Keytars bringen Keyboarder auf der Bühne ganz nach vorne. Wir streifen die Historie der Keytars und stellen aktuelle Produkte vor.

Keyboarder stehen selten im Rampenlicht. Oft verschanzen sie sich hinter ihren Technik-Burgen im Rücken von Gitarristen und Frontsängern. Mit einem Umhängekeyboard ändert sich das klassische Szenario drastisch. Sich beim Solo als Rampensau direkt vor dem Publikum feiern lassen – das geht.
Der Begriff Keytar ist eine Kreuzung aus den beiden englischen Begriffen Keyboard und Guitar. Dieses Remote- oder Umhängekeyboard findet leider nicht so oft die verdiente Beachtung. Idealerweise wirkt das Keytar wie ein Medikament gegen mangelndes Selbstbewusstsein auf der Bühne. Mit einem solchen mobilen Synthesizer lässt sich performen, wie es einst Jan Hammer, Herbie Hancock oder Thomas Anders taten. Auch neuartige Spielkonzepte und eigene Wege lassen sich entwickeln und verfolgen. An den technischen Mitteln scheitert es heute wirklich nicht.
Kurze Historie
Die Anfänge
Keytars gibt es schon relativ lange. Die Geschichte der elektronischen Keyboards zum Umschnallen beginnt in den 1980er Jahren. Während der Hochzeit des Minimoog in den 1970ern bitten einige visionäre Musiker den Synthesizer-Pionier Bob Moog flehentlich um eine praktische Lösung zur freien Selbstdarstellung auf der Bühne. Um 1980 erscheint der Moog Liberation. Er fasst den Wunsch in Worte: Liberation, die Freiheit. Dieses Instrument lässt sich zwar polyphon spielen, ist aber klanglich limitiert. Ein wenig später folgen der analoge Roland SH-101 und darauf der Korg Poly-800 als bezahlbare Standardsynthesizer, die sich nachträglich mit Gurthaltern ausstatten lassen. Wie beim Moog Liberation ist die Klangpalette an Analog-Synthklängen nicht besonders variantenreich.
Neue Produkte – mehr Möglichkeiten
Das ändert sich bald. Mit dem Aufkommen der MIDI-Norm gewinnen Keytars an Popularität, da sie jetzt Soundmodule, Sampler und andere beliebige Klangquellen per MIDI ansteuern können. Natürlich reagieren die drei großen japanischen Hersteller und stellen erstmals MIDI-Controller-Keyboards zum Umhängen vor. Yamaha präsentiert das KX-1 und dessen leichteren Bruder KX-5 mit einem klaren Werbeslogan „Der Keyboarder als Frontmann“. George Kochbeck wird zu einem bekannten Keytar-Protagonisten und tritt als Sänger und DX-Bass-Keyboarder in Personalunion auf, so auch 1983 bei einer Promotour für Yamaha. Er nennt den KX-1 liebevoll „Staubsauger“, den er schwarz lackiert noch in einigen Bands in der Rolle des Bassisten spielt.
Korg bringt das RK-100 (RK = Remote Keyboard) und Roland debütiert mit dem Axis im Marktsegment der Keytars. Die Faszination fürs Live-Spiel mit Keytars, wie auch das gesamte Angebot an MIDI-Masterkeyboards lassen ab den 1990er Jahren für eine gute Dekade nach.
Im Jahr 2009 überraschte Roland mit einer Neuauflage des klassischen Umhänge-Keyboards: Der AX-Synth integriert nun eine sehr flexible Klangerzeugung á la Synthesizer-Workstation. Jetzt sind alle möglichen Parts wie E-Piano-Akkorde, Synthbässe, Streicherlinien und natürlich weiterhin packende Solopassagen realisierbar. Seitdem ist das Angebot bis heute spannend geblieben. Es umfasst sowohl Controller-Keyboards ohne Tonerzeugung als auch Synthesizer zum Umhängen. In der engeren Wahl stehen vier Produkte von ebenso vielen Herstellern: Roland, Korg, Yamaha, Alesis.

Sieben bekannte Keytar-Performer
Herbie Hancock
Selbst mit seinen über 80 Jahren macht die lebende Legende Herbie Hancock live eine gute Figur beim Solieren am Roland-Keytar.
Chick Corea
In seiner „Electric Band“ griff der 2020 verstorbene, virtuose Jazz-Performer Chick Corea immer wieder gern zum Yamaha-Keytar.
Jan Hammer
Seinen bekannten Soundtrack „Crockett’s Theme“ (Miami Vice II) präsentiert der in Prag geborene Jan Hammer am Keytar.
Jean Michel Jarre
Jean Michel Jarre muss ein Nostalgiker sein. Lange nach der Jahrtausendwende hält er immer noch am Moog Liberation fest.
Thomas Dolby
Thomas Dolby setzt sich bei einem Auftritt zusammen mit Roger Waters im Jahr 1990 mit einem Casio-Keytar in Szene.
Lady Gaga
Bei der US-Popsängerin Lady Gaga, berühmt für provokante Outfits, darf ein Keytar natürlich bei keiner Tour fehlen.
Thomas Anders
Ein Blickfang bei der Show von Modern Talking ist das von Thomas Anders getragene Keytar – ein prominenter Vertreter des 80’s Pop.
Vier moderne Keytars die heute erhältlich sind
(in alphabetischer Reihenfolge)
Alesis Vortex Wireless 2
Günstig und schick ist das Alesis Vortex Wireless 2. Die ohne eigene Klangerzeugung arbeitende Alesis-Keytar kommt vor allem Keyboardern entgegen, die sowieso mit einem Laptop auf der Bühne musizieren wollen. Dazu gibt es ein Software-Paket bestehend aus fünf Plugins plus Ableton Live Lite. Damit findet sich eine gute Gelegenheit, verschiedene Sounds mit dem Beschleunigungssensor des Vortex Wireless 2 zu erforschen.

Korg RK-100S 2
Einen Klassiker aktualisiert Korg mit dem RK-100S 2 in Rot oder Schwarz. Das Keytar mit 37 Minitasten und zwei Ribbon-Controllern verfügt über eine achtstimmige Klangerzeugung bei 200 Presets. Hervorheben muss man die verschiedenen Spielmodi (Layer, Split, Multi) sowie der 16-Band-Vocoder, der singende Keyboarder unterstützt. Eine kompakte Alternative zum Roland AX-Edge.
Korg RK-100S 2 (rot) | Produktseite auf thomann.de |
Korg RK-100S 2 (black) | Produktseite auf thomann.de |

Roland AX-Edge
Das Roland AX-Edge in den Farben Schwarz oder Weiß bringt 49 Tasten normaler Größe und Aftertouch. Mit der 256-stimmigen Tonerzeugung plus einem umfangreichen Effektsystem stehen zahlreiche Presetklänge für den Keytar-Performer bereit. Sinnvolle Extras sind der Vocoder und das Audio-Playback. Die Länge der Keytar mit ca. 125 cm passt optisch nicht zu jedem Keyboarder perfekt. Hier hilft ausprobieren!
Roland AX-Edge black | Produktseite auf thomann.de |
Roland AX-Edge white | Produktseite auf thomann.de |

Yamaha Sonogenic SHS-500
Modisch, leicht und klein ist die Miniatur-Keytar von Yamaha. Das Sonogenic SHS-500 ist ein Bluetooth-MIDI-Keyboard mit integrierter Soundkarte und einem GM-Klangmodul. Die „Chord Tracker“-App anmimiert zum Jammen mit Playbacks. Dadurch ist das Sonogenic SHS-500 eher ein Fun-Paket für den privaten Spaß.

Der Klang von Keytars
Wer auf der Bühne spielt, benötigt einen möglichst guten und vor allem durchsetzungsfähigen Sound. Zur Standard-Ausstattung zählen Polysynths, Leads, Pads und auch Bässe. Letztere kommen zum Einsatz, wenn das Song-Arrangement mit einem Bass im Minimoog-Style mehr überzeugt als ein E-Bass. Genau solche Presets sind beim Korg RK-100S 2 sehr präsent. Spielen wir zehn der werkseitigen Klänge einmal kurz an.
Die Factory Presets können noch mehr aufs eigene Spielgefühl und den klanglichen Vorlieben angepasst werden. Korg spendiert dazu eine kostenfreie Editor-Software für PC/Mac, die ein Soundprogramming bis ins Detail unterstützt. Dieses Programm ist alleine schon zum Sortieren der Klänge sehr praktisch.
Zum Schluss
Keytars sind verlockend. Wer mehr Bewegung und szenische Aktionen in seine Live-Performance bringen möchte, erhält mit einem Umhängekeyboard ein probates Ausdrucksmittel inklusive Pitchbending und Modulation. Dies gilt nicht allein für Tastenvirtuosen. Auch Livemusiker und Sänger erhalten mit einer Keytar ein publikumswirksamesn Zweitinstrument. Drahtlose MIDI-Audio-Verbindungen erlauben den Drang nach Freiheit auf der Bühne ungeniert. Das Angebot an mobilen Keyboards sollte also unbedingt mehr beachtet werden. Es finden sich heute einige ausgereifte Produkte, die nicht wirklich teuer sind und sicherlich künftige Live-Performances attraktiver machen.