Willkommen zu einer neuen Folge Produce-Alike! Diesmal widmen wir uns einem Titel, der zwar nicht mehr ganz aktuell ist, aber in den Charts etwas aus der Reihe fiel und deshalb in dieser Reihe nicht fehlen soll.
Die britische Synthie-Pop-Band Hurts legte mit ihrem Debutalbum „Happiness“ einen Überraschungserfolg hin. Darauf setzt das Duo aus Manchester auf einen Sound, der sich irgendwo zwischen Depeche Mode, Tears for Fears und Enigma bewegt. Bei „Stay“ klingt dazu vielleicht noch etwas Massive Attack mit an. Das ist natürlich alles nicht neu, fällt aber inmitten der derzeit in den Charts vorherrschenden Dance-Pop-Titel durchaus aus dem Rahmen. Diese opulente Synthie-Pop-Klangästhetik wollen wir nun einmal genauer unter die bonedo-Lupe nehmen.
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INTRO UND STROPHE
Die erste Strophe des Hits ist nur sehr spärlich instrumentiert. Im Vordergrund steht der Gesang, der von einem sparsamen, fast etwas lyrisch wirkenden Piano begleitet wird. Wegen der exponierten Stellung des Klaviers habe ich mich nicht lumpen lassen und auf die East West Quantum Leap Pianos zurückgegriffen. Den standardmäßig aktivierten internen Hall des Instruments habe ich aber ausgeschaltet und stattdessen per Aux-Send einen externen Hall verwendet, der auch für weitere Instrumente zum Einsatz kommt.
Piano
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Piano
Damit es nicht allzu langweilig wird, kommen hier und da noch kleine „Helfersounds“ ins Spiel.
Die Funktion eines Intros übernimmt ein rückwärts abgespielter, verhallter Akkord von einem der Pad-Sounds, die später im Refrain wieder auftauchen. Dieser löst sich in ein vorwärts gespieltes Exemplar auf:
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Intro-Pad
Aus der Library „Miroslav Philharmonik“ von IK Multimedia schnappen wir uns noch ein paar Pizzicato-Violinen, die mit einem simplen Akkord Akzente setzen. Diese Spur wird im Verlauf der Strophe per Automation einfach einmal ein- und wieder ausgeblendet.
Pizzicato
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Pizzicato
In der Überleitung zum Refrain bekommt das Piano außerdem Unterstützung von einer Harfen-Figur, für die ich die Harfe aus der Vienna Special Edition verwendet habe. Mit einem EQ holen wir die Harfe aus dem mumpfigen Frequenz-Keller hervor und machen sie etwas spitzer.
Harp
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Harp
Zu guter Letzt brauchen wir noch einen Sound, der auf einem verfremdeten Gesangs-Schnipsel basiert. Dafür bedienen wir uns der gleichen Technik wie schon in der vorletzten Folge bei Beyoncé: Ein kleines Stückchen aus einer Gesangsspur wird herausgeschnitten und zu einem Sampler-Instrument gemacht. Außerdem habe ich dem Sound mit einem EQ alle tiefen Frequenzen abgeschnitten und stattdessen die oberen Mitten hervorgehoben. Im Soundbeispiel hört ihr zunächst die unbearbeitete Version und dann das Endergebnis.
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Vocalbit
Jetzt haben wir schon alles beisammen, was wir für die erste Strophe des Songs brauchen. Zeit für einen Zwischenstand:
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Strophe 1
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DRUMS
Erst im Refrain kommen bei „Stay“ auch die Drums ins Spiel. Auffallend ist die mächtige Bassdrum, die ähnlich körperreich wie eine Pauke daherkommt und viel Raum im Mix einnimmt. Wir verwenden zwei verschiedene Sounds als Rohmaterial. Davon ist einer eher für den Tiefbassbereich zuständig, während sich der zweite in den tiefen Mitten breitmachen darf. Diese Charakteristika arbeiten wir mit EQs heraus – wie üblich gilt dabei „Probieren über Studieren“! Die beiden Kicks durchlaufen dann einen Bus, auf dem sie gemeinsam noch etwas komprimiert werden. Hören wir uns die beiden Bassdrums aber zunächst einzeln an (jeweils zuerst das Rohmaterial, dann die mit EQ bearbeitete Version):
Kicks
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Kick 1Kick 2
Dank der beiden Sounds können wir außerdem etwas mit der Kickdrum spielen. Die höhere, weniger massive der beiden Bassdrums ergänzt das Pattern durch einige zusätzliche Schläge und macht es dadurch lebendiger. Die Doppelschläge erinnern nebenbei fast an eine Art Herzschlag. Hier hört ihr die zusammengesetzte Kickdrum-Spur:
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Kicks
Als Ergänzung kommen schließlich noch ein paar Trommeln aus der East-West-Library „Stormdrum II“ hinzu. Diese geben der Kick noch etwas Räumlichkeit und zusätzlichen Biss. In Verbindung mit den Bassdrums klingt das so:
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Kicks+Storm
Ging es bei der Bassdrum noch um viel Volumen, verhält sich die Snare genau umgekehrt: Sie ist hoch, dünn und recht leise. Ich habe eine einfache 808-artige Snare genommen, wie sie in jeder Sample-Sammlung zu finden ist, und sie mit einem EQ noch höhenlastiger gemacht. Hier ist der Vorher-Nachher-Vergleich:
Snare
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Snare
In den Refrains bekommt die Snare zusätzlich Unterstützung von einem Clap.
Die Hi-Hat ist sehr unspektakulär – auch sie hat einen elektronischen Charakter und erinnert an die Drumcomputer der 80er-Jahre. Ansonsten spielt sie sich aber nicht weiter in den Vordergrund.
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Hi-Hat
Zur Ergänzung der Schlagzeugabteilung brauchen wir zum Schluss noch einen metallischen Sound, der direkt aus einer Schmiedewerkstatt stammen könnte. Ich war faul und habe ein paar Samples aus einem alten Battery-Kit genommen – wer etwas auf sich hält, schnappt sich ein Backblech und nimmt das selber auf!
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Metal
Damit sind die Drums vollständig. Hören wir uns den Refrain-Groove einmal im Ganzen an:
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Drums
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SYNTHS
Der Rest des Arrangements besteht hauptsächlich aus diversen Synths. Beginnen wir am unteren Rand des Frequenzspektrums, bei den Bässen.
Zunächst brauchen wir einen Sound, der etwas an die unkaputtbare Roland TB-303 erinnert und ein Sechzehntel-Pattern spielt. Vielleicht fühlte ich mich deshalb auch etwas an Massive Attack erinnert. Zum Einsatz kommt das Freeware-Instrument TAL-Elek7ro – ein geradliniger und einfach zu programmierender Synth. Damit sich der Bass nicht mit der Monster-Kickdrum in die Quere kommt, habe ich die Tiefbässe etwas abgesenkt, was ihr in der zweiten Hälfte des Soundbeispiels hören könnt. Außerdem kommt ein leichter Chorus zum Einsatz, um dem Sound einen etwas schwebenden Charakter zu geben.
16thBass
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16thBass
Das Fundament des Tracks stützen wir noch mit einem weiteren Bass. Eigentlich handelt es sich hierbei eher um eine Fläche, die tiefe Noten spielt. Auch diese wird untenrum leicht ausgedünnt und mit einem Chorus in die Breite gezogen. Außerdem kommt ein Sidechain-Kompressor zum Einsatz, um den Sound bei jedem Schlag der Bassdrum etwas abzusenken. Dadurch kann die Bassfläche eine solide harmonische Grundlage liefern, ohne zu sehr mit der Kick in Konflikt zu geraten.
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Bass-Pad
Die beiden Bässe kommen sich aber ebenfalls in die Quere, wenn wir nicht aufpassen. Deshalb habe ich einen Trick angewendet, der auf dem in Logic enthaltenen „Match EQ“ basiert. Dieser lernfähige EQ dient normalerweise dazu, einer Spur sozusagen den Frequenzgang eines anderen Signals aufzuzwingen. Dafür kann der Match EQ Audiomaterial analysieren und eine EQ-Kurve errechnen, die einem Signal den Frequenz-Stempelaufdruck eines anderen verpasst. Andersherum kann man das PlugIn aber auch verwenden, um zwei konkurrierende Signale gezielt voneinander zu trennen. Dafür habe ich den Match EQ als Insert-Effekt auf der Bassflächen-Spur eingesetzt und ihn über den Sidechain-Eingang zunächst mit dem Sechzehntel-Bass gefüttert. Dessen Frequenzspektrum wird als Template analysiert. Danach wird der Sidechain wieder entfernt und die Bassfläche als „Current Material“ analysiert. Wenn man nun die resultierende EQ-Kurve umgekehrt anwendet („Apply“-Regler im negativen Bereich), macht die Bassfläche genau in den Frequenzbereichen Platz, in denen der Sechzehntel-Bass prominent vertreten ist. Hier könnt ihr das Ergebnis dieser Bearbeitung hören – zunächst die matschige, unbearbeitete Version, danach die Bearbeitung.
Bass Match EQ
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Bass Match EQ
Nun brauchen wir noch einige Flächensounds, um das Arrangement zu vervollständigen. Diese sind allesamt stark verhallt und deshalb etwas entrückt. Ich habe vier verschiedene Sounds benutzt. Der erste stammt aus dem Access Virus TI:
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Virus-Pad
Hinzu kommt eine weitere Fläche, die an eine alte String-Machine erinnert:
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Stringmachine
Unterfüttert wird das Ganze noch von einer Chorfläche aus dem Spectrasonics Omnisphere, die aber recht leise gemischt ist.
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Choir-Pad
Und zum Schluss kommt noch ein weiterer Sound dazu, der Akzente auf den Einsen setzt und außerdem gemeinsam mit dem Piano und der Gitarre eine kleine Melodielinie beisteuert. Dieses ist auch der Sound, der schon im Intro rückwärts gespielt vorkam. Er stammt aus dem „Massive“ von Native Instruments.
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Massive Chords
Und zusammen klingen die vier Sounds so:
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Pads
Obwohl der Song keine Zweifel an seiner Synthiepop-Identität aufkommen lässt, darf auch eine Gitarre mitmachen. Diese steuert einen Akkordakzent bei und doppelt die Melodie, die wir bereits vom Massive-Sound kennen. Der crunchige Tremolo-Sound spart ebenfalls nicht mit Hall und Delay.
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Gits
Den Abschluss macht eine kleine Akkordsequenz, die auch aus dem Virus TI stammt. Sie hält sich in der Lautstärke sehr zurück und sorgt nur noch für etwas unterschwellige Bewegung.
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Chord-Sequence
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SONG
Die erste Strophe und den Refrain haben wir jetzt am Start. Damit ist auch schon der Großteil des Songs fertig, und weitere Sounds brauchen wir auch nicht mehr.
Im gesamten Song steht bei „Stay“ der Gesang stark im Vordergrund. Vor allem der mächtige Chor im Refrain ist für einen Großteil der Emotionen zuständig und nimmt einen prominenten Platz ein. Deshalb klingt das Instrumental-Arrangement für sich genommen gar nicht besonders spektakulär. Die verhallten Begleitinstrumente bilden lediglich eine Art „Bett“ für die Vocals und halten sich ansonsten zurück.
In der zweiten Strophe wird der Beat etwas ausgedünnt, und die meisten Synths haben Pause. Die Bassfläche setzt aus, und der Sechzehntelbass darf alleine für das Fundament sorgen. Alle bekannten Elemente aus der ersten Strophe sind auch wieder da: Klavier, Harfe und Vocal-Synth.
Die aus dem Refrain bekannten Flächen werden in der zweiten Strophe punktuell für Akzente eingesetzt.
Der Rest des Songs bringt keine Überraschungen mehr, so dass wir uns jetzt daran machen können, den Hit nachzubauen.
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Song
Ich hoffe, dass euch diese Folge gefallen hat und dass ihr nächstes Mal wieder dabei seid, wenn wir aktuellen Hits auf den Zahn fühlen!
Vielen vielen Dank für einen weiteren Teil dieser Serie, immer wenn ich Bonedo besuche hoffe ich, dass es ein neues Produce Alike gibt. Bis jetzt waren alle Teile klasse, weiter so!
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Defil sagt:
#1 - 23.08.2011 um 23:48 Uhr
Vielen vielen Dank für einen weiteren Teil dieser Serie, immer wenn ich Bonedo besuche hoffe ich, dass es ein neues Produce Alike gibt. Bis jetzt waren alle Teile klasse, weiter so!
SAE Kadett sagt:
#2 - 28.08.2011 um 14:07 Uhr
Gut gemacht. Vor allem Match EQ hat mich beeindruckt.
Hat Protools nicht oder?