UVI Scratch Machine Test

Was tun, wenn man Scratches benötigt, aber weder passendes Equipment noch ein DJ vorhanden ist? Das französische Unternehmen UVI möchte mit der Scratch Machine die Lösung für derartige Probleme bieten. Hinter dieser Software verbirgt sich ein virtuelles Scratch-Instrument, das sich standalone oder als Plug-in (VST, AU, AAX, RTAS) in einer DAW verwenden lässt. Es basiert auf der firmeneigenen Sample-Engine namens UVI Workstation und rekrutiert seine Sounds aus einer drei Gigabyte großen Sample-Library in Kombination mit einem virtuellen Keyboard und einer Turntable/Mixer-Kombo. Günstige 35 Euro kostet der Spaß, doch können die Scratches auch einen Hip-Hop-Spezialisten wie mich überzeugen?

Scratch-Machine_19

Details

Bevor ich detailliert auf die Scratch Machine zu sprechen komme, möchte ich kurz auf die Installation eingehen. Zunächst gilt es, auf der UVI Homepage sowie auf ilok.com Nutzerkonten zu erstellen und bei UVI durch Eingabe der Seriennummer den Download freizuschalten. Die Rar-Datei enthält eine fast drei Gigabyte große Library (eigenes Format) und eine 400 MB große Einrichtungsdatei für die UVI Workstation (Version 2.5.15). Innerhalb weniger Augenblicke ist die Installation abgeschlossen und die Software muss via iLok-Dongle oder über den iLok-Lizenzmanager direkt auf einem Rechner autorisiert werden, drei Exemplare sind erlaubt. Nach dem Computer-Neustart geht’s los. Mein Testrechner ist ein iMac 2,4 GHz Intel Core 2 Duo mit 4-GB-RAM, OSX 10.8.5 und Logic 8.0.2. als DAW. Ferner benutze ich ein MIDI-Keyboard der Marke Miditech.

Fotostrecke: 5 Bilder UVI Scratch Machine: Vor der Installation der Software muss zunächst ein Benutzerkonto erstellt werden.

Übersicht und Library

Die Scratch Machine Library ist in zwei Hauptkategorien unterteilt. In den Legendaries Phrases finde ich zahlreiche klassische Hip-Hop- und Turntablist-Samples wie „Argh“ und „Fresh“ oder hinlänglich bekannte Stabs. In der zweiten Rubrik Voices Phrases befinden sich weibliche und männliche Gesangsphrasen (solo und mehrstimmig), ferner effektartige Sprach-Samples, Vocoder- und Talkbox-Stimmen. Diese wurden exklusiv für die Software produziert. Die Scratches entstammen den Künsten eines gewissen DJ Quarz, der mir bis zu diesem Test noch unbekannt war. Aber das muss ja nichts bedeuten, denn es kommt schließlich auf die Qualität der Kratzer und nicht auf den Promifaktor an. Die Scratch Machine umfasst über 10000 Samples und 108 Presets. 

Fotostrecke: 2 Bilder UVI Scratch Machine: Kann als AU-, RTAS-, AAX-, VST-Plugin sowie Standalone betrieben werden.
Audio Samples
0:00
Legendaries Scratches Voices Scratchtes

User Interface

Das äußerst übersichtliche, intuitive Bedien-Interface besteht aus einem virtuellen Turntable, einem Mixer und einem Keyboard zur Ansteuerung der Sounds. Diese Tastatur umfasst acht Oktaven – die Scratch Maschine verwendet derer fünf. 61 Keyboard-Tasten spielen Samples an, während sechs Tasten in der Mitte die Effekte (de-)aktivieren. Sehr praktisch, dass die Presets in die Abschnitte Phrases 1 (unterer Tastaturbereich) und Phrases 2 (obere Keys) unterteilt wurden. Beim Einspielen der längeren Samples des oberen Tastaturbereichs entstehen nämlich nicht selten Lücken, die man mit den Sounds der Phrase 1 perfekt füllen kann, da hier in der Regel sehr kurze Scratch-Sounds wie Forward, Backward oder Drag-Cuts zu finden sind.

UVI Scratch Machine: Von den verfügbaren acht Oktaven, nutzt die Software lediglich fünf.
UVI Scratch Machine: Von den verfügbaren acht Oktaven, nutzt die Software lediglich fünf.

Die Scratching-Klänge und professionellen Scratch-Vorlagen von DJ Quarz lassen deutlich erkennen, dass hier ein Fachmann am Werk war. Die Zusammenstellung der Sounds ist recht vielfältig, allerdings vermisse ich gescratchte, non-tonale Drum-Sounds (Kicks, Snares) sowie Drum-Rolls. Bei allen Samples, die sich als Rhythm-Scratches einsetzten lassen, handelt es sich stattdessen um tonale Hits (Horns, Synths, Gitarren …), dabei benötigt man Non-Tonales gerade für Hip-Hop- und RnB-Produktionen im 90s Style immer wieder. Hoffen wir, dass UVI das Klangsortiment der Scratch Machine zukünftig erweitert
Etwas Kritik muss ich an der Finalisierung einzelner Sounds üben, da diese zum Teil unsauber editiert wurden, sodass das Timing im Sequenzer optimiert werden muss. Auch finde ich im Klangsortiment vereinzelt Scratches, die nicht hundertprozentig sauber performt wurden. Das fällt einem nicht geschulten Ohr kaum auf, dem Fachmann allerdings schon. Auch finde ich das Repertoire an Scratch-Techniken ein wenig eingeschränkt. So höre ich zwar Babyscratches, Chirps, Transformer und Fades, doch kommen mir zu wenig Flares, Crabs, Tears und Drills zu Ohren. Fairerweise muss ich dazu sagen, dass mein Maßstab der eines Turntablisten ist. Wer weniger spezialisiert ist und dieses virtuelle Instrument für seine Pop, RnB, Rock, DnB, Songs verwendet, wird mit der Auswahl absolut zufrieden sein.

UVI Scratch Machine: DJ Quarz hat für die Software professionelle Scratch-Vorlagen abgeliefert.
UVI Scratch Machine: DJ Quarz hat für die Software professionelle Scratch-Vorlagen abgeliefert.

Praxis

Einige der im Netz verfügbaren Scratch Machine Clips erwecken den Eindruck, dass sich die Software für Live-Einsätze eignen könnte. Dem ist nicht so. Unser Testkandidat ist ein reines Produktionstool. Das Einspielen der Sounds und Scratches via MIDI-Keyboard funktioniert prima. Position, Velocity und Länge des Samples werden in Form von MIDI-Noten im Sequenzer festgehalten. Der Pitch der einzelnen Samples und deren Timing ändert sich passend zur Geschwindigkeit des Host-Sequenzers. Das funktionierte im Test sehr gut, dennoch erfordert der professionelle Einsatz einige Einarbeitungszeit, besonders für Anwender, die nicht aus der Szene kommen. Das liegt unter anderem daran, dass die einzelnen Versatzstücke (Samples) auf unterschiedlichen Taktzeiten platziert werden müssen (1/4, 1/8 oder auch 1/16 Taktzeit). Mit dem Pitchbend lässt sich die Abspielgeschwindigkeit verändern. Im Falle der Scratch Machine ist dieses Feature allerdings nur für minimale Pitch-Modulationen zu gebrauchen, da die Samples sonst aus dem Timing laufen. Da finde ich die Volume-Modulation wesentlich brauchbarer, denn damit lassen sich unter anderem hervorragend Fades respektive Fade-Scratches emulieren.

Die Parameter der Samples werden als MIDI-Noten im DAW-Sequenzer festgehalten.
Die Parameter der Samples werden als MIDI-Noten im DAW-Sequenzer festgehalten.
Audio Samples
0:00
Full Scratch-Performance mit Beat Scratchapella mit Reverb Scratching, Pitchbend,Volume-Modulation

Turntable und Mixer

Im oberen Teil des grafischen Benutzer-Interface befindet sich auf der linken Seite ein virtueller Turntable im Technics 1210er-Look. Der dort vorzufindende Pitch-Adjust eignet sich gut, um die Geschwindigkeit der Samples zu justieren, wenn das Tempo des Songs schwankt. Und mit den beiden Buttons zur Verdoppelung oder Halbierung der Abspielgeschwindigkeit lassen sich interessante Effekte erzielen.
Der durchdacht aufgebaute Mixer ist rechts zu finden. Scratch Machine benötigt keine Fader, ergo wurden diese zu Equalizer- und Filter-Reglern umfunktioniert. Der Dreiband-EQ eignet sich hervorragend zur klanglichen Optimierung der Scratches, während man mit dem Filter-Fader interessante Soundeffekte erzielen kann. Beide Sektionen haben einen erstaunlich analogen, warmen Sound.
Eine hervorragende Klangqualität bietet auch die üppig bestückte, vielfältig einsetzbare Effektsektion. Geboten werden zwei Delays, ein Reverb, dazu Phaser, (Bit-) Crusher und Repeater zum rhythmischen Loopen der Scratches.

Der Dreiband-EQ eignet sich hervorragend zur klanglichen Optimierung der Scratches.
Der Dreiband-EQ eignet sich hervorragend zur klanglichen Optimierung der Scratches.
Audio Samples
0:00
Scratching, Filter und EQ

Urban Suite

Scratch Machine ist in der UVI Urban Suite bereits enthalten. Sie kostet knapp 180 Euro und bietet auf Basis der UVI Workstation fünf virtuelle Instrumente wie die Drum Machine Beatshaper, die virtuelle TR-808 Prime 8, den Sample-Synthesizer Urban X, den Multitrack Looper Beatcontrol und eben die Scratch Machine.

Fotostrecke: 2 Bilder UVI Scratch Machine: Kinderleicht lassen sich die verschiedenen Fader und Drehregler per MIDI-Learn zuordnen.
Audio Samples
0:00
Scratching mit FX

Fazit

UVI Scratch Machine ist ein nützliches Werkzeug für Musikproduktionen, in denen Scratches integriert werden sollen. Sie arbeitet zuverlässig und das gelungene User-Interface sorgt für intuitiven Workflow. Die große Sample-Library bietet zahlreiche, gut einsetzbare Presets. Überzeugen können mich auch die umfangreiche Effektbrigade sowie die Filter- und Software-Sektionen. Schade ist allerdings, dass die Library keine non-tonalen Drum-Scratches enthält. Das Repertoire an Scratch-Techniken könnte für meinen Geschmack vielseitiger ausfallen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugt indes vollends. Für 35 Euro bekommt ihr ein professionelles Tool, das ohne zeitaufwändige Recording-Sessions oder Ausgaben für Session-DJs einen amtlichen Scratch-Sound erzeugt. 

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Umfangreiche Sample-Library
  • Sinnvoll strukturierte Presets
  • Praktische MIDI-Learn-Funktion
  • Arbeitet sehr stabil
  • Durchdachte Bedienoberfläche
  • Hochwertige Effektsektion
  • Warm klingende Filter und EQs
  • Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
Contra
  • Keine non-tonalen Drum-Scratches
  • Etwas wenig Scratch-Techniken
Artikelbild
UVI Scratch Machine Test
UVI Scratch Machine
UVI Scratch Machine
Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.