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Capital Bra und die Beatles verbindet mehr, als du dachtest

„Capital Bra hat mit dem Song „Cherry Lady“ seine insgesamt zwölfte Nummer-1-Platzierung in den deutschen Single-Charts eingefahren. Damit übertrifft er die ehemalige Bestmarke der Beatles, die elfmal auf Platz 1 standen,“ schrieb die Tagesschau am 30. März 2019 auf ihrem Instagram Account. Das Raunen war groß. Die Menge spaltete sich in zwei Lager. „Capital wer?“ fragten die einen, dass „Capital Bra nicht erfolgreicher als die Beatles ist“, argumentierten die anderen. Zwischendrin Capis Fanbase, sein Motor an die Spitze der Charts. Wir fragen uns: wo stecken sie wirklich, die Gemeinsamkeiten von yeah yeah yeah und le le le?

Capital Bra photo: Source: Sony Music / Author: Phong Le
Capital Bra photo: Source: Sony Music / Author: Phong Le

Na, die offensichtlichste Gemeinsamkeit steckt wohl vor allem in der Platz-eins-Platzierung. Wobei Capital Bra mit, Stand Januar 2020, 19 Nummer-eins-Singles hier mittlerweile durchaus die Nase vorne hat. Weil sich die Strukturen durchs Streaming geändert hätten, sei der Vergleich zu Musikern der CD-Generation damit jedoch hinfällig, argumentiert Till Böttcher: „Das ist in etwa so, als würde man behaupten, Cristiano Ronaldo wäre der beste Profifußballer seit der Steinzeit, obwohl es Profifußball erst seit dem 20. Jahrhundert gibt – Unfug.“
DieBeatles nahmen 1963 ihren Song „She Loves You“ auf und verankerte sich mit der darin vorkommenden „yeah yeah yeah“-Phrase im Bewusstsein der Jugendlichen. Die Massentauglichkeit der Beatle’schen Musik war wichtig für ihren Erfolg, denn durch Radioplays, Zeitungsinterviews und Fernsehauftritten konnte sich damals eine stabile Fanbase aufgebaut werden. Mit ihrem „yeah yeah yeah“ hatten sie ein Wiedererkennungsmerkmal, das bis in die Sprache des Auslands schwappte. In Frankreich wurde die Beatmusik bald pauschal „Yéyé“ genannt, Walter Ulbricht sprach von ihr als „Monotonie des Je-Je-Je, und wie das alles heißt“. (Hutter & Krönig 2011)
„Ja, sie wollen, dass ich falle-le-le. Ja, sie wollen, dass ich zahle-le-le“ rappt Capital Bra 2018 auf Bushidos Track „Für euch alle“ und floated damit auf der Spitze der le le le-Welle im Deutschrap. Weil er seine Musik auf Streamingportalen verbreitet, weil er Songs droppt wie am Laufband und weil er eine loyale Fanbase besitzt – deswegen erklimmt Capital Bra immer und immer wieder den deutschen Chart-Olymp. 3,8 Millionen folgen Capital Bra auf Instagram, seine beliebtesten Songs wurden über 80 Millionen mal gestreamt – diese Zahlen gelten heute als Indikatoren für Popularität. Die genießt Capital Bra, genauso wie die Beatles früher, vor allem unter der jungen Hörerschaft. 
Und auf die lohnt es sich, einen Blick zu werfen.

Wie tickt die Jugend? 
Wo Jugend ist, da ist auch eine Jugendkultur. Und die meisten davon sind sogar musikorientiert: man denke da an Techno, Punk oder natürlich Hip Hop. Neben Melodie und Rhythmus werden durch die Darstellung der Künstler selbst auch Werte und grundlegende Einstellungen zu Gesellschaft und Politik vermittelt. Jugendliche, die gerade in der Pubertät auf der Suche nach der eigenen Persönlichkeit sind, finden hierbei Vorbilder, nach denen sie sich richten können. Und egal, wie sehr sich die verschiedenen Szenen auch unterscheiden, alle sind Konsumkulturen. Durch den Konsum von Produkten wie Musik und Mode ist eine Selbstdefinition und Abgrenzung zu anderen Gruppen oder Generationen möglich.  (Farin 2011) Und obwohl „die“ Jugend eine gar nicht so irrelevante Gruppe der Gesellschaft darstellt, wird der von ihr konsumierten Musik nur wenig Bedeutung beigemessen. Abseits ihrer Fanblase wurden die Beatles als abstoßend, desaströs und unmusikalisch befunden. Als „Schande“ und „Armutszeugnis“ betiteln andere den Erfolg Capital Bras. 

Um wen geht’s hier eigentlich? 
Die Pilzköpfe, Generation Baby Boomer, sind die bekanntesten Vertreter der Liverpooler Beatmusik und wurden mit ihrem damaligen neuartigen Musikstil in den 1960ern weltbekannt. In ihrem Song Love Me Do, schreibt Musikwissenschaftler Peter Wicke, hätten die Jungs „so ungefähr gegen alle Regeln, die Popmusik, den Rock’n’Roll eingeschlossen, damals ausmachten,“ verstoßen. Dies geschah wohl mit voller Absicht und verhalf ihnen, als Abgrenzung zu anderen Musikgruppen, zu ihrer universalen Bekanntheit. 

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Hinter Capital Bra, Generation Y, verbirgt sich Vladislav Balovatsky, 1994 in Sibirien geboren, in Berlin aufgewachsen. Bekannt geworden mit Hilfe des Formats „Rap am Mittwoch“. Mittlerweile so groß in den Spotify-Charts, dass sogar ein Modern Talking-Cover von Fans gefeiert wird. Sein Lieblingswort ist Bra (Kurzform des russischen Worts ‚Brat’ für Bruder), auch sonst kann man ihn leicht anhand seines stark gerollten Rs oder der Nutzung weiterer slawischen Wörter identifizieren. Hier oder hier gibt es weitere lesenswerte Artikel. 

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Künstler als Spiegel der Jugendkultur
Was macht nun diese Musiker so besonders, dass sie sich derart von ähnlichen Künstlern der eigenen Zeit abheben? Wie können sie sich abgrenzen, und ihren eigenen speziellen, und doch massentauglichen Sound, in die Öffentlichkeit tragen? 
Was die Beatles angeht, argumentieren Michael Hutter und Franz Kasper Krönig, machten sich diese die Sekundreibung in ihren Songs zunutze. Ausführlich wird das am „Yeah Yeah Yeah“-Refrain des Songs „She Loves You“ erläutert. Diese Reibung als Neuerung in der populären Musik ermöglichte den Beatles eine Abgrenzung zu anderen Bands ähnlicher Stile. 
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An diesem Punkt springen die Autoren der Studie nun zum Konsumverhalten der Jugendlichen in den 1960ern und stellen eine Verbindung zwischen eben jenem und der neuen Klangreibung her. „Die Klangform“, erklären sie, „bot eine qualitativ neue Strategie, um sich von der eigenen Familienkultur, gleichgültig welcher Provenienz, abzugrenzen.“ Und wie ließe es sich einfacher abgrenzen, als durch Konsumprodukte wie Kleidung oder Alltagsgegenstände? Es kam zum Zwang der Geschmacksentscheidung: John oder Paul, kurze oder lange Haare, Geha- oder Pelikan-Füller. Die Baby Boomer waren die erste Generation mit genügend Taschengeld, um die Selbstentfaltung anhand Konsums umzusetzen. Die Beatles als Popstars und Role Models agieren dabei als die Verknüpfung zwischen Musik- und Konsumprodukt. 

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Laura Patrizia Fleischer und Thomas Hecken messen den Beatles bezüglich ihrer Schlüsselrolle für die Neugestaltung der Jugendkultur eine immense Bedeutung bei. Und selbst wenn „die Alten“ diese neue Jugendkultur nicht gerne akzeptieren wollten, waren sie am Markt doch zu rentabel, um ignoriert zu werden. Diese Abgrenzung, die schon beim Rock’n’Roll wie auch später bei den Beatles und eben nun beim deutschen Gangsta-Rap die Eltern-Generation den kulturellen Niedergang fürchten lies, ist also vielleicht gar keine Rebellion, sonder viel mehr die Suche nach der Selbstfindung. Nun, wo Pop aber allgegenwärtig ist, reicht er nicht mehr zur Abgrenzung. Modus Mio füllt die Lücke. 

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Capital Bra wäre, laut Niko Hüls, mit seiner Mischung aus Rap und Pop auf eine Goldader gestoßen. Der Journalist lehnt sich sogar so weit aus dem Fenster, sie als die neue Schlagermusik zu bezeichnen. „Das ist locker, leicht, eingängig. Das ist der Grund, warum jedes Mädchen in der Mittelstufe irgendeiner deutschen Kleinstadt diese Songs von vorne bis hinten kennt.“
Die Jugendkultur als Solidargemeinschaft wird aber nun, ganz Millennial-esque, ins Netz verlagert. Capital lässt seine Bratans, Bratinas und Bratuhas an seinem Leben teilhaben, mimt gleichzeitig den toughen Guy und liebevollen Familienvater. Im Gegenzug wird er in den Kommentarspalten mit Liebe überhäuft. „Der Bratan bleibt der Gleiche❤Bist der Beste Rapper ❤Bleib so!!!!“, wechselt sich mit „Ich liebe dich ❤❤❤❤“ und „Inshallah dein hype bleibt für immer ❤❤“ ab. Gleichzeitig werden Insider-Witze gerissen, die Crowd grenzt sich sprachlich von Außenstehenden ab. Mit Lines wie „Wir geh’n trotzdem auf die Eins und trotzdem hol’n wir Gold (brraa)“ nimmt der Rapper alle seine Fans ins Boot und wertet seine Charterfolge als Belohnung der kollektiven Anstrengung. Seine Anhänger, Menschen, die sich vorab noch nie begegnet sind, bilden plötzlich eine Gemeinschaft. Capital Bra ist stark in den sozialen Medien vertreten, ein Influencer, dessen Produkt die Musik ist. Er beherrscht das Insta-Game, antwortet Fans persönlich auf deren Nachrichten, und schafft es auch so immer wieder in die relevanten Spotify-Playlisten

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Der Konsum an dieser Kultur sind die Klicks, Streams und Likes. Wer trotzdem seinen Geldbeutel erleichtern will, kommt mit Nike Hoodie und Hose dem Style seines Idols schon ziemlich nah. Das ultimative Markenzeichen des Berliner Rappers ist aber seine Gucci Cap. Schon 2017 verkündete er: „Bratan, ich trag’ nur noch Gucci.“ 2019 ging er dann auf große Gucciland-Tour. Keine Konsumprodukte, die sich die Mehrheit seiner Zielgruppe leisten könnte. Dennoch, der Style findet Anklang. 

Resonanz auf die Nische
Wo liegen sie nun, die Gemeinsamkeiten der Pilzköpfe und des Berliner Straßenrappers? „Popmusik und Popkultur verengen sich erneut auf eine Jugendkultur, die über eine genügend große Zahl an Leuten verfügt, um starke Präsenz im Straßenbild zu erzielen, über genügend Kaufkraft, um die Hot-100-Billboard-Charts zu dominieren,“ erklären Fleischer und Hecken über die Beatles. Gleiches ist auf Capital Bra übertragbar. Rap ist momentan gefragt. Seine Musik, und die seiner Kollegen, funktioniert über Instagram und Spotify. Orte, an die sich nur wenige Boomer trauen. Ist eine Nische gefunden, die bei der Jugend auf Resonanz stößt, kann sich der Erfolg in Form von Streams in einer früher nicht dagewesenen Geschwindigkeit einstellen. Es reichen kleine Nuancen zur Abgrenzung, ein Hauch von Dissonanz im Yeah, ein rollendes R. 

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