Ach, wie schön das gewesen wäre: Coronakrise vorbei, alle veranstalten und spielen wieder ganz viele Konzerte, das Publikum dürstet nach Live-Erlebnissen und Kultur ist uns allen so wichtig und wird auch finanziell wertgeschätzt. Stattdessen stecken uns Kulturschaffenden rund drei Jahre Krisenmodus in den Knochen, die Weltsituation hat sich nicht gerade entspannt, das technische Fachpersonal scheint verschwunden. Clubs geht es schlecht, die Inflation trifft auch die Kultur, und Streaming ist für die meisten von uns jetzt nicht so ’ne wirkliche alternative Einkommensquelle.
In den letzten Jahren und ganz besonders seit 2020 hat sich in der Musikindustrie irre viel verändert – und dabei oft nicht zum Guten. Dennoch soll dies hier kein Artikel werden, der der Vergangenheit hinterhertrauert, denn „früher“ war auf keinen Fall alles besser.
Aber ich möchte den Blick mit euch auf die veränderte Situation lenken und aufzeigen, wie wir uns darauf neu einstellen können. Denn fest steht: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.
Eine kleine Bestandsaufnahme
Spricht man mit anderen Musikschaffenden über die Livesituation, zeichnet sich doch vielfältig ein eher gemischtes bis negatives Feedback ab. Das Touren ist dank Preissteigerungen für Sprit, technisches Personal, Tourbusmieten etc. deutlich teurer geworden und viele Veranstaltende sind sehr viel zögerlicher, wenn es ums Booking geht. Acts im Aufbau haben es deutlich schwerer, an Gigs zu kommen (erst recht an fair bezahlte) und wer aufmerksam beobachtet, wird feststellen, dass auch viele ehemals größere Bands kleinere Venues spielen und/oder ihre Besetzungen verkleinert haben. Dazu kennen wir die Absagen von Künstler*innen, weil sie schlicht zu wenig Tickets verkauft haben – ein Absagegrund, der zumindest vor den letzten Krisenjahren eher unüblich war und auf einmal viel mehr Artists trifft.
Der Kaufkraftverlust durch Inflation und Preissteigerungen macht sich auch bei unserem Publikum bemerkbar und kommt direkt bei uns an. Die steigenden Kosten stehen einer schwierigen Gagensituation entgegen und wir merken: Hat es 2019 vielleicht gereicht, einen Gig zu buchen, Plakate wenige Monate vor dem Auftritt an den Club schicken und ein bisschen örtliche Presse zu akquirieren, reicht das heute nicht mehr aus, um Leute zu gewinnen. Viele Bookingagenturen und Musikschaffende berichten davon, dass die Arbeit um Konzerte herum viel aufwändiger geworden ist und es schwieriger geworden ist, Menschen auf Konzerte zu bewegen.
Dem gegenüber stehen Mega-Events à la Bruce Springsteen, Helene Fischer & Co., die astronomische Ticketpreise aufrufen können und die Stadien trotzdem füllen. Diese Events gönnen sich Menschen schon noch, doch auf der Strecke bleiben dann kleinere Konzerte von Acts, die man sich bereitwillig erstmalig anschauen muss und deren Preise in den meisten Fällen ja auch schon teurer geworden sind.
Kurzum: Die Akquise für Konzerte ist für viele härter geworden, das Touren ist für viele schwieriger geworden, der Ticketverkauf ist für viele anstrengender geworden. Das Livegeschäft hat seine substituierende Einkommensfunktion für die schlechten Streamingvergütungen für viele verloren. Denn auch die ist nicht besser geworden, schlimmer noch: Marktführer Spotify wird künftig Tracks mit unter 1000 Streams pro Jahr und undurchsichtigen Nebenbedingungen gar nicht mehr vergüten. Der Stress, den eigenen Musikkatalog im Netz irgendwie am Leben zu halten, hängt auch an uns.
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Klar könnten wir den Artikel hier jetzt beenden und sagen: Alles ist doof. Aber ich finde, wir sollten unsere Liebe zur Musik weiterhin folgen und lieber schauen, wie wir uns auf die neue Situation einstellen können.
Was lernen wir für 2024? 3 Erkenntnisse
Erkenntnis 1: Stelle den Spaß in den Vordergrund und arbeite an deiner Musik
Das hört sich banal an, aber ist der allerwichtigste Rat: Bei allen Herausforderungen und Schwierigkeiten, die das Business für uns bereithält, sollte der Spaß am Musikmachen nicht darunter leiden. Stelle deine Musik und vielleicht auch das Schreiben für dich in den Vordergrund, denn ohne dein musikalisches Skillset kannst du weder booken noch Releases produzieren oder deine kreativen Ergebnisse überhaupt der Welt anbieten. Selfcare und das feste Einplanen von ausreichend Platz für deine Kreativität sind also völlig ernstgemeinte Ratschläge! Und ohne esoterisch sein zu wollen, hat es natürlich einen Einfluss auf dich und deine Umwelt, wenn du mit deinem musikalischen Ich im Reinen bist und natürlich schöne Musik am Start hast.
Erkenntnis 2: Denke ganzheitlich
Okay, Punkt 1 läuft also? Dann kommen wir zum Learning Nummer 2. Die Grenzen zwischen Releases, Booking, Social Media verschwimmen zunehmend mehr und alle bedingen sich gegenseitig noch mehr als in den letzten Jahren. Was in den allermeisten Fällen nicht mehr funktionieren wird, ist, dass ein Club dich aus persönlichem Interesse bucht und du durch das Spielen an sich neue Fans erreichst. Das mag vielleicht noch bei (größeren) Festivals funktionieren, wo du eingebettet in einem tollen Line-up neues Publikum einsammelst. In allen anderen Fällen, wo du Tickets verkaufst, musst du deine Fans schon vorher irgendwie überzeugt haben, denn auch die haben weniger Geld in der Tasche und haben ein riesiges Konkurrenzangebot, aus dem sie sich für ihre Unterhaltung entscheiden müssen. Solche Kalkulationen fließen auch in die Überlegungen der Booking-Abteilungen ein. Das heißt: Eigentlich beginnt das Livespielen auf Social Media. Das mag ein Punkt sein, der nicht allen schmeckt, aber ein großer Fokus sollte heute darauf liegen, eine gute Social-Media-Arbeit zu machen. Gute Social-Media-Arbeit bedeutet in dem Fall, zu wissen, wo du deine Leute erreichst und authentisch zu zeigen, was du machst und wer du bist. Und je mehr Leute dich kennen und deine Musik auch aus der Ferne mögen, desto eher werden sie auf Konzerte kommen, deine Musik streamen oder kaufen, sich in deinem Merch-Shop umschauen.
Social Media ist neben dem Musikmachen für Künstler:innen wohl die zeitintensivste Aufgabe, denn jede Plattform will nach ihren Spielregeln bespielt werden und so auch TikTok.
Erkenntnis 3: Kenne deine Fans und pflege dein Netzwerk
Fanpflege und der Aufbau einer eigenen Community sind wichtiger denn je geworden. Vergütung über Streaming ist unsicher, die „großen“ Medien haben durch das Überangebot an Entertainment einen deutlich kleineren Einfluss als noch vor ein paar Jahren und im Musikbusiness fällt öfter mal der Spruch „We don’t sign artists, we sign audiences“. Auch, wenn dieser Punkt ebenfalls bei einigen Leser*innen Augenrollen verursachen kann, so sollten wir uns der Kraft bewusst sein, wie selbstermächtigend es für uns Künstler:innen ist, wenn wir einen guten und direkten Kontakt zu unserer Crowd haben. Künstler*innen wie „Scary Pockets“ haben es vorgemacht: Ihre Musik und kreativen Coverversionen haben Menschen auf dem ganzen Globus begeistert und sie finanzieren sich durch Direct-to-Fan-Abomodelle wie Patreon. Und hast du erst einmal eine Handvoll engagierter Fans eingesammelt, werden andere Dinge wie Streaming oder Booking direkt viel einfacher laufen.
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