher um rhythmische Sidechaining- und Stereoeffekte geht, ist Shaperbox 2 von CableGuys eines der besten Tools. Gerade der TapeStop-Effekt „Time“ und der neue Drive-Effekt zaubern mithilfe der komplexen Modulationskurven, die das Plugin mitbringt, selbst aus eintönigem Gesang oder künstlich klingenden Orchester-Sounds vollkommen neue Klangwelten.

Zu guter Letzt sei noch Molekular von Native Instrument erwähnt, ein Multi-Effekt, für den ihr mindestens den Reaktor-6-Player braucht. Wer einmal akustisch miterlebt hat, wie sich ein knackiges Rock-Schlagzeug in eine Mischung aus zwitschernden Harfenklängen und Star-Wars-artigen Lasersounds verwandelt hat, der wird Molekular lieben.
Von Wurmlöchern und Gemorphtem – die Plugins von Zynaptiq
Wenn es um Halleffekte geht, so lag der Anspruch von Plugins lange darauf, jede Kirche und jeden Konzertsaal möglichst naturgetreu nachzubilden. Ob per Algorithmus oder Impulsantwort: Hauptsache echt sollte es klingen. Seit einigen Jahren brechen Programmierer aus diesem Credo aber vermehrt aus. Zynaptiq hat hier mit Wormhole eine besonders abgefahrene Version herausgebracht. Legt ihr Wormhole auf einen Drumloop, macht es daraus eine Orgelpfeife.

Morph 2 wiederum, ebenfalls von Zynaptiq, setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Zwischen zwei Quellen lässt sich über verschiedene Algorithmen spektral hin- und hermorphen: Ein Vocal mit dem Bellen eines Dackels gemoprht, ein Wiehern mit einer Klaviermelodie – die Resultate haben oft wenig mit dem Original zu tun, klingen aber (manchmal) viel interessanter.
Echos mit eigenem Willen – Delays, die anders klingen
Delays gibt es viele, die meisten eint die grade Rhythmik. Je nach Einstellung kommt das Echo brav in Viertel- oder Achtelnoten gemäß dem Songtempo zurück. Viel mehr als sanftes Filtern ist da meistens nicht erlaubt, sonst würde es ja nicht mehr wie ein natürliches Echo klingen. Aber wie beim Reverb gibt es hier clevere Entwickler, die das Ganze weiter und um Ecken denken.

Die Freeware Supermassive von Valhalla hat hier bereits eindrucksvoll gezeigt, wie kreativ man Delay, Reverb und Modulation mischen kann. Auch die kommerzielle Version Vallhalla Delay bringt eine Vielzahl an Presets und Delay-Modi mit, die aus Echos glitzernde, wabernde, wunderschön verschmierte Pads machen.
Replika XT von Native Instruments bringt neben den fünf Algorithmen sechs Effekte mit, die sich auf die Echos legen lassen. Liebliche Gitarrenweisen verwandeln sich in gigantisch, verstörende Lofi-Flächen. In eine ähnliche Kerbe schlägt Other Desert Cities von Audio Damage. Echos vorwärts, rückwärts, granuliert, eiernd wie bei alten Tape Echos und das alles moduliert, bis kein Echo mehr gerade klingt.

Noch einen Schritt weiter geht Late Replies von Blue Cat Audio. Der Effekt gehört zur Gattung der Tap Delays. Seine Besonderheit ist, dass man den Rhythmus des Delays, anders als bei den geraden Echos der meisten Standard-Delay-Effekte, selbst bestimmen kann. Late Replies erzeugt einen Rhythmus aus 8 Taps. Und jeder Tap kann mehr als eine eigene Tonhöhe und eine Panning-Position bekommen. Dazu werden über 30 Effekte mitgeliefert. So erhält Tap 1 einen Distortion-Effekt, Tap 3 einen Reverb und Tap 8 einen Flanger, während alle acht Taps in der Tonhöhe absteigen. Wem das nicht reicht: Als Tap-Effekte könnt ihr auch externe Plugins in Late Replies laden.

Mach mir mein Monster – Stimmeffekte
Eine Monsterstimme ist leicht gemacht: Oktave tiefer, etwas Verzerrung, etwas dumpfen Hall, fertig ist der Alptraum. Aber oft hört man noch zu vielen Stellen, dass der Pitch-Algorithmus etwas ungenau war, das Ganze mehr nach umgekehrtem Helium-Ballon als nach Thanos klingt. Stichwort Thanos: Laut Eigenwerbung von Krotos wurde dessen Stimme, also die Stimme von Schauspieler Josh Brolin, durch den Dehumaniser gejagt, um dem nihilistischen Riesen die passende Größe in der Stimme zu verleihen.

Wer es musikalischer mag, sollte sich mit Virta auseinandersetzen. Das Plugin ist eine Mischung aus Vocoder, Autotune-Effekt, und Synthesizer. Eine Gesangslinie mal eben wie ein altes Cello klingen zu lassen, einen klagenden Auto-Tune-Frosch oder eine Schar Vögel ist damit kein Problem.

Fazit
Eigenes Sounddesign wird immer wichtiger. Fertige Loops und Presets sollte man als Producer oder Sounddesigner heute mindestens anpassen und verfremden. Mit den hier vorgestellten Effekten sollte das sowohl in der Musikproduktion als auch im Film- und Game-Sounddesign gelingen.