In unserem heutigen Workshop soll es um einen Gitarristen gehen, der wie so viele Studiomusiker oft im Schatten der großen Künstler steht, für deren Sound er einen nicht wegzudenkenden Beitrag geleistet hat. Die Rede ist von Steve Cropper, der Mann, der sich für die Gitarrenparts solcher Hits wie “Sitting on the Dock of the Bay”, “Soul Man”, “Green Onions” u.v.m. verantwortlich zeigt.

Steves Qualitäten gehen jedoch weit über die des reinen Studiogitarristen hinaus, denn in puncto Songwriting und Produktion hat „The Colonel“, wie er auch gerne genannt wird, ebenfalls einigen Stücken seinen Stempel aufgedrückt. Höchste Zeit, der Soul-Ikone und dem wohl bedeutendsten Gitarristen des Memphis-Souls endlich einen Workshop zu widmen, in dem wir auf einige seiner besten Licks eingehen wollen.
Biographie
Steve “The Colonel” Cropper wurde am 21.10.1941 auf einer Farm in der Nähe von Willow Springs im US-Bundesstaat Missouri geboren. Im Alter von neun Jahren zog seine Familie nach Memphis, Tennessee, wo er mit afroamerikanischer Kirchenmusik, Soul und R&B in Berührung kam, was ihn nachhaltig beeindruckte. Große Idole von Cropper waren “The 5 Royals”, aber auch Gitarristen wie Tal Farlow, Bo Diddley und Chuck Berry. Im Alter von 14 Jahren bestellte Steve sich schließlich seine erste Gitarre und gründete noch während der Schulzeit mit seinem Freund, dem Bassisten Donald „Duck“ Dunn, eine Band namens “Mar-Keys”. Cropper war gerade 20 Jahre alt, als die erste Single, ein Instrumental namens „Last Night“, die Charts stürmte, und wurde im folgenden Jahr von der Plattenfirma „Stax“ angeheuert, um in der Studio- bzw. Hausband des Labels zu spielen. Aus den Mar-Keys erwuchs schließlich “Boooker T and the MGs”, die mit dem Instrumentalsong “Green Onions” 1962 einen Hit landeten. Im Laufe der Jahre wirkte er auf unzähligen Hits mit, veröffentlichte Soloalben und durfte sogar zwei Grammys und fünf Nominierungen für sich verzeichnen. 1971 verließ Steve schließlich aufgrund des Managementwechsels Stax und auch “Booker T and the MGs” lösten sich noch im selben Jahr auf. Zwar kam es zu einer kurzen Reunion, doch die Hoffnung auf weitere Releases wurde durch die Ermordung des Drummers Al Jackson Jr. 1975 endgültig zerstört. In den 70ern trat Cropper unter anderem durch sein Mitwirken bei den Blues Brothers in Erscheinung, einer Formation um die Schauspieler Dan Aykroyd und James Belushi, und tourte in der Begleitband von Neil Young. Mittlerweile zählt Cropper zu den bedeutendsten Musikern der amerikanischen Soulgeschichte und lebt in Nashville, wo er Eigentümer der Insomnia Studios ist.
Stax
Ende der 50er- und 60er-Jahre waren zwei Plattenlabel untrennbar mit der aufsteigenden Soulmusik verbunden: “Motown” in Detroit und “Stax” in Memphis. 1957 wurde das letztgenannte Label von Jim Stewart und Estelle Axton unter dem Namen Satellite Records gegründet, benannte sich jedoch 1961 analog zu den Anfangsbuchstaben beider Nachnamen in Stax um. Wurden hier anfänglich noch primär Country- und Rockabilly-Artists gesignt, wechselte das Portfolio bald auf R&B-Künstler. Bereits 1960 begann eine Kooperation zwischen dem weitaus größeren “Atlantic Records”, das sich von nun an um den nationalen Vertrieb der Stax-Alben kümmerte. Diese Hochzeit hatte triftige Gründe, denn das schwächelnde Atlantic-Label litt sehr unter dem Verlust berühmter Artists wie Ray Charles, Bobby Darin oder dem Songwriter-Duo Leiber/Stoller und versuchte, die Lücke durch vielversprechende Entdeckungen kleinerer Label zu schließen. Jerry Wexler, der Mann hinter Atlantic, der diese fruchtbare Zusammenarbeit einleitete, ließ Stax völlig freie Hand in künstlerischen Entscheidungen. So übernahm Stax weiterhin die Recordingkosten inklusive des Masterings, während sich Atlantic um Herstellung, Vertrieb und Werbung kümmerte. Anfängliche Hits dieser Kooperation waren “Cause I love you” von Rufus und Carla Thomas oder “Last Night” von den Mar-Keys, die sich zur Hausband des Stax-Labels entwickeln sollten. Um den Hintergrund der berühmten Musiker dieser Label zu verstehen, muss man wissen, dass damals Plattenfirma, Studio und Studiomusiker häufig aus einer Hand kamen. So wie das Konkurrenzlabel “Motown” auf die Dienste der Funk Brothers als Sessionband zurückgreifen konnte, die sämtliche Hits der gesignten Künstler von Marvin Gaye über Stevie Wonder bis zu den Temptations oder Jackson 5 einspielten, zeigten sich die Mar-Keys für die Erfolge auf Stax verantwortlich. Der Beitrag dieser Bands geht dabei jedoch weit über das reine Recorden der Songs hinaus, denn Sessionmusiker zeigten sich immens wichtig für das Arrangement und waren teilweise auch fūr das Songwriting verantwortlich. Durch das glückliche Zusammentreffen der Labelpolitik, der Vertriebsmacht von Atlantic, den innovativen Studiomusikern und den zugkräftigen Aushängeschildern entstanden unzählige Hits, die die Musiklandschaft nachhaltig prägten.
Gear
Mit Steve verbindet man Equipment-technisch primär die Fender Telecaster, wobei es sich bei seiner Hauptgitarre genauer gesagt um eine Esquire aus den frühen 50er-Jahren handelte, die z. B. auf Hits wie “Green Onions” zu hören war. Anfang der 60er gesellte sich eine weiße Telecaster dazu und gelegentlich setzte Steve auch auf eine Gibson ES-355. Anfang der 2000er widmete Peavey dem Gitarristen eine Signature-Telecaster, die jedoch leider nur noch auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich ist. Was die Amps anbelangt, ist Steve ebenfalls der Marke Fender treu. Sein frühester Verstärker war ein kleiner Fender Tweed Harvard, zu hören auf “Green Onions” oder “Sitting on the Dock of the Bay”. In der Folge kam ein Fender Super Reverb aus den 60ern zum Einsatz, der laut eigener Aussage mit einem Neumann U-67 mikrofoniert und mit dem z. B. “Soul Man” aufgenommen wurde. Für Livezwecke benutzte Cropper auch gelegentlich einen “Red Knob” Twin.
Pedale wurden eher sporadisch eingesetzt, zumal viele Amps der damaligen Zeit mit den stilprägendsten Effekten der Epoche wie Federhall oder Tremolo ausgestattet waren. Dennoch verwendete Steve hier und da einen Bixonic Expandora Overdrive, den er vom ZZ Top Gitarristen Billy Gibbons erhielt, oder ein Voodoo Lab Tremolo. Grundsätzlich handelt es sich bei Cropper jedoch um einen klassischen Puristen, der seinen Klang primär aus Amp, Instrument und seinen Fingern gewinnt.
Der Workshop
a) Green Onions – Booker T and the MGs
Dieser 1962 aufgenommene Song zählt zu den bekanntesten Instrumentalnummern der Soulmusik und landete immerhin auf Platz 3 der amerikanischen Billboardcharts. Booker T and the MG´s formierte sich, wie eingangs erwähnt, aus der Stax Sessionband Mar-Keys und bestand aus den Musikern Steve Cropper, Duck Dunn, Booker T Jones und Al Jackson Jr. Beim Song handelt es sich um ein Bluesschema in F-Dur, bei dem Steve sowohl mit Akkordeinwürfen, einer gedoppelten Bassline und einem Solo aufwartet. Der Sound ist ganz klassisch für einen Fender Tweed, der ordentlich in den Break-Up gefahren wird.
b) Soul Man – Sam & Dave
Dieser Song stammt aus der Feder von David Porter und Isaac Hayes, seines Zeichens Songwriter bei Stax, auf dessen Konto auch z. B. der Shaft-Soundtrack mit dem klassischen Wah-Riff zurückzuführen ist. Ursprünglich wollte Hayes mit Soul Man eine Art Hymne des „Afroamerican Pride“ schreiben, hatte aber das Gefühl, dass noch irgendetwas fehlte und wandte sich an Cropper. Dieser hörte „Soul Man” schnappte sich seine Telecaster und benutzte ein Zippo-Feuerzeug, das herumlag, als Slide, um das charakteristische Sexten-Introlick zu spielen. Hayes gefiel dieses Lick so gut, dass er beschloss, es mitten im Song noch einmal zu verwenden. Die Begeisterung über Croppers Spiel lässt sich in dem Ausruf im Song “Play it Steve!” übrigens gut erkennen. Der Song wurde 1978 von den “Blues Brothers”, einer Formation um die Schauspieler Dan Aykroyd und John Belushi erneut aufgenommen, wobei der erwähnte Ausruf beibehalten wurde. Neben dem charakteristischen Sextenintro kommt die Originalaufnahme mit einem Akkordlick, bestehend aus G-Dur- und Am-Dreiklängen, wobei die spätere Blues-Brothers-Version allerdings in E aufgenommen wurde. Hier ist die Originalversion transkribiert.
c) In the Midnight Hour – Wilson Pickett
Hinter diesem Titel verbirgt sich eine kleine Anekdote. Jerry Wexler, Mitinhaber von Atlantic-Records, hatte mit Stax den Deal, Interpreten, die bei ihm unter Vertrag waren, bei Stax recorden zu dürfen. So nahm er alsbald Wilson Pickett für sein Label unter Vertrag und stellte den Kontakt mit Steve Cropper her. Bevor der Sänger ankam, bekam Cropper eine Aufnahme von Picketts alter Gospelband, den Falcons, in die Hände, auf der Pickett „and sometimes I call in the midnight hour“ sang. Cropper griff diese Idee auf, schloss sich mit Pickett und einer Flasche Tequila in ein Motelzimmer und schrieb dort mit ihm einen der größten Soulsongs aller Zeiten. Das Motel war übrigens das “Lorraine” in Memphis, in dem drei Jahre später Martin Luther King erschossen wurde.
Das Stück bewegt sich in der Tonart E-Dur und hat zwei Gitarrenparts. Eine übernimmt sehr knackige und kurze Off-Beats auf 2 und 4, wohingegen die andere eine Doppelung der Bassline vornimmt.
d) Eddie Floyd – Knock On Wood (1966)
Eigentlich wurde Eddie Floyd bei Stax lediglich als Songwriter eingestellt, wo er die Zusammenarbeit mit Steve Cropper aufnahm. Schon bald entstanden aus der Verbindung Songs für Wilson Pickett und Carla Thomas, aber auch das besagte „Knock On Wood“, das ursprünglich für Otis Redding bestimmt war. Jerry Wexler hörte jedoch das Lay-Out-Demo mit Floyds Stimme und war davon so angetan, dass er Jim Stewart, den Präsidenten von Stax überzeugte, den Song mit Eddie als Sänger zu veröffentlichen. Das Lied war ein großer Hit und festigte Floyds Karriere als Solokünstler.
e) Sitting on the Dock of the Bay – Otis Redding
Dieser Klassiker darf natürlich in unserer Steve Cropper-Kollektion nicht fehlen, war aber bereits Gegenstand eines Workshops:

Und damit wünsche ich Euch gutes Gelingen mit Steve Cropper!