Mit ihrem neuen Album „Before the Dinosaurs“ vollzieht die dänische Singer/Songwriterin Aura Dione einen Stilwechsel. Bekannt geworden war sie vor einigen Jahren mit eingängigen Popsongs wie „Song for Sophie (I hope she flies)“ und „I will love you Monday“. Die aktuelle Single „Geronimo“ klingt dagegen deutlich elektronischer und tanzbarer, und nähert sich stilistisch etwas an den aktuellen Dance-Pop-Mainstream an. Durch die mantraartig wiederholte Hook „Gigi – jojo – ohlala – mmh – let’s go Geronimo!“ hat der Song einen hohen Wiedererkennungswert, der ihn direkt an die Spitze der Charts hob und in Dänemark sogar Platin holte.
„Geronimo“ ist eine Dance-Pop-Nummer im gemäßigten Tempo von 117bpm. Produziert wurde der Song vom Team um David Jost, der unter anderem für die Hits von Tokio Hotel mitverantwortlich ist. Bei genauerem Hinhören ist der Titel trotz des dichten Arrangements überraschend einfach gestrickt. Wir sehen uns das mal genauer an und bauen es in den Grundzügen nach.
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Strophen
„Geronimo“ beginnt gleich mit der markanten Vocal-Hookline. Dadurch ist sichergestellt, dass der Song im Radio sofort erkannt wird und die Hörer quasi gleich zu Beginn „abholt“.
Die sich daran anschließende erste Strophe ist sehr sparsam instrumentiert. Drums sind hier noch nicht im Spiel. Stattdessen kommt der Groove von einem Gitarrenlick, das durch Stutter-Editing moderner und interessanter gemacht wurde. Ich habe zu Workshopzwecken ausnahmsweise nochmal auf das eigentlich ziemlich angestaubte Software-Instrument „Virtual Guitarist 2“ von Steinberg zurückgegriffen. Veröffentlichen könnte man das so natürlich nicht – da wäre schon eine Aufnahmesession mit einem Gitarristen nötig… Aber die Bearbeitung funktioniert natürlich genauso. Die unbearbeitete Spur aus dem Virtual Guitarist klingt erstmal so:
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Gitarre 1
Wir nehmen noch eine zweite Instanz des Instruments mit etwas anderen Einstellungen hinzu, um einen dichteren Sound zu erhalten:
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Gitarre gedoppelt
Das klingt so natürlich noch sehr altbacken (von der mechanischen Anmutung des Virtual Guitarist mal ganz zu schweigen). Deshalb wandeln wir die beiden Spuren gleich mal in Audiospuren um und fügen sie anstelle der Software-Instrument-Spuren ins Arrangement ein. Nun können wir nach Lust und Laune darin herumschneiden und die einprägsamen Stutter-Effekte erzeugen.
Dazu suchen wir uns einzelne Stellen heraus, die wir herausschneiden und in einem Sechzehntel-Rhythmus hintereinander kopieren. Das muss gar nicht immer der Saitenanschlag selbst sein; auch ein Schnipsel mitten aus einem Akkord heraus kann sehr wirkungsvoll sein. Für den Groove kommt es auch darauf an, wie lang man die einzelnen Schnipsel belässt. Ich habe den Audio-Regionen am Ende jeweils einen ganz kurzen Fade-Out gegeben, damit das sonst entstehende Knacksen nicht den Groove stört. Am Anfang kann ein Knacken bei solchen Bearbeitungen mitunter auch unterstützend wirken – das muss man ausprobieren. Und das Ergebnis hört sich so an:
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Gitarre editiert
Hinzu kommt eine glockenartige Synth-Figur, die ich aus zwei Elementen zusammengesetzt habe.
Den Anfang macht der Freeware-Synth „TAL NOIzE M4K3R“ mit einem Glockensound. Ausnahmsweise fand ich hier den integrierten Hall des Synths ganz passend, und habe ihn deshalb angelassen. Normalerweise würde ich eher auf ein externes Hall-PlugIn zurückgreifen.
Bells
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Bells
Den Synth unterstützen wir mit einem simplen Rhodes-Sound, um ihm noch etwas Körper zu verleihen. Dafür kommt ein Preset aus dem Kontakt-Instrument „Scarbee Mark I“ zum Einsatz.
Rhodes
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Rhodes
Miteinander kombiniert klingen die beiden Sounds so:
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Bells komplett
Im letzten Takt der Strophe, wo die Gitarre vollständig auf Sechzehntel zusammengeschnitten ist, muss diese Figur abrupt aussetzen. Auch dabei kommt uns zugute, dass wir den internen Hall der Instrumente verwenden, denn so können wir das mit einer simplen Mute-Automation bewerkstelligen. Verwendete man einen Hall auf einem Aux-Weg, müsste man ihn separat muten.
Die zweite Strophe ist mit der ersten weitestgehend identisch. Der Rhodes-Sound spielt jedoch noch einige leise Akkorde dazu, die den Klang etwas voller machen.
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Bridge
Die Strophe mündet in eine Bridge (oder wahlweise einen Pre-Chorus), der die Überleitung zum eigentlichen Refrain schafft. Trotzdem taucht schon hier die prägnante Hookline wieder auf. Auch die Bridge ist sparsam instrumentiert:
Die Gitarren wechseln zu einem geschlagenen Pattern, das auch nicht weiter durch Stutter-Bearbeitungen oder ähnliches verunstaltet wird. Sie werden ergänzt durch eine leise gemischte (!) Mandoline, die den Klang nach oben hin abrundet. Im Break zum Refrain hin werden die Gitarren ähnlich rabiat abgeschnitten wie die Glockenfigur in der Strophe.
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Mandoline
Die Gitarren und die Mandoline habe ich zusätzlich per Aux-Send abgezweigt und auf einem Bus mit einem mittenlastigen EQ und einem Flanger bearbeitet. Dieses Signal wird leise hinzugemischt, um den Klang voller und etwas schwebend zu machen.
Gitarre Flanger
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Gitarre Flanger
Nun brauchen wir nur noch eine relativ harte Dance-Kickdrum. Das Sample kommt dem gewünschten Sound in diesem Fall ziemlich nahe, so dass ich diesmal darauf verzichtet habe, die Bassdrum aus mehreren Komponenten zusammenzusetzen:
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Kickdrum
Der Übergang zum Refrain wird von einem Bend-Sound markiert, den wir aus einem Sample einer lang ausklingenden TR-808-Kick erzeugen können. Das Ausgangssample klingt so:
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Ausgangsmaterial Bend
Hieraus habe ich ein Samplerprogramm gebaut, das nach oben und unten 12 Halbtöne Pitch-Bend-Bereich hat. Nun können wir mit Logics Hyperdraw-Funktion eine Pitchbend-Kurve einzeichnen, die für das Abfallen der Tonhöhe verantwortlich ist.
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Bend trocken
Der Sound bekommt jetzt noch einen Kompressor, der den Attack stark abschwächt, sowie einen EQ, der den Tiefbassbereich abschneidet. Außerdem durchläuft er noch einen Bitcrusher-Effekt, der den Sound etwas anzerrt.
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Bend fertig
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Refrain
Im Refrain wird die Kickdrum durch ein Percussion-Pattern ergänzt, das etwas an den Karneval in Rio erinnert. Weitere Drums gibt es nicht, wodurch „Geronimo“ dem Trend folgt, von der klassischen Bassdrum-Snare-Hihat-Kombination Abstand zu nehmen.
Wir beginnen mit verschiedenen Sounds aus einer Samba-Sample-Library. Wenn man passende findet, kann man natürlich auch sehr gut mit Loops arbeiten. In der zweiten Hälfte des Soundbeispiels kommen weitere Sounds hinzu, die den Backbeat markieren.
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Rio-Trommeln
Das Pattern doppeln wir noch mit Toms aus der Library „East West Quantum Leap Stormdrum SD2“, deren mitgebrachten Hall wir mit einem Kompressor bewusst etwas unnatürlich hervorheben.
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Toms
Die Samba-Trommeln und die Toms durchlaufen nun einen gemeinsamen Bus, auf dem noch ein EQ und ein Kompressor zu Werke gehen. Der EQ senkt den Tiefbass ab und reduziert verschiedene andere Frequenzbereiche, in denen sich die dichten Trommeln ansonsten mit anderen Elementen in die Quere kämen. Stattdessen bekommen sie einen kleinen Boost im „Blech-Bereich“ um die 1,5kHz. Diesen Frequenzbereich habe ich bei fast allen anderen Elementen im Gegenzug abgesenkt.
Der Kompressor dient in erster Linie dazu, die Sounds zusammenzukleben und ihnen Druck zu verleihen.
Zusätzlich bekommt das gesamte Pattern ein leichtes Sechzehntel-Delay, was noch etwas offene Räumlichkeit erzeugt.
Im Klangbeispiel kommen die Effekte ab der Hälfte hinzu.
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Percussion fertig
Das war’s mit Drums. Und auch mit dem Bass halten wir uns nicht lange auf. Es handelt sich um einen simplen Sub-Bass, der nur ein Fundament legt. Hierfür greifen wir auf den Freeware-Synth „TAL U-NO-62“ zurück.
Mit einem psychoakustischen PlugIn, das zusätzliche Obertöne erzeugt, können wir den Basseindruck auf kleinen Boxen verbessern. Gerade bei obertonarmen Sub-Bässen ist das oft ein probates Mittel. Und damit sich der Bass nicht mit der Kickdrum streitet, ist auch hier natürlich wieder ein Sidechain-Kompressor im Einsatz.
Bass
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Kommen wir nun zur harmonischen Abteilung. Die Gitarren laufen unverändert weiter. Hinzu kommen nun noch zwei Flächensounds und ein unauffälliges Synth-Akkordpattern.
Für die erste Fläche habe ich den Logic-Synth ES2 genommen:
Pad 1
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Pad 1
Und die zweite, höhere Fläche entstammt der Kontakt-Library „Retro Machines MK2“. Es handelt sich um ein Sample eines Oberheim Matrix.
Pad 2
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Pad 2
Die beiden Flächen durchlaufen einen gemeinsamen Bus, auf dem ein EQ die matschigen Frequenzen absenkt. Außerdem darf ein leichter Chorus die Sounds noch etwas aufpäppeln. Auch die Flächen erhalten einen Sidechain-Kompressor, um sie etwas im Groove pumpen zu lassen. Die Kombination aus beiden Pad-Sounds klingt so:
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Pads fertig
Das letzte Element, das wir jetzt noch brauchen, ist ein kleines Synth-Akkordpattern. Es tritt nicht wirklich hervor, unterstützt jedoch den Gesamtsound mit zusätzlicher Dichte und subtilem Groove.
Hierfür habe ich auch die Retro Machines genommen. Sie verfügen über einen Step-Sequenzer/Arpeggiator, in dem jedem Step eine von 8 verschiedenen Panel-Einstellungen zugewiesen werden kann. So lassen sich lebendige Patterns kreieren. Außerdem hat die Kontakt-Library eine Akkordautomatik, durch die sie fast wie eine Einfinger-Begleitautomatik funktionieren kann. Beides kommt hier zum Einsatz. Zum Schluss bekommt der Sound noch ein kleines Stereo-Delay.
Damit haben wir alle Elemente beisammen, die wir brauchen, um den Hit von Aura Dione nachzubauen. Später passiert nämlich nicht mehr viel. Ich hoffe, es hat euch auch diesmal wieder Spaß gemacht, und wünsche euch allen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch! Bis zum nächsten Mal, denn auch im neuen Jahr werden wir weiter aktuelle Produktionen unter die Lupe nehmen.
Gut gemacht wie ich finde! Ich persönlich finde es nur immer wieder erschreckend, wie einfach Popmusik doch ist. Ich meine, natürlich ist es eine Kunst, Musik so zu schreiben, dass die Menschen darauf abfahren. Aber genau hier sehe ich auch irgendwie die Problematik: Warum sind die Menschen so "anspruchslos" was Musik angeht?Nochmals: Gut gemacht! Das soll beim besten Willen keine Kritik an deiner Arbeit sein!
Sehr guter Workshop! Meiner Meinung nach sind gerade simpel gestrickte Songs die Besten. Sie sind viel leichter zu merken und eben auch nachzuspielen, oder eben nachzuproduzieren. Mit einem Freund hab ichs ausprobiert und die Einfachheit vermittelte Spaß. Auch von mir: Sehr gut gemacht! Weiter so! Ich warte immer wieder gespannt auf den neuesten Workshop :)
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Kaepten Hero sagt:
#1 - 28.12.2011 um 13:04 Uhr
Gut gemacht wie ich finde!
Ich persönlich finde es nur immer wieder erschreckend, wie einfach Popmusik doch ist. Ich meine, natürlich ist es eine Kunst, Musik so zu schreiben, dass die Menschen darauf abfahren. Aber genau hier sehe ich auch irgendwie die Problematik: Warum sind die Menschen so "anspruchslos" was Musik angeht?Nochmals: Gut gemacht! Das soll beim besten Willen keine Kritik an deiner Arbeit sein!
Das Thomas sagt:
#2 - 07.01.2012 um 20:39 Uhr
Sehr guter Workshop! Meiner Meinung nach sind gerade simpel gestrickte Songs die Besten. Sie sind viel leichter zu merken und eben auch nachzuspielen, oder eben nachzuproduzieren. Mit einem Freund hab ichs ausprobiert und die Einfachheit vermittelte Spaß.
Auch von mir: Sehr gut gemacht! Weiter so! Ich warte immer wieder gespannt auf den neuesten Workshop :)