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Produce-Alike #15 – Marina and the Diamonds

Mit „Electra Heart“ hat die Britin Marina and the Diamonds kürzlich ihr zweites Album herausgebracht, mit dem sie an ihren Überraschungserfolg „Hollywood“ anknüpfen möchte. Bei der Arbeit an dem Longplayer haben zahlreiche namhafte Produzenten ihre Finger im Spiel gehabt, wobei Marina am Songwriting maßgeblich beteiligt ist. Für die erste Single „Primadonna“, mit der wir uns heute beschäftigen, saß z.B. Dr. Luke (Katy Perry, Ke$ha uvm.) an den Reglern. Unlängst ist unser Interview mit Marina erschienen, in dem sie auch über die Entstehungsgeschichte des Albums und die Zusammenarbeit mit den Produzenten spricht. 

Foto: Warner Music © /Zur Verfügung gestellt.
Foto: Warner Music © /Zur Verfügung gestellt.
„Primadonna“ ist eine sehr einfach gestrickte Dance-Pop-Nummer mit einer unwiderstehlich süßlichen Bubblegum-Hookline. Die Akkordfolge mag vielleicht wenig einfallsreich sein, aber durch einige interessante melodische Wendungen, ein paar spannende Chorsätze und Marinas unkonventionellen Gesang kriegt der Song die Kurve und ist uns eine Folge wert! Also ran an den Sequenzer und die Kompressoren aufgedreht!
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REFRAIN

„Primadonna“ hat kein Intro und beginnt gleich mit dem Refrain, was in der heutigen Radiolandschaft nur von Vorteil sein kann. Allerdings baut sich der Song trotzdem etwas auf, weil der Refrain mal wieder ohne Drumgroove auskommt.

Wir beginnen mit einer Fläche, die so klingt, als käme sie direkt aus einem Kinderzimmer-Keyboard aus den frühen Neunzigern. Gesagt, getan. Ich hatte irgendwo noch ein Yamaha-Teil aus jener Zeit herum liegen, und bis auf die Drumpads (musste man damals haben!!!) geht es tatsächlich noch. Eingeschaltet, Sound 0.0 (von Yamaha optimistisch „Synth Brass“ genannt) passt! 

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Cheap Synth 1

Der Sound hat zwar jede Menge Trash-Charme, ist aber noch etwas zu zahm. Nach einigen erfolglosen Versuchen mit der „Digital Synthesizer“-Sektion des Yamaha habe ich mich dazu entschlossen, einfach noch einen zweiten Klang drauf zu packen – diesmal ein etwas hellerer, sehr digital wirkender Rechteckwellen-Sound.

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Cheap Synth 2

Damit haben wir den Plastikcharakter schon ganz gut im Kasten. Der Refrain von „Primadonna“ ist aber auch ein bisschen gemütlich-süß. Deshalb kommt noch eine weitere Fläche hinzu, die für die Wärme und diese angenehm süße Wohligkeit sorgt. Dieser Sound kommt aus dem Native Instruments Pro-53.

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Pad
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Pad

Jetzt kommt noch ein E-Bass hinzu, der zunächst nur wenig spielt. Ich habe den Scarbee Precision Bass aus Native Instruments Komplete verwendet, weil dieser so schön das „Hochrutschen“ auf die zweite Note simulieren kann.

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Refrain Bass

Für Bewegung sorgt eine gedoppelte Akustikgitarre, die Akkorde in Achtelnoten schrummelt und im Verlauf des Refrains langsam lauter wird. Sie ist mit einem EQ von den meisten tiefen Frequenzen befreit worden, denn dort tummeln sich ja schon die Flächen. Außerdem habe ich sie recht stark komprimiert, um sie relativ leise machen zu können. 

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Refrain Gitarre

Was wäre Bubblegum-Pop ohne Glöckchen! Wann immer sie auftauchen, erstrahlt ein Arrangement in kindlicher Leichtigkeit – man muss sie dafür noch nicht einmal richtig wahrnehmen. In diesem Fall brauchen wir einen recht gedeckten Glöckchensound. Ich habe den Reaktor-Synth „Prism“ verwendet, der Bestandteil von NI Komplete 8 ist. Den riesigen Hall des Presets habe ich stark zurückgenommen und stattdessen ein leichtes Delay verwendet. Außerdem sind auch die Glöckchen etwas komprimiert, weil das Prism-Preset auch bei gleicher Velocity recht starke Dynamikunterschiede verursachte. Die Glöckchen werden im Verlauf des Refrains langsam leiser und verhalten sich damit gegenläufig zur Gitarre.

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Bells

Im Übergang zur Strophe setzen alle Refraininstrumente für einen halben Takt aus, damit Marina mit ihrem Auftakt „Primadonna…“ gefeatured werden kann.

Hören wir uns den Refrain schon einmal an, bevor wir in der Strophe richtig loslegen:

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Intro Refrain
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STROPHEN

In der ersten Strophe von „Primadonna“ kommt der Drumgroove hinzu. Wobei „kommt hinzu“ eigentlich gelogen ist, denn alles, was wir für den Refrain zusammengebaut haben, setzt jetzt aus. Die Strophe besteht nur aus Drums, Gesang und einem Monsterbass. 

Wir beginnen mit einer harten Dance-Kickdrum. Ein Drumsample aus dem Spectrasonics Stylus RMX kommt dem Sound bei Marina sehr nahe.

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Kick

Auch die Snare stammt aus dem Stylus. Das Ausgangssample habe ich mit einem EQ etwas „bauchiger“ gemacht, indem ich die Frequenzen um 200Hz etwas angehoben habe. Dafür nehmen wir bei etwa 500-600Hz etwas weg. Außerdem wird die Snare sehr stark (lies: obszön) komprimiert und dann recht leise gemischt, damit sie sich wie ein Kissen auf die Bassdrum legt. Für den „Schmatz“ sorgen dann die Claps, zu denen wir gleich kommen. Im Beispiel hört ihr die Snare zunächst unbearbeitet und dann am Ende der Effektkette.

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Snare

Um die Zählzeiten 2 und 4 klarer zu definieren, brauchen wir jetzt noch eine Reihe von Claps. Sie werden im Stereobild verteilt und auch gerne leicht im Timing gegeneinander verschoben. Hier heißt es ausprobieren, sowohl im Hinblick auf die verwendeten Sounds, als auch beim Timing und Mischungsverhältnis. Die ersten beiden Claps spielen immer:

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Claps 1 und 2

Der dritte Clap ist tiefer und voller und kommt nur als „Special Effect“ an ausgewählten Stellen zum Einsatz.

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Claps 3

Hören wir uns Kick, Snare und Claps schon einmal an:

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Kick, Snare und Claps

Auch bei „Primadonna“ kommt wieder eine Technik zum Einsatz, die wir in diesem Workshop schon einige Male hatten. Snare und Claps werden durch einen Hall geschickt, neu gesampelt und rückwärts abgespielt. Ein kleiner Ausschnitt aus diesem Sample wird dann vor die Snare gesetzt und dient als „Beschleuniger“ hin zu den Zählzeiten 2 und 4.

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Reverse FX Kick, Snare und Reverse FX

Kommen wir nun zum Bass. In den Strophen von „Primadonna“ haben wir es mit einem mächtigen Gebilde aus mehreren fetten Sounds zu tun. Der Bass wird mit einem rabiaten, von der Kick gespeisten Sidechain-Kompressor bearbeitet, so dass er wie wabernde Offbeats wirkt. Doch zunächst müssen wir uns um das Ausgangsmaterial kümmern.

Den Anfang macht der Moog Little Phatty mit einem dicken Sound mit weit offenem Filter und etwas Filter-Overdrive. Ich habe den Klang programmiert und anschließend zweimal aufgenommen, um ihn dann im Stereobild etwa auf halb links und halb rechts legen zu können. Hier hört ihr erst eine Hälfte, und dann den gedoppelten Sound.

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Moog Little Phatty

Zur Unterstützung fügen wir jetzt noch zwei Instanzen des Spectrasonics Trilian hinzu. Der erste liefert einen weiteren, breiten Synth-Bass:

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Trillian 1

Die zweite Instanz ist für die Drecksarbeit zuständig. Der Synth-Bass-Sound mit verstimmten Oszillatoren wird durch einen Bitcrusher geschickt, der ihn nach allen Regeln der Kunst zerstört. Anschließend wird der Sound den restlichen Bässen leise beigemischt. Ihr hört ihn zunächst unbearbeitet und dann hinter dem Bitcrusher. Im zweiten Beispiel sind alle vier Bässe gemeinsam zu hören.

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Trillian 2 Bass Unisono

Die Bässe durchlaufen einen gemeinsamen Bus, auf dem der Sidechain-Kompressor seinen Dienst verrichtet. Wer wissen möchte, wie so etwas geht, wird in zahlreichen früheren Folgen dieses Workshops fündig – der Effekt ist derzeit so populär, dass er in so gut wie jedem Dance-Pop-Titel angewendet wird. Hören wir nun die Sidechain-Bässe in Kombination mit den Drums:

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Beat und Bass

Zur Unterstützung brauchen wir nun noch einen Synth-Sound, der Akkorde spielt und auch den Sidechain-Kompressor durchläuft. Dadurch wirkt er fast wie eine Einheit mit den Bässen. Bei meinem alten Korg Poly 61 gehen zwar nur noch die Hälfte der Tasten, aber solche Sounds kann er ganz gut. Auch diesen Klang habe ich gedoppelt und dann durch den Kompressor geschickt. Zunächst hört ihr eine Hälfte und dann den gedoppelten Sound.

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Poly

Im Zusammenspiel mit den Bässen und den Drums klingt das dann so:

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Beat, Bass und Poly

Als letztes Element brauchen wir für die erste Strophe nur noch eine kaputt klingende Drummachine-Hihat, die ebenfalls unter ausgiebiger Verwendung des Bitcrushers entstanden ist:

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Trash Hat

Und das war’s schon fast. Der Rest des Strophen-Arrangement setzt sich aus Vocals zusammen, die bei Marina recht kreativ gesetzt und gemischt sind. Die erste Strophe können wir jedenfalls schonmal vorhören:

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Strophe 1

In der zweiten Strophe kommen nur noch wenige neue Elemente hinzu. Ein paar Hall-Experimente mit den Claps sind am auffälligsten. Dafür habe ich die Claps durch Logics Space-Designer-Hall geschickt, der über ein resonanzfähiges Multimode-Filter mit Hüllkurve verfügt. Das Ergebnis habe ich neu gesampelt und an ausgewählten Stellen als Effekt eingesetzt. Bei solchen Effekten arbeite ich gern auf Audiospuren, denn so kann man Schnibbeleien wie beim zweiten Clap im Beispiel leicht realisieren. Der eigentliche Clap wird durch rhythmisch gesetzte Schnipsel seiner eigenen Hallfahne eingeleitet.

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Audio Samples
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Clap FX

Die Hi-Hat darf in der zweiten Strophe zusätzlich zu ihren regelmäßigen Fills Achtelnoten durchspielen:

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Strophe 2 Hat

Zum Schluss brauchen wir noch einen Arpeggiator-Sound in C64-Manier, der in Marinas Gesangspausen ein kleines Pattern spielen darf. Dafür habe ich den TAL ELEK7RO verwendet.

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Audio Samples
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Arpeggiator

Zusammengesetzt klingt die zweite Strophe so:

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Strophe 2
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LETZTER REFRAIN

Im dritten Refrain, der zunächst wie die beiden Vorangegangenen ohne Drums auskommen muss, setzt zur Hälfte eine Steigerung ein. Der E-Bass spielt dann Achtelnoten:

Audio Samples
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8tel Bass

Außerdem brauchen wir eine tiefe, verhallte Trommel, die fast ein Soundeffekt ist. Entsprechend wird man auf der Suche nach solchen Sounds auch fast immer in spezialisierten Effekt-Drum-Libraries wie East West Stormdrum oder NI Damage fündig. In diesem Fall kommt der Sound aus dem Stylus. Die Trommel beginnt zur Hälfte des Refrains, Viertelnoten zu spielen und leitet so die Steigerung ein. Später wechselt sie zu Achtelnoten.

Audio Samples
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Dark Drum

Die Gitarren und Flächen werden auf dem letzten Akkord zerschnitten und in einem Viertel-Raster kopiert. Dadurch ergibt sich der gerne genommene Effekt einer hängengebliebenen CD oder Platte. Das Ganze runden wir mit einem Noise-Sweep-Sample ab und muten dann alles in dem Moment, wo der Gesang mit „Primadonna“ wieder einsetzt.

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Audio Samples
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Steigerung

Es folgt ein vierter und letzter Refrain, in dem die Bässe und die Synth-Akkorde durchlaufen. Sie „pumpen“ also auf jeder Viertelnote, ohne zwischendurch die bisher üblichen Pausen zu machen. Außerdem nutzen wir die Gelegenheit und bauen die Glöckchen nochmal ein – zu schön… 

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Refrain 3

SONG

So, das war’s – jetzt nervt die Akkordfolge auch langsam… Deshalb hören wir uns schnell das Endergebnis an. Bis zur nächsten FolgeProduce-Alike!

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Song
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