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Alesis Vortex Test

Praxis

Genug der Theorie, ich will rocken! Live is life! Also flugs den Gurt drangefriemelt und das Vortex umgeschnallt. Das Keyboard liegt gut in der Hand und ist mit knapp 3 kg leichter als die meisten E-Gitarren. Das Gehäuse ist nicht aus dem hochwertigsten Kunststoff, das heißt – um es diplomatisch auszudrücken – man hat auch schon besser verarbeitete Keyboards gesehen. Das ist wohl ein Kompromiss, um das geringe Gewicht zu erreichen; wer möchte sich schon einen Zehn-Kilo-Trumm um den Hals hängen. Hier ist Leichtbauweise angesagt, und das ist auch gut so. Die Taster und Pads fühlen sich trotzdem ganz gut an, und auch die Drehregler wirken nicht so, als brächen sie sofort ab, wenn man im Eifer des Gefechts mal gegen den Gitarrenamp rennt. Auf den ersten Blick erscheint mir das Keyboard also durchaus stabil genug zu sein. Was das Vortex in der Praxis aushält, kann aber nur ein Langzeittest zeigen. Wünschenswert wäre allerdings ein maßgeschneiderter Koffer oder ein Gigbag, denn es dürfte bei diesem extravaganten Formfaktor schwierig sein, das Passende “von der Stange” zu bekommen.
Das mitgelieferte Kabel ist zwar recht lang, nervt aber beim Herumlaufen trotzdem. Eine USB-Leitung ist halt sperriger und unflexibler als ein Klinken- oder Midikabel und fliegt auch leichter mal heraus. Im ungünstigsten Fall reißt man den Laptop vom Tisch, wenn man auf das Kabel tritt. Wer sich wirklich frei bewegen möchte könnte daher versucht sein, das Vortex mit Batterien zu betreiben und sich nach einer drahtlosen MIDI-Lösung umzusehen. Was einige preiswerte konventionelle Controllerkeyboards aus Fernost bereits bieten – nämlich die eingebaute kabellose MIDI-Schnittstelle – wäre hier tatsächlich von Nutzen und wird schmerzlich vermisst. Am konsequentesten wäre es gewesen, wenn Alesis gleich eine WLAN-Antenne eingebaut hätte. Aber ganz so weit geht es dann wohl doch noch nicht…
(Update: Alesis hat hier nachgelegt und das neue Vortex Wireless mit einer kabellosen Schnittstelle ausgerüstet.)
Die Tastatur ist nichts Besonderes, lässt sich aber gut spielen. In erster Linie wird man ja Lead-Sounds, ein paar Chords und vielleicht Bässe auf dem Vortex spielen, und dafür reicht sie vollkommen aus. Dass die Tasten etwas klappern, stört auf der Bühne nicht wirklich. Die Anschlagdynamik lässt sich mit den acht angebotenen Velocitykurven erfreulich detailliert einstellen. Das ist besonders wichtig, weil man eine grundsätzlich andere Spielhaltung einnimmt als an einem horizontalen Keyboard, was sich auch auf den persönlichen Anschlag auswirkt. Leider lässt sich der Aftertouch nicht deaktivieren und spricht auch ziemlich schnell an. Gerade, wenn man so richtig am Rocken ist und in die Tasten haut, fabriziert man ständig einen ganzen Haufen vielleicht unnötiger Aftertouchdaten, was die MIDI-Leitung verstopft. Hier hätte ich mir gewünscht, den Aftertouch einfach abschalten zu können, wenn man ihn nicht braucht.

Die Triggerpads lassen sich flexibel einsetzen
Die Triggerpads lassen sich flexibel einsetzen

Für die Triggerpads sind ebenfalls acht Velocitykurven verfügbar. Vor allem zum Triggern von Samples dürfte hier auch häufig der wählbare feste Velocitywert zum Einsatz kommen. Außer MIDI-Noten können die Pads auch Programmwechselbefehle und Controllerdaten senden. Modus und MIDI-Kanal lassen sich für jedes Pad getrennt einstellen, was sehr flexible Konfigurationen erlaubt. Für das Senden von CC-Befehlen gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten: Entweder definiert man für das Drücken und das Loslassen zwei verschiedene Controllerwerte (Momentary), oder das Pad schaltet bei jedem Druck zwischen zwei zuvor eingestellen Werten um (Toggle). So kann man die Pads auch benutzen, um zwischen verschiedenen Sound- oder Effekteinstellungen hin und her zu wechseln. Praktisch!
Die Controller am Hals des Keyboards sind ergonomisch günstig angeordnet und gut zu bedienen. Vor allem der Ribboncontroller lädt zum ausgiebigen Modulieren ein und taugt wegen der drei auf Knopfdruck verfügbaren Einstellungen zur Steuerung gleich mehrerer Soundfacetten. Das Sustain nicht wie gewohnt mit dem Fuß, sondern mit einem Fingerdruck zu betätigen, ist anfangs recht gewöhnungsbedürftig – so ungefähr muss sich ein Auto mit Handgas anfühlen. Aber nach einer gewissen Eingewöhnungsphase kommt man gut damit klar, und wirklich häufig braucht man das Sustain beim Solieren ja sowieso nicht. Das Pitchrad wird mit dem Daumen bedient, was sich in der Praxis als gute Lösung erweist. So kann es völlig unabhängig vom Ribboncontroller benutzt werden und die Ausdrucksmöglichkeiten sind sehr vielseitig.
Der einzige Kritikpunkt, den ich am Layout des Vortex habe, ist die Platzierung der drei programmierbaren Drehregler. Wenn man sich nicht völlig bescheuert verrenken möchte, kommt man mit der linken Hand nicht heran. Das wäre auf der Bühne sicherlich für den einen oder anderen Lacher gut. De facto kann man die Potis nur mit der rechten, also der Spielhand bedienen. Dadurch beschränkt sich ihr Nutzen auf das zwischenzeitliche Justieren, während man gerade nicht spielt. Besser wäre eine Platzierung an der Gehäusekante links des Displays gewesen, eventuell etwas angeschrägt, sodass man sie mit beiden Händen erreichen könnte.
Das aufregendste Feature des Alesis Vortex ist sicherlich der Beschleunigungssensor. Dieser registriert ein Kippen bzw. Hochziehen des Halses und sendet daraufhin einstellbare CC-, Pitchbend- oder Aftertouchbefehle. Ich habe ein kleines Video gedreht, in dem ihr den Sensor in Aktion seht:

Der Sensor sollte vorher einmalig entsprechend dem persönlichen Bewegungsdrang kalibriert werden. Dabei definiert man die Minimalstellung und das Maximum, damit das Vortex den aktiven “Kipp-Bereich” kennt.
In der Praxis funktioniert der Beschleunigungssensor erstaunlich gut, wenn man das Keyboard nicht zu schnell in die Höhe reißt. Bei sehr abrupten Bewegungen “stolpern” die Werte etwas, vor allem beim versehentlichen Überschreiten der eingestellten maximalen Auslenkung. Deshalb eignet er sich vor allem zur Steuerung von Dingen wie z.B. Vibrato oder der Filter-LFO-Depth, wo die Hänger nicht so sehr auffallen. So hört es sich an, wenn man den Pitch- oder den Filter-LFO per Beschleunigungssensor steuert – jeweils langsam und schnell.

Audio Samples
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LFO-Depth via Beschleunigungssensor

Versucht man hingegen, Pitchbend-Befehle via Bewegungssensor zu senden, werden die Einschränkungen deutlich. Erstens kennt der Sensor nur eine Richtung – nach oben. Eine Mittelstellung gibt es nicht. Dadurch ist in der Praxis nur ein Benden nach oben oder unten möglich, je nach Programmierung. Außerdem fällt die etwas wackelige Ansprache bei schnellen Bewegungen mit Pitchbend-Daten einfach stärker auf – vor allem bei großen Pitch-Bereichen. Im nächsten Audiobeispiel hört ihr, wie der Sensor sich beim Benden schlägt, einmal mit zwei Halbtönen Pitch-Range und einmal mit zwölf, jeweils langsam und schnell.

Audio Samples
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Pitchbend via Beschleunigungssensor

Trotz dieser kleinen Einschränkungen ist der Beschleunigungssensor natürlich eine tolle Sache, die auf der Bühne eine Menge hermacht. Man kann tatsächlich in den Sound eingreifen, indem man das Keyboard durch die Luft wirbelt. Verschärft!
Nicht nur die Ergonomie des Vortex ist insgesamt gelungen, auch die Bedienung und Programmierung sind logisch und leicht zu erlernen. Bis zu 24 Konfigurationen von Controllern, Keyboard und Pads lassen sich in drei Bänken zu je acht Presets speichern. Das Aufrufen der Presets erfolgt nicht etwa per Value-Rad oder Plus-/Minus-Tastern, sondern sehr live-tauglich durch einen kurzen Druck auf den Patch-Select-Taster und das anschließende Antippen eines der Pads. Das ist enorm bühnenfreundlich! Auf diese Weise hat man die verschiedenen Konfigurationen in sehr direktem Zugriff. Um ein Preset zu editieren, ruft man mit einem Tastendruck den Edit-Modus auf. Danach betätigt man den Controller, den man bearbeiten möchte, und kann anschließend die nötigen Einstellungen mittels der drei Drehregler und bestimmter Tasten der Klaviatur vornehmen. Hat man diesen Vorgang einmal verinnerlicht, was am Anfang zugegebenermaßen einige Blicke ins kurze, aber aufschlussreiche Handbuch erfordert, kann man sehr schnell damit arbeiten. Sicherlich würde ein umfangreicheres Display die Handhabung noch vereinfachen, aber auch so kommt man schnell zum Ziel und kann sich unkompliziert seine eigenen Controllersetups basteln.

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Bieter Dohlen sagt:

#1 - 18.01.2013 um 19:30 Uhr

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