Die Imitation von Streichersounds hat sich in den vergangenen vierzig Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. In den 1970er Jahren standen Keyboardern Instrumente wie Mellotron oder Solina String Ensemble zur Verfügung, und auch mit den damals erhältlichen polyphonen Analogsynthesizern ließen sich Streicherensembles bereits mehr oder weniger authentisch nachahmen. Die Betonung liegt dabei auf mehr oder weniger. Denn tatsächlich brachten diese frühen Versuche, auf synthetischem Wege möglichst authentische Streichersounds zu generieren, eher eigenständige und damit neue Soundcharaktere hervor, als absolut realistisch klingende Strings. Und das ist durchaus nicht negativ gemeint, was der nachfolgende Artikel noch zeigen wird.
Erst mit dem Aufkommen der Sampler in den 1980er Jahren wurden Stringsounds realistischer, und seit dem Kurzweil K250 sind Streichersamples als ROM-Wellenformen wesentlicher Bestandteil jeder Workstation. Heute gibt es gigabytegroße Samplesammlungen wie die Vienna Symphony Library, die z. B. bei Filmmusikproduktionen eingesetzt werden und deren Sounds von denen eines echten Orchesters kaum noch zu unterscheiden sind.
Doch wenn etwas im Studio gut klingt, dann heißt das noch lange nicht, dass es in einer Liveband auch so sein muss. Brauchen Live-Keyboarder nun Laptop und VSL, um auf der Bühne gute Streichersounds anbieten zu können, oder gibt es auch andere Möglichkeiten? Mehr zu diesem Thema lest ihr in unserem Workshop.
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VOICINGS
Eigenschaften gesampelter Streicher und analoger Strings
Warum klingen analoge Streichersounds auf der Bühne besser?
Wer schon einmal gesampelte Streicher – egal, ob einfache aus der Workstation oder aufwendige aus dem Laptop – auf der Bühne eingesetzt hat, der wird vielleicht dasselbe festgestellt haben wie ich: Sie neigen dazu, hart zu klingen, irgendwie etwas hohl, schmiegen sich nicht richtig an die anderen Instrumente an und füllen die Lücken im Mix nicht sonderlich gut auf. Sie verhalten sich unterm Strich also nicht wirklich organisch. Außerdem sind sie sehr abhängig von der Qualität der PA und der Monitore. Auf schlechten Anlagen klingen sie schneller unangenehm als es die anderen Keyboardsounds wie Rhodes oder Orgel tun.
Analoge Stringsounds, die nicht auf Samples, sondern auf Sägezahnwellen oder pulsweitenmodulierten Rechteckwellen basieren, klingen zwar alleine gespielt nicht wie echte Streicher. Aber im Mix, gerade in einer lauten Band mit dominanten Gitarren und bei nicht optimaler Saalakustik, machen sie interessanterweise oft einen besseren Job als Samples. Sie klingen wärmer und organischer, füllen besser und passen sich gut in den Gesamtsound ein. Auch verzeihen sie eine ungünstige Verstärkung eher als Samplestrings das tun.
Inzwischen bin ich dazu übergegangen, live nur noch analoge (bzw. virtuell-analoge) Strings einzusetzen, auch wenn ich im Studio nach wie vor mit Sample-Librarys arbeite. Eine Maßnahme, mit der ich durchweg gute Erfahrungen gemacht habe.
Nachfolgend habe ich ein paar kleine Tricks für euch zusammengetragen, die dabei helfen sollen, analoge Streicher zu programmieren und optimal einzusetzen.
Streichersounds authentisch spielen
Wie spielt man Streichersounds, sodass sie realistisch klingen?
Wie realistisch Streichersounds klingen, hängt nicht nur vom Sound ab, sondern ganz entscheidend auch von der Spielweise. Hier gilt es, mehr als Arrangeur zu denken denn als Pianist.
Nehmen wir ein einfaches Beispiel. Eine kleine Akkordfolge, so gespielt, wie man es als Pianist tun würde. Bei dem Sound handelt es sich um Analogstrings aus dem Waldorf Blofeld
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Beispiel 1, enge Lage
Das klingt nach einem Pad aus einem Analogsynthesizer, aber nicht unbedingt wie ein Streichorchester. Wenn wir die Akkorde aber etwas anders greifen, kommen wir der Sache schon näher.
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Beispiel 1, weite Lage
So gespielt klingt die Akkordfolge deutlich edler und majestätischer und weniger nach Synthesizer als vorher. Es handelt sich hierbei um die sogenannte „weite Lage“. Der Grundton ist bei jedem Dreiklang um eine Oktave nach unten transponiert. Die beiden oberen Stimmen sind eine Sexte auseinander. Im Beispiel davor waren die Dreiklänge in „enger Lage“ angeordnet.
Ein weiteres Beispiel.
Bei diesem Beispiel fällt auf, dass die Lagen der Dreiklänge gleich sind, außer, dass in Version zwei eine Stimme weniger spielt als in Version 1. Hier haben wir nun eine Sexte oben statt der Terz, was zu offenerem und „orchestralerem“ Klang führt. Wir sehen also, dass es bei Streichern durchaus gut sein kann, Stimmen wegzulassen und etwas dünner zu arrangieren. Und Sexten sind hierzu besonders gut geeignet.
Im nächsten Beispiel kommen Bass und Drums hinzu. Da der Bass nun die Grundtöne der Dreiklänge spielt, können wir diese in unseren Voicings weglassen. Hier werden nur noch die Sexten gespielt.
Beispiel 3, Sexten mit Band
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Beispiel 3, Sexten mit Band
Ebenfalls ein günstiges Intervall für Streicherarrangements ist die Dezime, also Oktave plus Terz. Nun verdoppeln wir noch beide Töne per Oktave , dann klingt das schon ganz schön nach Orchester.
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Beispiel 3, Dezimen mit Band
Wenn jetzt noch ein paar Gitarren hinzukommen, fällt auch nicht mehr so auf, dass die Strings analog sind und für sich allein nicht unbedingt authentisch klingen. Dafür kommen nun die obengenannten Vorteile zum Tragen. Die Streicher sitzen sehr schön im Mix und spendieren etwas Wärme.
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Beispiel 3, Dezimen mit Gitarre
Die Oktavierung muss man übrigens nicht spielen, man kann auch zwei Stringsounds im Multimode eine Oktave auseinander transponiert übereinander legen. Spielt man dann einfache Linien in Sexten oder Dezimen, bekommt man ein schönes Orchestergefühl. Und das ganz ohne Samples …
Beispiel 4
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Beispiel 4
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SOUND-WERKSTATT
Streichersound richtig programmieren
Wie baue ich mir meinen Streichersound für den Live-Einsatz?
Der Sound aus dem Beispiel stammt aus einem Waldorf Blofeld. Er lässt sich aber auch mit den meisten anderen analogen oder virtuell-analogen Synthesizern herstellen.
Ausgangsbasis ist eine Pulswelle
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Pulse
Nun moduliert ein LFO die Pulsbreite der Welle. Dadurch bewegt sich der Klang zyklisch in Richtung Sägezahn und zurück, was eine schöne Schwebung erzeugt.
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Pulse PWM
Zusätzlich lassen wir jetzt einen zweiten LFO den Pitch des Oszillators etwas modulieren. Der Sound fängt leicht an zu eiern. Vorsicht: Nicht zu viel davon!
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Pulse PWM, Pitch
Als Nächstes müssen wir die Hüllkurve (Envelope) streichertypisch einstellen, also mit langer Attackzeit und viel Release.
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Envelope
Den oder die anderen Oszillatoren behandeln wir genauso und mischen sie dazu. Wie hier beim Blofeld, bei dem derer drei aktiv sind. Viele Synths besitzen nur zwei, aber das reicht auch. Die Pitchmodulation per LFO kann man bei OSC2 negativ setzen, sodass die beiden Oszillatoren pitchmäßig auseinanderlaufen.
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Oszillator
Den Filter stellen wir auf eine mittlere Position, je nachdem, wie hell oder dunkel wir unsere Strings gerne hätten.
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Filter/Cut Off
So klingt das Ganze doch schon recht amtlich, vor allem, wenn wir Sexten und Dezimen spielen.
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Streicher – Das Ergebnis Teil 1
Das letzte Quantum Schwebung gibt uns der Chorus.
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Streicher – Das Ergebnis Teil 2
Und auch ein bisschen Delay ist erlaubt
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Streicher – Das Ergebnis Teil 3
Und fertig ist unser Stringsound.
Für schnelle und kurze Marcatostreicher verkürzen wir die Attack- und die Releasezeit.
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Marcato-Strings
An dieser Stelle möchte ich allen, die ihren Streichern gerne etwas Hall geben, folgenden Trick verraten: Hall ist auf der Bühne grundsätzlich problematisch. Er führt dazu, dass Sounds vermatschen und im Mix untergehen. Um unseren Strings trotzdem etwas „Suppe“ zu geben, machen wir Folgendes: Wir nehmen den soeben erstellten „Marcato“-Sound, geben ihm etwas mehr Release und speichern ihn auf einen neuen Speicherplatz. Dann wechseln wir in den Multimode und packen die beiden Marcatosounds aufeinander, wobei der mit dem längeren Release etwas leiser sein sollte. Nun haben wir einen „Nachhall“, ohne dass wir ein Reverb mit den erwähnten Nachteilen benutzen müssen.
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Pseudo-Hall
Dieser Trick hat sich in der Praxis super bewährt. Die Streicher matschen nicht und klingen trotzdem schön „suppig“.
Schlusswort
Wie bei den Klaviersounds (siehe dazu den Artikel Shortcut: Klaviersound auf der Bühne) ist auch bei Streichern nicht immer der Sound mit den meisten Gigabytes der am besten für die Bühne geeignete. Ich rate dazu, mal mit analogen Strings zu experimentieren und zu sehen, wie sie sich im Vergleich zu den Samples in den Bandsound einfügen. Gute Ergebnisse kann man auch mit Layers aus analogen und gesampelten Streichern erzielen. Hier sorgen dann die Samples für die Authentizität und das Analoge für Wärme und Fülle. Viel Spaß beim Forschen!
Schön geschrieben. Ich verwende die die Kombination Sample/virtuell analog auch mit recht viel Erfolg, allerdings ist der Tipp mit dem Arrangementausdünnen weit wichtiger ... auch in Bezug auf andere Sounds.
Wieder einmal ein interessanter praxisorientierter Workshop! Supersache! Weiter so...bin ein großer Fan davon! Jetzt gebrauche ich noch einen Brass-Ensemble Workshop...bitte...;-)
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Zippo sagt:
#1 - 04.10.2011 um 19:36 Uhr
Danke!
HammondToby sagt:
#2 - 04.10.2011 um 20:09 Uhr
Schön geschrieben. Ich verwende die die Kombination Sample/virtuell analog auch mit recht viel Erfolg, allerdings ist der Tipp mit dem Arrangementausdünnen weit wichtiger ... auch in Bezug auf andere Sounds.
Uwe sagt:
#3 - 05.10.2011 um 21:00 Uhr
Wieder einmal ein interessanter praxisorientierter Workshop! Supersache! Weiter so...bin ein großer Fan davon! Jetzt gebrauche ich noch einen Brass-Ensemble Workshop...bitte...;-)
Matthias sagt:
#4 - 11.10.2011 um 22:26 Uhr
super Bericht, jetzt wäre es noch der Hammer, wenn es den verwendeten Blofeld Sound als Download geben würde...