Play-Alike Marcus Miller – Bass Workshop

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Seit Mai 2012 ist das dreizehnte Soloalbum des Ausnahmemusikers Marcus Miller auf dem Markt, Grund genug für bonedo einen genaueren Blick auf die neuesten Grooves des Meisters zu werfen. Dem Bass begeisterten Leser, der auch mal etwas abseits der kommerziellen Hitparadenmusik unterwegs ist, muss man Marcus Miller wahrscheinlich nicht mehr ausführlich vorstellen. Aber auch Freunde der Popmusik dürften schon mal den ein oder anderen Groove von ihm gehört haben, denn er verewigte sich als Studio und Sessionmusiker auch auf unzähligen Produktionen von Superstars wie Mariah Carey, Elton John oder Brian Ferry, um nur einige wenige zu nennen.
Seine immense Popularität in Musikerkreisen verdankt der 1959 in Brooklyn geborenen Miller aber wohl in erster Linie der Jazztrompetenikone Miles Davis, in dessen legendäre, elektrische Band er Anfang der 80er Jahre vom Meister selbst berufen wurde. Seine Rolle bei Miles Davis beschränkte sich aber nicht nur auf das Basspiel, für die Alben “Tutu” und “Amandla” zeigte sich Marcus Miller als Produzent und Co-Komponist verantwortlich, auf dem Davis Soundtrack Album “Siesta” hat der Multiinstrumentalist darüber hinaus sogar sämtliche Parts selbst eingespielt und die Schlagzeug-Grooves programmiert. Seit den frühen 90er Jahren konzentriert sich Miller verstärkt auf seine Solokarriere, bespielt mit seiner Band den ganzen Erdball und veröffentlicht regelmäßig Alben – mit der 2001 erschienen Produktion M2 heimste Miller sogar einen Grammy in der Kategorie “Best Contempory Jazz Album” ein.

STIL
Marcus Miller hat dem Slapbassstil zu großer Popularität verholfen und diese Spielweise auch zu seinem Markenzeichen gemacht. Mittlerweile gibt es zwar einige Vertreter wie zum Beispiel Victor Wooten, die wesentlich virtuoser mit dem Donnerdaumen agieren und diese Technik noch weiter ausgefeilt haben, in Sachen Groove und Sound ist Marcus Miller aber immer noch ganz weit vorne. Ich habe in einem Interview mit Marcus Miller gelesen, dass er in erster Linie mit der perkussiven Saitenbearbeitung durch den Daumen begann, um sich im dichten Bandsound besser durchsetzen zu können. Sein Slapstil besteht dann auch in der Hauptsache aus der Daumenarbeit, die Pops, also das Anreißen der meist höheren Basssaiten setzt er wesentlich sparsamer ein als einige seiner Slapkollegen wie Mark King oder der bereits erwähnte Victor Wooten.
SOUND
Marcus Miller spielt überwiegend Fender Jazz Bässe und ist von der Firma mit einem Signature-Modell im Stil seines Lieblings – Jazz Basses aus den 70er Jahren bedacht worden. Der Original Bass ist allerdings von Bass Luthier Roger Sadowsky, der früher ein ziemlich angesagter Vintage-Gitarren-Reparateur in New York war, modifiziert worden. Marcus Miller wollte aus seinem Jazzbass das letzte Quäntchen herauskitzeln und ließ sich eine solidere Brücke, die allseits bekannte Badass, aufschrauben und stattete den Bass mit Bartolini-Pickups und einer aktiven Bartolini-Elektronik aus. Resultat ist der berühmte „Signature Marcus Miller Scoop Sound“ mit heftigem Bassdruck, relativ wenig Mitten und ultracrispen Höhen. Ein solcher Sound lässt sich mit einem typischen 70er Jazzbass-Modell gut realisieren. Der Eschekorpus sorgt für ein volles Fundament und deutliche Höhen, das Ahorn-Griffbrett unterstützt den Attack und mit dem 70er Pickup-Spacing, bei dem der hintere Single-Coil einen Zentimeter näher an der Brücke sitzt, wird der Sound etwas aggressiver und höhenreicher. Wenn man jetzt noch eine aktive Elektronik an Bord hat, mit der Bässe und Höhen zusätzlich geboostet werden können, ist man schon auf dem richtigen Weg zum Marcus Miller-Sound. Natürlich kann man auch mit einem handelsüblichen passiven Jazzbass mit Single-Coil-Pickups einen guten Slapsound erzeugen, einfach beide Tonabnehmer voll aufdrehen und am Verstärker die Bässe und Höhen etwas boosten und die Mitten bei der etwas nasalen Frequenz um 800Hz leicht absenken.

SONGS

DETROIT

Als Erstes knöpfen wir uns den Album Opener “Detroit” vor, den Marcus Miller direkt mit einem für ihn typischen und heftig groovenden Slaplick beginnt. Das Tonmaterial ist recht übersichtlich und beschränkt sich auf die Töne G,B,C,D und F, besteht also aus der G Moll Pentatonik. Marcus Miller spielt natürlich auch viele Fills und kleine Variationen mit einigen zusätzlichen Tönen, ich möchte mich in dieser Transkription allerdings auf den Grundgroove konzentrieren, um das Ganze nicht zu verkomplizieren. Miller schlägt die meisten Töne mit dem Daumen an, die Pops habe ich in den Noten mit einem P gekennzeichnet, das H steht für Hammer On, der tiefere Ton wird also angeschlagen und der folgende nur mit der Greifhand aufgehämmert. Beachtet auch die Deadnotes die Marcus Miller in den Pausen mit dem Daumen spielt. Ich habe ein paar davon mit einem Kreuznotenkopf eingetragen. Ihr solltet beim Üben aber selbst ein Gefühl dafür bekommen welche ihr spielt und welche nicht. Deadnotes sind auf jeden Fall gut für das Timing, denn wenn die 16tel quasi immer durchlaufen, kann man die wirklich gespielten Noten exakter platzieren, weil man die rhythmischen Einheiten ständig fühlt.

Audio Samples
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Detroit Part 1 Detroit Part 1 – Drumloop

Im zweiten Teil von Detroit spielt Marcus neben dem Basspart auch die Melodie und zwar typisch für ihn, auch geslapt. Die Töne werden alle angerissen, also gepoppt, bis auf die Stellen mit H wie Hammer On und den Pull Offs im zweiten und vierten Takt. Pull Off ist quasi das Gegenteil von Hammer On, ihr schlagt den höheren Ton an und zieht mit der Greifhand auf den tieferen Ton ab. Im vierten Takt spielt Miller den Pulloff manchmal von Ges über F nach Es, also zwei schnelle Noten um dann auf der zweiten Viertel zu landen. Um es nicht zu kompliziert zu machen, habe ich es in den Noten hier beim F belassen. Im Audio hört ihr aber auch diese Version im vierten Takt. Eine Melodie geschmackvoll zu slappen ist wirklich nicht einfach und klingt schnell hölzern. Ihr solltet unbedingt genau die Phrasierung von Marcus Miller anhören, um ein Gefühl dafür zu bekommen und euch nicht nur auf die Noten beschränken.
Der Basspart des zweiten Teils von “Detroit” ist da schon sehr viel einfacher: Miller spielt im Wesentlichen die Grundtöne der Akkorde, immer um eine Sechzehntel vorgezogen. Er variiert zwischen normaler Fingerstyle-Technik und Slapstil mit Daumenanschlag

Audio Samples
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Detroit Part 2 Detroit Part 2 – Playback

REDEMPTION

Den Bassgroove von Redemption spielt Marcus Miller am Anfang geslapt und später, wenn die Melodie einsetzt, tonal fast unverändert mit der Mute-Technik. Bei der Slap-Versionen werden fast alle Töne mit Daumen angeschlagen, nur die Töne mit “P” in den Noten angerissen und die “H’s” aufgehämmert. Bei der Mute Technik-Version werden die Töne mit dem Daumen gezupft, während die Handaußenkante dahinter auf den Saiten liegt, um diese abzudämpfen. Dadurch entsteht ein dumpfer Staccato-artiger Sound wie man ihn von Reggea-Basslinien kennt. Beide Versionen sind nicht ganz einfach zu spielen und fordern eine gewisse Fertigkeit in den betreffenden Spieltechniken, nicht zuletzt, weil das Tempo ganz schön flott ist. Das Tonmaterial bewegt sich um As-Moll und As-Dur, sieht mit den vielen Vorzeichen in den Noten erstmal abschreckend aus, stellt aber auf dem Bass keine zusätzliche Schwierigkeit dar. Auch hier solltet ihr zuallererst das Audio oder noch besser, das Marcus Miller Original anhören, um die Phrasierung genau zu checken und dann langsam mit Metronom üben, bis alles sitzt.

Audio Samples
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Redemption – Slap Redemption – Muted Redemption – Playback

JEKYLL&HYDE
Bei Jekyll&Hyde geht es tempomäßig wieder etwas gemütlicher zur Sache. Im ersten Grooveteil spielt Marcus Miller allerdings wieder Melodie und Bassgroove. Ob er das in einem Take gespielt hat, weiß ich nicht, Groove und Melodie wechseln sich aber ab, sodass man es in einem Rutsch spielen kann, so wie ihr es in den Noten sehen könnt. Die Nummer ist leicht angeshuffelt, also triolisch aufzufassen, bei den 16tel-Noten in der Melodie sollte die erste Note folglich immer etwas länger als die darauf folgende sein. Auch hier gilt: Mein Audio oder das Original anhören und das Feeling nachempfinden! Angerissen wird hier nur der 2-stimmige Part, also die Quarte auf der Zählzeit 1u. Die Quarte danach könnt ihr entweder mit der Greifhand aufhämmern, oder einfach einen Ganzton hochrutschen, was viel einfacher ist und sich genauso anhört, zumindest wenn man schnell genug rutscht. Der Rest ist mit dem Daumen Slap Stil gespielt und relativ einfach in den Griff zu bekommen.

Audio Samples
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Jekyll&Hyde Part 1 Jekyll&Hyde Part 1 – Drumloop
Foto mit freundlicher Unterstützung von soulfood-music
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Zum Durchatmen gibt es jetzt auch noch den zweiten Teil von Jekyll&Hyde. Hier spielt Marcus Miller einen entspannten Fingerstyle-Groove in der Tonart A-Moll mit den Tönen A,H,C,D,E,Fis und G der dorischen Tonleiter.

Audio Samples
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Jekyll&Hyde Part 2 Jekyll&Hyde Part 2 – Playback

MR CLEAN
Beim letzten Titel, den ich euch vorstelle, handelt es sich um einen Cover-Song, Mr Clean ist nämlich ein uralter Jazzstandard von Freddy Hubbard, dem Marcus Miller in seiner Version neues Leben einhaucht. Er zeigt hier eindringlich wie man mit wenigen Mitteln den maximalen Groove erzeugt. Der Bassgroove im Thema besteht im Wesentlichen aus einem F, allerdings über drei Oktaven angewendet, das E kommt nur manchmal als variierende Vorschlagnote zum Einsatz. Eine Spur komplizierter wird es nur am Ende, Meister Miller spielt das Unisono-Riff aus dem Original natürlich mit. Mr Clean ist auch leicht angeschuffelt, die 16tel-Noten im Schlussriff müsst ihr also wie schon bei Jekyll&Hyde triolisch angehen, damit es nicht zickig klingt. Marcus Miller spielt alles im herkömmlichen Fingerstyle, das H in den Noten steht wie immer für Hammer On, das P für Pull Off, also mit der linken Greifhand die Note abziehen.

Audio Samples
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Mr Clean Part 1 Mr Clean Part 1 – Playback

Natürlich hat Mr. Miller beim Klassiker Mr Clean auch noch ein Interlude mit einem standesgemäßen Slap – Groove untergebracht. Anfangs hat man das Gefühl dass sich der Groove im zweiten Takt umdreht, es sind aber nur die ersten zwei Noten um ein 16tel nach hinten gerückt, der Rest ist nicht verschoben. Den Grundton As fährt Marcus Miller öfter mal mit einem Slide vom Ges an, dadurch klingt er noch fetter. Beachtet auch hier wieder die Deadnotes besonders in den Viertelpausen im dritten und vierten Takt. Der Daumen von Marcus Miller läuft hier im Grunde in 16teln durch und erzeugt eine beachtliche Schubkraft. In den Noten habe ich diese Deadnotes allerdings weggelassen damit der Groove visuell klarer zu erkennen ist.

Audio Samples
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Mr Clean Part 2 Mr Clean Part 2 – Playback

Zum Abschluss möchte ich euch nochmals ans Herz legen, entweder die Audios oder besser noch die Originale wirklich genau anzuhören damit ihr das Feeling hinter den Noten und der Rhythmik aufnehmen könnt. Viele Fragen sind dann durch aufmerksames Zuhören schon geklärt, wenn ihr euch danach mithilfe der Noten die Grooves erarbeitet. Und ganz wichtig: Langsam und mit großer Präzision üben, die Geschwindigkeit kommt später von selbst wenn ihr das Material wirklich exakt spielen könnt.

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