Jaco Pastorius gilt als der einflussreichste Bassist des E-Basses. Obwohl seine Karriere tragischerweise nur ca. ein Jahrzehnt andauerte, hinterließ uns der wegweisende Bassist ein Vermächtnis für die Ewigkeit. In den 70er- und 80er-Jahren war es jedoch vor allem in Europa gar nicht so einfach, Schallplatten von Weather Report oder gar Pastorius’ Soloalben zu bekommen. Und auch Live-Konzerte des Meisters waren hierzulande nicht gerade an der Tagesordnung. Umso begeisterter waren Jaco-Fans, als das Lehrvideo „Modern Electric Bass“ im Jahr 1985 auf den Markt kam – zunächst als VHS-Videokassette, später auf DVD, und heute ist es selbstverständlich auf YouTube zu finden. Endlich konnte man Jaco einmal richtig auf die Finger schauen – je nach Ausstattung des VHS-Recorders sogar in Zeitlupe – und den Erklärungen des Ausnahmebassisten lauschen. Ein enorm populärer Teil des Videos ist der so genannte „Jam In E“, bei dem Jaco spontan einen seiner legendären Fingerstyle-Funkgrooves er-improvisierte. Und genau dieser „Jam In E“ soll das Thema unseres heutigen Workshops sein.

„Jam In E“ – Originalvideo
Hier seht ihr zur Einstimmung erst einmal den originalen „Jam In E“ aus dem Lehrvideo des Meisters aus dem Jahr 1985:
„Jam In E“ – Konzept Transkription
Wer „Modern Electric Bass“ gesehen hatte, war hinterher in der Regel leider etwas ernüchtert. Jacos Probleme mit Drogen hatten im Jahr 1985 bereits deutliche Spuren hinterlassen, zudem war im Video auch kein wirkliches didaktisches Konzept zu erkennen.
Und dann: diese furchtbaren Transkriptionen! Die ausnotierten Parts im Begleitbuch der Video-Kassette hatten an vielen Stellen nicht viel mit dem zu tun, was Jaco tatsächlich spielte. Wer tiefer einsteigen wollte, musste sich also zwangsläufig selbst stundenlang vor den Röhrenfernseher setzen. Dies gilt im besonderen Maße für den „Jam In E“, in dem Jaco vereinzelt auch immer mal wieder pausierte, um mit seinem Interviewpartner Jerry Jemmott zu kommunizieren.
Um einen schlüssigen Ablauf zu schaffen, den man gut üben kann, habe ich daher für den heutigen Workshop nicht den gesamten Jam ausnotiert, sondern stattdessen einen ganz eigenen Weg eingeschlagen: ein „Best Of“ des „Jam In E“ – zusammenhängend und generiert aus den wichtigsten Parts des Jams. Zusätzlich habe ich noch ein paar Signature-Licks aus anderen Jaco-Grooves eingebaut. Auf diese Weise kommt ein längeres Solo-Bassstück zustande, welches zahlreiche Trademark-Licks des Meisters beinhaltet.
Die Besonderheit: Jede Zeile mit jeweils zwei Takten kann man als eigenständige Groove-Einheiten ansehen. Und in genau diesen kleinen „Häppchen“ kann und sollte man das Ganze üben. Übt also jeden zwei Takte langen Groove so lange, bis dieser gut funktioniert, und geht erst dann weiter, wenn dieser rund läuft.

„Jam In E“ – Rhythmik
Wie eigentlich bei allen Fingerstyle-Grooves von Jaco Pastorius haben wir es auch beim „Jam In E“ mit einer langen Reihe aus Sechzehntel-Noten bzw. Sechzehntel-basierten Synkopierungen (Akzente auf den Off-Beats, also der zweiten und vierten Sechzehntel einer jeden Viertelnote) zu tun. Grundkenntnisse über Sechzehntelnotenwerte sind daher hier natürlich hilfreich.
Das Ganze ist in der Summe aber leichter, als es auf dem Papier aussieht. Da wir doch relativ viel spielen, fällt es in der Regel einfacher, im konstanten Sechzehntel-Flow zu bleiben, als wenn wir lediglich zwei Töne auf kruden Zählzeiten innerhalb des Takt zu spielen hätten. Darüber hinaus ist der „Jam In E“ wie auch meine Zusammenfassung unterm Strich recht melodisch – man kann sich also vieles über das Ohr erschließen.


„Jam In E“ – Tonmaterial
Der Jam basiert auf dem Akkord E7, zu dem man sich noch einige Optionstöne, wie die 9, #11 (zu der kommen wir noch ausführlich) oder die 13 denken kann. Wie so häufig verwendet Jaco dafür die mixolydische Tonleiter (E, F#, G#, A, H, C#, D). Technisch gesehen entspricht diese einer Dur-Tonleiter mit kleiner Septime. Hinzu kommen gelegentliche chromatische Annäherungen zu den Akkordtönen, also dem Grundton (E), der Terz (G#) und der Quinte (H), was ein altbewährtes Konzept vor allem im Jazz ist.
Bei seinen Fills bringt Jaco aber auch gerne noch eine weitere Farbe ins Spiel: „Mixolydisch #11“, auch „Lydisch b7“ genannt. Im Vergleich zur bereits bekannten mixolydischen Tonleiter besitzt „Myxolydisch #11“ eine erhöhte 11 (das A wird also zu A#). Dies sorgt für harmonische Spannung und einen coolen jazzigen Sound. Für all diejenigen, die etwas tiefer in die Harmonielehre einsteigen wollen: „Mixolydisch #11“ bzw. „Lydisch b7“ ist die Skala auf der vierten Stufe der melodischen Moll-Tonleiter. „E Mixo #11“ entspricht also H Melodisch Moll (H, C#, D, E, F#, G# A#), nur eben von E nach E (E, F#, G# A#, H, C#, D) gespielt.
„Jam In E“ – Spieltechnik und Basssound
Ein großer Anteil an Jacos Signature-Sound ist natürlich den Händen des Meisters zuzuschreiben – und die kann man leider nicht kopieren. Folgende Aspekte tragen aber ebenfalls viel zum typischen „Jaco-Sound“ bei:
- J-Style Bass mit zwei Singlecoil-Tonabnehmern
- Hals-Tonabnehmer leiser oder aus
- Kräftiger Anschlag mit viel Attack
- Anschlagsposition über Steg-Tonabnehmer
- Staccato-Spielweise
- Perkussive Elemente wie Dead Notes und Raking
- Zur Unterstützung je nach Bass Low End und Mitten zwischen 500 und 800 Hz boosten
„Jam In E (Best Of)“ – Transkription
Viel Spaß mit den Signature-Licks des größten E-Bass-Revolutionärs aller Zeiten!
Bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt