E-Bass lernen in jedem Alter

Ist man eigentlich irgendwann zu alt, um E-Bass zu lernen? Viele Menschen lernen in ihrer Jugend ein Instrument – manche freiwillig, manche … sagen wir „halb freiwillig“. Schule, Studium, Beruf, eigene Familie etc. führen aber bei einem Großteil dazu, dass dieses schöne Hobby irgendwann aufgegeben wird. Irgendwo im Alter zwischen 40 und 50 kommt dann bei vielen die Phase im Leben, in der man endlich mal wieder etwas mehr Zeit für sich hat und selbstbestimmter ist. Und damit einher geht häufig ein Gefühl von Reue, vor 20 oder mehr Jahren das Instrument beiseite gelegt zu haben. Die Hürde, jetzt noch einmal anzufangen, ist dann aber leider für viele sehr hoch. Auch Glaubenssätze wie: „Im Alter lernt man ja viel schlechter!“ oder ähnliches stehen einem im Weg. Wir möchten in diesem Artikel ein paar Aspekte ansprechen, warum das Lernen eines Instruments – allen voran natürlich der Bass – in Wahrheit in jedem Alter bzw. zu jedem Zeitpunkt im Leben eine enorme Bereicherung ist, die weit über das eigentliche Musizieren hinausgeht!

E-Bass lernen in jedem Alter
Ein Instrument zu erlernen, ist in jedem Alter eine enorme Bereicherung und bringt zahlreiche Vorteile mit sich! (Bildquelle: Shutterstock / von: Ljupco Smokovski)
Inhalte
  1. Wer lernt wann Bass? Eigene Erfahrung im Unterricht
  2. Bass lernen in jedem Alter: Vorteile des Musizierens
  3. ▶ Geistige Fähigkeiten
  4. ▶ Motorische Fähigkeiten
  5. ▶ Emotionales Ventil
  6. ▶ Stressabbau
  7. ▶ Mentale Gesundheit
  8. ▶ Soziale Kompetenzen
  9. ▶ Persönliche Herausforderungen/Zielsetzungen
  10. ▶ Erweiterung des kulturellen Horizonts
  11. Bass lernen in jedem Alter – Fazit

Wer lernt wann Bass? Eigene Erfahrung im Unterricht

Ich unterrichte Bass nun seit gut 20 Jahren. In dieser Zeit hat sich die demographische Pyramide meiner Schülerinnen und Schüler auf den Kopf gestellt. Als ich begann, hatte ich circa 90 % Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von circa 12-22 Jahren. Nach einigen Jahren begann ein deutlicher Trend, der bis heute anhält: Im Moment habe ich circa 90% Erwachsene im Alter von “40 + X” und nur noch ganz vereinzelt Jugendliche.

Warum der Nachwuchs in der Musik auf ganzer Breite stark nachlässt, ist ein anderes Thema. Wir kümmern uns heute um die „Best Agers“. Bei allen meinen Schülerinnen und Schülern, welche in diese Kategorie fallen, sieht das Profil ähnlich aus:

  • Familienplanung ist abgeschlossen
  • Kind oder Kinder werden langsam selbstständiger
  • Mama und Papa sind daher nicht mehr so gefordert
  • Man ist beruflich etabliert und muss nicht immer „an vorderster Front kämpfen“
  • Keine großen Weichenstellungen wie Jobwechsel oder Umzug mehr geplant
  • Wieder mehr Zeit für sich und Hobbys
Szene aus dem E-Bass-Unterricht
Bassspielen ist nicht nur was für den Nachwuchs! (Bildquelle: www.floriansbassunterricht.de)

Bass lernen in jedem Alter: Vorteile des Musizierens

Das Lernen bzw. Spielen eines Instruments und Musik an sich hat zahlreiche Vorteile, die weit über das eigentliche Musizieren hinausgehen. Für alle, die noch zögern, den Bass nach längerer Pause wieder in die Hand zu nehmen oder neu damit zu beginnen, sind hier ein paar (hoffentlich) überzeugende Argumente:

▶ Geistige Fähigkeiten

Das Erlernen und Spielen eines Instruments aktiviert und erfordert viele geistige Kapazitäten. Zunächst brauchen wir allgemein Konzentration und natürlich Erinnerungsvermögen für Noten, Fingersätze, Songs, etc. Hinzu kommen eine permanente Herausforderung und das Lösen von kleinen Problemen bzw. das Überwinden von kleinen Hindernissen. Dies alles fördert die Aufmerksamkeitsspanne, das Erinnerungsvermögen sowie die allgemeinen kognitiven Fähigkeiten.

Das Spielen eines Instruments an sich ist eine komplexe Aktivität, welche beide Hemisphären (Gehirnhälften) aktiviert. Die linke Hemisphäre ist für Feinmotorik und Koordination der beiden Hände verantwortlich. Die rechte Hemisphäre hingegen steht für kreative und emotionale Prozesse. Sie ist also für Interpretation, Kreativität und Ausdruck zuständig.

Schon beim Hören von Musik sind beide Gehirnhälften aktiv. Die linke Gehirnhälfte kümmert sich um das Wahrnehmen von Harmonik, Rhythmik und Melodik. Die rechte reagiert auf emotionale Eindrücke. Ebenfalls beide Hemisphären werden beim Lernen von neuem und dem Abrufen von bereits gelerntem Material benötigt. Und auch die feinmotorische Koordination beim Bassspielen erfordert die Zusammenarbeit beider Gehirnhälften.

Die Aktivität des Gehirns ist natürlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich und man kann keine pauschalen Aussagen dazu treffen. Definitiv erwiesen ist jedoch, dass Musikmachen dazu beitragen kann, die Verbindungen zwischen den Gehirnhälften ganz allgemein zu verbessern und die allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit zu erhöhen.

▶ Motorische Fähigkeiten

Bassspielen erfordert zahlreiche feinmotorische Abläufe und die exakte Koordination beider Hände, wie wir sie in dieser ausgeprägten Form kaum an anderer Stelle benötigen. Das kann uns natürlich auch für alltägliche Dinge dienen, bei denen Feinmotorik und Koordination gefragt sind.

Bassspielen macht Spaß - egal in welchem Alter!
Auf geht’s: Ran an die vier dicken Saiten (Bildquelle: Shutterstock / von: tairome)

▶ Emotionales Ventil

Wie jede Kunst ist auch Musik ein emotionales Ventil. Man kann sich mit Musik ausdrücken und zudem viele negative Emotionen verarbeiten beziehungsweise loslassen. Hinzu kommt die Freude und Erfüllung, die wir durch Bassspielen erfahren dürfen. Dies spürt man vor allem deutlich, wenn man aufgrund negativer Umstände (z. B. Trennung, Krankheit, Todesfall in Familie/Freundeskreis etc.) länger nicht zu seinem Instrument greifen konnte.

▶ Stressabbau

Es ist schon lange wissenschaftlich bewiesen, dass Musikmachen den Abbau von Stress aktiv unterstützt. Beim Hören von Musik bzw. beim Musizieren selbst wird im Körper Magnesium und Dopamin freigesetzt und der Adrenalinspiegel gesenkt. Der eigentliche chemische Vorgang in den Zellen des Körpers ist natürlich deutlich komplexer (siehe Membranpotenzial etc.), aber letztendlich führt dies zum Abbau von Stress.

Jeder Mensch besitzt eine individuelle Resonanzfrequenz – so wie auch jeder Gegenstand. Dieses Phänomen kennt man vielleicht, wenn man zu Hause spielt und bei einem bestimmten Ton plötzlich der Schrank anfängt zu vibrieren. Die Resonanzfrequenzen von Menschen befinden sich vor allem in den tieferen Regionen.

Spielen wir Bass, ist also davon auszugehen, dass unsere persönliche Resonanzfrequenz besonders häufig angeregt wird. Dies führt nachweislich ebenfalls zu der oben bereits beschriebenen Reaktion im Körper und daher zum Abbau von Stress.

Nicht umsonst finden wir tiefe Frequenzen in verschiedenen Kulturen. Bestes Beispiel ist wohl das kollektive „Ooooom“, welches zur Meditation, Entspannung und Fokussierung gesungen wird. Medizinisch gibt es dabei noch andere positive Auswirkungen, für uns soll aber der Abbau von Stress heute genug sein.

▶ Mentale Gesundheit

Die mentale Gesundheit ist heutzutage in aller Munde. Dies sah vor wenigen Jahrzehnten noch ganz anders aus. Der Begriff „Work-Life-Balance“ – also ein ausgewogenes Verhältnis zwischen leistungsorientierter Arbeit und entspannter Freizeit – existiert noch nicht lange. Heute ist die Wahrnehmung dieses Themas zum Glück eine gänzlich andere. Leistung kann nämlich nicht ohne entsprechende Pausen und Entspannung entstehen, beides ist folglich gleich wichtig. Dafür muss man achtsam mit sich umgehen und spüren, ob die Balance zwischen beiden Polen noch stimmt oder ob man etwas verändern muss.

Bassspielen und Musikmachen an sich kann viel zur mentalen Gesundheit beitragen. Über den Abbau von Stress und das Loslassen von negativen Emotionen haben wir gerade ausführlich gesprochen. Das Üben zu Hause, die Bandprobe oder der Unterricht fällt in den Bereich „Quality Time“, also Dinge, die man ganz bewusst für sich selbst macht. Man kann abschalten und durch sie wieder Kraft für den Job oder familiäre Aufgaben tanken. Die persönlichen oder die gemeinsamen Fortschritte in einer Band verleihen zudem positive Rückmeldung und Bestätigung. Sämtliche genannten Aspekte können also einen großen Beitrag zur persönlichen mentalen Gesundheit leisten.

Jonas Hellborg, Chester Thompson, Steve Bailey, Lee Sklar
Graue Eminenzen: Jonas Hellborg, Chester Thompson, Steve Bailey, Lee Sklar (Bildquelle: Warwick)

▶ Soziale Kompetenzen

Dank YouTube und anderen sozialen Medien hat sich die Situation zwar etwas verändert, aber eigentlich hat Musik einen grundlegenden sozialen Auftrag. Gerade der Bass ist in erster Linie dazu gedacht, eine Rolle in einem Kollektiv zu übernehmen. In der Regel ist das eine Band, ein Orchester oder irgendeine andere Art musikalischer Besetzung. Hier muss man sozial interagieren, gemeinsam Aufgaben und Probleme bewältigen, Kompromisse finden, Kritik austeilen und einstecken können und so weiter. Fünf Bandmitglieder bedeuten meistens fünf unterschiedliche Erwartungshaltungen, Meinungen, Perspektiven etc. zum gleichen Projekt bzw. Thema.

Bei nahezu jeder Band findet man das komplette Spektrum des sozialen Miteinanders und der Dynamik in zwischenmenschlichen Beziehungen. Das ist häufig nicht einfach, schult aber die sozialen Komponenten enorm.

▶ Persönliche Herausforderungen/Zielsetzungen

Eine sinnvolle Aufgabe und Ziele zu haben, ist identitätsstiftend für uns. Zudem brauchen wir Herausforderungen, positive Rückmeldungen, Bestätigungen und kleine oder große Erfolgserlebnisse. Fällt das alles weg, fühlen wir uns nutz- und orientierungslos!

Ein einschneidendes Erlebnis kann zum Beispiel sein, dass die Kinder das Haus verlassen und plötzlich die Mutter- beziehungsweise Vaterrolle wegfällt. Ein anderer Klassiker ist der Ruhestand – auch hier ändert sich von einem auf den anderen Tag das Leben komplett! Daher ist es besonders wichtig, bereits vor solchen Veränderungen erfüllende Hobbys in seinem Leben etabliert zu haben. Diese können dann im neuen Lebensabschnitt eine wichtigere Rolle einnehmen und unsere Bedürfnisse nach Sinnhaftigkeit, Herausforderungen, Bestätigungen und dem Erreichen von Zielen befriedigen.

Dafür bietet sich natürlich Bassspielen und Musikmachen ganz besonders an. Das Erlernen eines Instruments ist eine lebenslange Aufgabe, an der man beständig persönlich wachsen kann. Die Frage, ob Musik eine sinnvolle und erfüllende Beschäftigung ist, stellt sich wohl erst gar nicht. Aufgaben, Herausforderungen und Ziele gibt es dabei ein Leben lang, ob einzeln (Fortschritte am Instrument …) oder im Team (eigene Platte, Gigs …). Erfolgserlebnisse und positive Rückmeldungen sind darüber hinaus bei etwas Engagement auch garantiert!

▶ Erweiterung des kulturellen Horizonts

Vielleicht nicht gerade der offensichtlichste und wichtigste Punkt, aber durchaus nicht zu vernachlässigen, ist die Erweiterung des eigenen kulturellen Spektrums. Spielt man nicht gerade ausschließlich lokale Volksmusik, kommt man automatisch mit anderen Kulturen in Berührung.

Gute Beispiele dafür sind Latin, Reggae, Jazz und vieles mehr. Das Studieren unterschiedlicher Genres und deren Protagonisten macht einen sensibler und demütiger gegenüber anderen Kulturen und deren Beitrag zum „musikalischen Kanon der Welt“. Zudem sind viele Genres die Verschmelzung der Musik verschiedener Kulturen und der Beweis, dass Neugierde und Offenheit gegenüber anderen Ländern, Menschen und Kulturen eigentlich nur Großartiges hervorbringen kann.

Chuck Rainey
Dieses strahlende Lächeln spricht Bände: Die Karriere von Basslegende Chuck Rainey begann bereits in den 1960er-Jahren! (Bildquelle: Warwick)

Bass lernen in jedem Alter – Fazit

In diesem Sinne sagen wir: Ran an den Bass, egal in welchem Alter! Wichtige Tipps für die ersten Gehversuche am Instrument sowie Kaufberater für die Anschaffung eines Basses oder anderweitigen Equipments gibt es hier im Bassbereich von bonedo. Hier ein paar interessante weiterführende Links:

Viel Spaß und bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt

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Profilbild von Markus Pudziow

Markus Pudziow sagt:

#1 - 04.04.2024 um 08:00 Uhr

0

Vielen Dank für den tollen Artikel, spricht mir aus der Seele. Ich selbst habe mit 50+ vor gut zwei Jahren am Bass begonnen und bisher keine Sekunde bereut. Eigentlich wollte ich das seit meinem ersten Kontakt mit den Beatles schon als Jungspund, aber meine Musiklehrerin hielt mich für unmusikalisch, weil ich mich mit Noten schwertat und auch nicht im Schulchor gesungen habe. Meine Eltern sind dieser Einschätzung gefolgt, so war das damals leider. Was der Lehrkörper sagte, wurde nicht in Frage gestellt :-( Irgendwann habe ich auf YouTube ein Video gesehen, "Bin ich zu alt um mit Bassspielen anzufangen?" von Alex Spengler (sehr empfehlenswert). Da wußte ich endgültig, das will ich jetzt sofort machen, besser spät als gar nicht.

    Profilbild von Thomas Meinlschmidt

    Thomas Meinlschmidt sagt:

    #1.1 - 04.04.2024 um 10:24 Uhr

    0

    Hey Markus, Freut mich zu hören, willkommen im Club und vielen Dank für deinen netten Kommentar. Liebe Grüße Thomas

    Antwort auf #1 von Markus Pudziow

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    +1
Profilbild von Skinner

Skinner sagt:

#2 - 08.04.2024 um 16:50 Uhr

0

Ein Instrument lernen und spielen ist ein unglaublicher Brain-Boost. Das habe ich am eigenen Leib positiv erlebt. Ich kann dem Artikel im großen und Ganzen nur zustimmen und jeden ermuntern, egal welchen Alters, Musik zu machen und am Besten ein Instrument lernen. Um die eigene Musik auch als emotionale Ventil zu nutzen, braucht es meiner Ansicht nach lange. Da muss man sein Instrument und sich schon sehr gut beherrschen. Ich kann mir beim Spielen zuhören und mich davon tragen lassen. Das hat bei mir aber Jahre gebraucht. Soziale Kompetenz? Na ja…! Da kenne ich zu viele, bei denen das nicht Fall ist. Ich denke, das verbessert die Musik nicht. Grade Band kann unheimlich schwierig sein. Stress Abbau? Üben, Aufnehmen auf der Bühne stehen, kann ganz schon stressig sein. Aber wenn man nach langem Üben hinbekommen, ist es ein schönes Gefühl, es geschafft zu haben, dass es gelungen ist und die Hereausfoderung gemeistert wurde. Das stärkt das Selbstvertrauen. Das finde ich, macht Musik. Außerdem ist es ein wunderschönes Gefühl zusammen zu musizieren ob nun in der Improvisation oder dem Ablauf eines Uhrwerks gleich. Das kann auch einer Gruppe Kraft geben. Jeder Mensch solte gleich von Anfang an eine Instrument lernen.

Profilbild von Michael

Michael sagt:

#3 - 08.04.2024 um 20:53 Uhr

0

Muss aber auch passen. Alle meine Versuche mit verschiedenen Instrumenten seit meiner Jugend versandeten. Als allerletzten (!) Versuch nahm ich mit 56 den Bass, über den ich sogut wie nix wusste. Das war die beste (bässte) Entscheidung, nach einer Woche wusste ich, ja das ist endlich "mein" Instrument. Übe und spiele seitdem mit großer Freude ca 6 Tage die Woche, und das seit über 5 Jahren. Meine Frau hat sich 25 Jahre diszipliniert, aber erfolglos am Klavier gequält, bis sie mit 54 das Schlagzeug entdeckte, und seitdem begeistert aufblüht. Wenn das Instrument dich findet oder du das Instrument, lohnt sich das auch im späteren Alter. Die Welt retten oder den Rock 'n' Roll müssen wir ja nicht mehr.

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