1993 erschien mit „Emergency On Planet Earth“ das Debütalbum der britischen Acid-Jazz-Band Jamiroquai. Eine explosive, energiegeladene und zudem tanzbare Mischung brachte dem Sänger Jay Kay und seiner Formation beachtliche Charterfolge ein, darunter Platz 1 im UK. Ganz entscheidend geprägt wurde der Sound von Jamiroquai damals durch das lebendige und melodische Spiel von Bassist Stuart Zender. Ein hervorragendes Beispiel für seinen Stil ist unser heutiger Kandidat „Too Young To Die“. Der Song ist enorm beliebt in der Bassszene und wird immer wieder im Unterricht oder Workshops angefragt. Die Bassline ist eine großartige Mischung aus einem luftig-melodischen Spiel und dichten Fingerstyle-Grooves. Auch 30 Jahre später lohnt sich hier also ein genauer Blick!
„Too Young To Die“ – Video
Hier das Originalvideo zur Single:
„Too Young To Die“ – Rhythmik
„A Hund is er scho“ würde man über Stuart Zender wohl im schönen Bayern sagen. Der Vergleich mit dem Tierreich bedeutet in diesem Fall so viel wie „cleverer Bursche“. Der Vers des Songs besteht aus einer sechs Takte langen Form, welche mehrfach wiederholt wird. Der erste Takt ist sehr pulsorientiert – Stuart belegt hier die Zählzeiten 1, 2 und 3.
Im zweiten Takt nimmt er ein sehr ähnliches rhythmisches Motiv und zieht dieses auf die 4+ des ersten Taktes vor. Somit werden die beiden schweren Zählzeiten des zweiten Tag des antizipiert, nämlich einmal um eine Achtel und einmal um eine Sechzehntel. Dadurch, dass die Melodik des Motivs gleich bleibt und sich nur die rhythmische Platzierung ändert, entsteht ein äußerst interessanter Effekt. In den beiden nächsten Takten wird dies genauso wiederholt. Takt fünf und sechs sind dann straighter und führen zum Anfang der nächsten Wiederholung zurück.
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Im Chorus bekommen wir es dann mit jeder Menge Synkopen – also Akzenten neben den Pulsschlägen – zu tun. Nur die Zählzeiten 1 und 2 spielt Stuart, die restliche Zeit befindet er sich zwischen den Viertelschlägen. Vor allem die zweite und vierte Sechzehntel einer Zählzeit sind hierbei seine erklärten Favoriten. Insgesamt ist das Tempo (ca. 102 bpm) im Vergleich zu manch anderen Songs von Jamiroquai aber noch relativ entspannt, mit etwas Übung sollte man also auch diesen Part meistern können.
„Too Young To Die“ – Tonmaterial
Das harmonische Geschehen vieler Songs von Jamiroquai ist stark vom Jazz geprägt. Daher geht es in dieser Abteilung deutlich abwechslungsreicher zu als in so manchen Popsong. „Too Young To Die“ bildet hier keine Ausnahme: Der Song steht grundsätzlich in der Tonart C-Moll, aber bereits im Vers kommen mit den Akkorden F7 und G7 zwei so genannte „Sekundärdominanten“ vor. Dabei wird aus einem eigentlichen Moll-Stufenakkord ein Dominantseptakkord gemacht, um eine bessere Leitton-Wirkung zu erzielen.
Die Melodie der Bassline basiert auf der C-Moll-Pentatonik. Ergänzt wird diese um chromatische Leittöne sowie am Ende der sechstaktigen Phrase um Grundton, Quinte und Oktave des jeweiligen Akkordes.
Im Chorus wird aber auch noch einer draufgesetzt! Neben C-Moll kommen hier die Akkorde Dbsus2 (Db, Eb, Ab, Cb) Absus2 (Ab, Bb, Eb, Gb) und Dbmaj7 (Db, F, Ab, C) vor. Hier finden wir doch so einige Töne, die ursprünglich nicht aus C-Moll stammen. Stuart setzt hier hauptsächlich auf Grundton, Quinte und Oktave sowie optional auf die Septime der Akkorde.
„Too Young To Die“ – Spieltechnik und Basssound
Welchen Bass Stuart genau auf „Too Young To Die“ verwendet hat, vermag ich natürlich nicht ganz genau zu sagen. Der einflussreiche Bassist wurde aber zu dieser Zeit häufig mit verschiedenen Bassmodellen aus dem Hause Warwick mit PJ-Tonabnehmer-Konfiguration gesehen. Müsste ich orakeln, so würde ich hier wohl auf einen Warwick Streamer tippen, zumal ich auch einen Bass mit aktiver Klangregelung vermute.
Wichtiger als ein konkretes Modell ist aber vor allem der grundlegende klangliche Charakter. Insgesamt besitzt Stuarts Sound sehr prägnante Mitten und sitzt dadurch sehr direkt und präsent im Mix. Im Vers hört man neben den besagten Mitten noch verdächtig sattes Low End. An manchen Stellen habe ich fast Eindruck, als wäre noch ein wenig Octaver mit im Spiel.
Sehr nahe kommt man diesem Ergebnis mit nahezu jedem Bass, der die entsprechenden Mitten zu liefern vermag: Aktive PJ-Bässe, Bässe mit Humbucker in der Stegposition, Bässe mit zwei Soapbars etc. sollten den Job wunderbar erledigen. Der Rest der Signalkette klingt für mich eher nach hochwertigem Studio-Equipment (Preamp, Kompressor etc.) als nach einem Amp mit Box und Mikrofon.
„Too Young To Die“ – Transkription
Der Song lebt von den unterschiedlichen Tonlängen, die sich selten exakt in einer Transkription festhalten lassen. Daher bitte den Song unbedingt zuerst mehrfach anhören und über die Ohren lernen!
Viel Spaß und bis zum nächsten mal, euer Thomas Meinlschmidt