Tabuzone FOH-Platz: Kein Terrain für Unbefugte

Komplexe Systeme zwischen Technik und Akustik verlangen nach Einstellungen mit hochgradiger Fachkompetenz. Wer wüsste das besser als der verantwortliche FOH-Mann. Vor lauter Innovationen am Markt und vermeintlicher Kreativität der immer neuen Bands, könnte der schon mal ins Schwanken seiner Fähigkeiten kommen. Tut er aber nicht. Er weiß genau, was Sache ist. Stück für Stück arbeitet er sich in seinen Einstellungen voran. Umso chaotischer, wenn Besserwisser ihm plötzlich die Suppe versalzen wollen.

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Inhalte
  1. Arbeitsatmosphäre durch Körpersprache sichern
  2. Zeitfaktor und Timing einkalkulieren
  3. Abschotten gegen möchtegernwichtige Finger und Co.
  4. Arbeitsplatzplanung am FOH
  5. Verpackung ist die halbe Miete
  6. Mobile-Komponenten sperren
  7. Übermotivierte Kollegen

In der Szene ist die Rede von einem „organischen Ablaufplan“ für den Auf- und Abbau von Licht- und Tontechnik. Organisatorische Vorgaben, die einen reibungslosen und gesicherten Workflow bei eng getakteten Zeitfenstern und gestrafftem Zeitmanagement gewährleisten sollen. Klingt hochtrabend kompliziert, beinahe nach typisch deutscher Bürokratie. Ist es auch. Und das ist gut so. Es geht um Selbstmanagement am FOH. Die einzige Chance, auf die individuellen Anforderungen, die da mit Gewissheit kommen werden, professionell zu reagieren. Technische, organisatorische und tiefenpsychologische Aspekte reichen sich die Hand:

Arbeitsatmosphäre durch Körpersprache sichern

Mit Privatsphäre hat ein FOH-Arbeitsplatz – man muss ja mal ehrlich sein – herzlich wenig zu tun. Ihr steht vermutlich irgendwo inmitten der Menge; nahezu jeder kann euch irgendwie auf die Finger glotzen. Habt ihr weniger Glück, hat man euch zwischen gestapelten Getränkekisten, Bockwurstkartons oder der Garderobe irgendwo in eine Ecke gequetscht. Optimal platziert für beste Hörergebnisse und den visuellen Kontakt zu den Muckern seid ihr höchst selten.
Soundmäßig werden von euch hellseherisch prophetische Fähigkeiten erwartet. Und jeder vorüber laufende Dämlack kloppt euch anerkennend kumpelhaft auf die Schultern oder brüllt euch merkwürdige Kommentare in die Kopfhörer. Das nervt. Ob und wie Außenstehende sich animiert fühlen, euch ins Handwerk zu pfuschen, hat allerdings wenig mit eurer technischen Leistung zu tun. Es ist nun mal bei vielen Menschen ein unangenehmer Charakterzug, sich selbst permanent in den beachteten Mittelpunkt stellen zu wollen.
Paradoxerweise meint jeder, den kompetenten Fachkräften ungefragt Ratschläge geben zu müssen. Kommt ja nicht von ungefähr, dass wir gefühlte 80 Millionen Fußball-Nationaltrainer in Deutschland haben oder jeder, der schon zweimal eine Bratpfanne in der Hand hatte, sich automatisch zum Fünf-Sterne-Koch berufen fühlt. Man weiß gerne mal alles besser. Nicht, weil’s so ist, sondern weil mal sich dann so schön wichtig fühlt.
Kurze Rede, langer Sinn: Das Wichtigste überhaupt, lange vor der Technik und fachlichen Aspekten, ist deine souveräne Ausstrahlung.

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Zeitfaktor und Timing einkalkulieren

Uns allen ist bewusst, dass – bei aller legerer Gelassenheit – der natürliche Feind von FOH-Techs die Zeit ist. Sobald Soundcheck und Event losgehen, lässt die sich nicht mehr dehnen. Kann man sich also höchstenfalls vorher ein paar Zentner Sand in die Eieruhr schmeißen. Sprich: rechtzeitig anfangen. Souverän ist es, wenn der Aufbau des FOH-Arbeitsplatzes vom Tower über den WLAN-Kabelsalat bis zur Platzierung der Stageboxen vor dem Eintreffen der Musiker längst abgeschlossen ist.
Der Vorteil: Ihr vermeidet nicht nur Wartezeiten der Musiker, die mit hochnervösem Adrenalinvorschuss darauf warten, ihre Instrumente und Mikes zu postieren. Zugleich fummelt euch (hoffentlich) keiner mehr am Setup rum. Weder an der Verkabelung noch an euer Mixing-Philosophie. Pünktlichkeit ist eine unbedingte Tugend.
Das Ding ist das: Je aufgeräumter du selbst bist, umso weniger wird man dir in deine Arbeit quatschen. Was auch immer da gleich passieren soll, du bist längst fertig. Das beeindruckt und zeugt von professioneller Arbeitsweise.

Abschotten gegen möchtegernwichtige Finger und Co.

Nähern wir uns dem FOH-Platz von außen nach innen: Die wichtigste Regel ist und bleibt, dass Getränke und Co. dort nicht das Geringste zu suchen haben. Die Rede ist nicht von eurer eigenen Versorgung. Dafür werdet ihr längst die sinnvoll vernünftige Lösung mit sicherheitsoptimierten Halterungen gefunden oder entworfen haben. Vielmehr geht es um die Plastikbecher, Dosen und mehr, für deren Abstellen das Publikum gerne mal den FOH-Tisch missbraucht.
Dass Strom und Flüssigkeiten sich spinnefeind sind, ist keine neue Erkenntnis. Mit den technisch unbefleckten, feiernden Typen könnt und wollt ihr euch allerdings nicht permanent auseinandersetzen. Macht keinen Sinn, weil das wie im Straßenverkehr ist. Der nächste Depp kommt ganz bestimmt. Die Lösung ist so simpel wie konsequent: Sorgt dafür, dass potenzielle Abstellflächen einfach nicht mehr existieren. Jede (noch) freie waagerechte Fläche ist förmlich eine Einladung mit Theken-Charakter, den Bierbecher darauf abzustellen. Die darf es schlichtweg nicht geben. Und das zieht ihr mit absoluter Konsequenz durch.
Das heißt beispielsweise: Sämtliche offenen Ablageflächen im FOH-Bereich werden zugestellt. Ist doch noch was frei, setzt ihr abgeschrägte (!) Platzhalter ein, von denen jeder Bierbecher ganz sicher haltlos zu Boden taumelt. Ideal auch, wenn ihr den Bereich mit schulterhohen Plexiglasscheiben abschirmt. Höher darf’s nicht sein, weil ihr euch sonst zugleich die Raumakustik abdeckt. Wie ein Bankschalter aus dem Italo-Western. Damit wäre schon mal der physische Zugriff von Konzertgästen unmöglich.

(Bild: Fotolia, Credits: vanzyst)
(Bild: Fotolia, Credits: vanzyst)

Arbeitsplatzplanung am FOH aus eigenem Fundus

Um durchzusetzen, dass der FOH-Platz wirklich ausschließlich eure Domäne ist, an der kein Fremdfinger etwas zu suchen hat, ist es wichtig, den auch entsprechend einzurichten. Der perfekt organisierte Arbeitsplatz beginnt – selbst wenn die Profis an dieser Stelle nur müde lächeln können – mit Banalitäten: Verlasst euch nicht auf marode Tische, die in der kleinen bis mittelgroßen Location rein zufällig rumstehen. Es gibt keine Alternative zum eigenen stabilen Mobiliar am Arbeitsplatz. Lieber ein paar Kisten, Stühle und Cases mehr schleppen und transportieren, als in falsch verstandener Vertrauensseligkeit zum Opfer der eigenen Bequemlichkeit zu werden.
Alles, was auch immer irgendwie transportierbar ist, solltet ihr aus dem eigenen Fundus zum Gig mitbringen. Ein sinnvoll konzipierter FOH-Platz besteht nicht aus Gerümpel-Mobiliar, sondern aus professionellen Cases, höhenvariablen Podesten, Trennvorhängen und stabilen Geländer-Traversen, die zugleich als Abschirmung gegen das Publikum dienen.
Der Effekt: Ihr setzt ein deutliches Signal an alle Beteiligten, dass ihr hier in den nächsten Stunden vollkommen autark agieren werdet und gefälligst von keinem halbwissenden Tippgeber oder durch alkoholgeschwängert enthusiastische Verbrüderungen gestört werden wollt. · 

Verpackung ist die halbe Miete der Eigenständigkeit

Ein FOH-Arbeitsplatz ist wie das Cockpit im Pkw oder wie der Schreibtisch im hektischen Arbeitsplatz von IT-Nerds. Man muss exakt und geradezu intuitiv wissen, was sich wo befindet, sämtliche Zusammenhänge des Equipments kennen und ab einem gewissen Zeitpunkt im Workflow darf man nicht mehr über Nebensächlichkeiten nachdenken. Alles Notwendige muss vorhanden und dennoch ohne Firlefanz und Schnickschnack auf das Notwendige reduziert sein. Modulbauweise wird in der Realität kaum funktionieren. Schließlich arbeitet ihr mit einem Komplettsystem, in dem der Mischer allenfalls das schlagende Herz ist und sämtliche Unterkomponenten mit den stimmigen Signalen versorgen muss.
Ob die PAX – die Anzahl der Gäste – sich in der Hunderter- oder Tausender-Größenordnung bewegt, ist für die internen Abläufe ziemliche irrelevant. Die „19‘‘-Kühlschränke“ müssen mit. Schließlich rupft man aus dem Auto auch nicht den sechsten Gang raus, weil man ihn in der Innenstadt heute mal nicht benötigt. Letztlich ist auch dies aber nur ein Teilaspekt der Thematik. Wir sprechen davon, dass andere Menschen ihre Griffel und Gedanken von deiner Arbeit lassen sollen. Der Mensch ist instinktgesteuert. Das war immer so und wird nie anders sein. Die Höhle, die Mauer, die Festung, selbst das Schneckenhaus sind optische Signale für die Schutzbarriere nach außen. Und exakt eine solche Barriere errichtest du. Das ist letztlich das Gegenteil vom Kommunikationsgedanken, lässt sich aber nun mal nicht immer vollkommen vermeiden. Manchmal muss man auch eine distanzierte Unangreifbarkeit ausstrahlen.

Mobile-Komponenten sperren

Im Trend der Zeit liegt es längst, dass viele Soundeinstellungen – sowohl im PA- als auch im Monitormix – mit den sogenannten mobilen Endgeräten durchgeführt werden. Das kann das iPad sein, ein sonstiger mobiler Controller, das Notebook oder was auch immer. Diese Geräte habt ihr allerdings nicht in jeder Sekunde in der Hand oder Tasche. Was mobil ist, birgt zwangsläufig auch die Gefahr von Fremdzugriff. Sei das unbeabsichtigt durch den Kollegen oder wirklich durch den Konzertbesucher, der gerade mal nichts Besseres zu tun hat. Dieses Risikos solltet ihr euch bei allem gebotenen Komfort bewusst sein. Ist aber auch wirklich nicht das geringste Problem, diesen mobilen Part des eigenen Arbeitsplatzes zu schützen.
Wie jedes Smartphone haben allesamt die Möglichkeit des Passwortschutzes. Die meisten erlauben die Aktivierung sogar per Fingerabdruck. Zwingend solltet ihr diese Möglichkeit nutzen und nicht aus purer Bequemlichkeit darauf verzichten. Sogar ganz im Gegenteil. Die Sperrzeiten lassen sich einstellen und die solltet ihr so kurz wie möglich wählen. Selbst wenn’s nerven kann, dass die Sperre permanent wieder deaktiviert werden muss. Vertrauensseligkeit ist ja ein durchaus sympathischer Wesenszug. Bei manchen Konzerten bist du von Tausenden von Mensch umzingelt. Vertraust du wirklich jedem?

Problem übermotivierte Kollegen

Verbleibt die sicherlich ausschließlich gut gemeinte Hilfe unter Kollegen. Kein Grund, Böses zu vermuten, die sind vollkommen uneigennützig. Wer würde je etwas anderes behaupten wollen. Vor allem diejenigen, mit den auf der Rückseite noch grün gefärbten Ohren. Kann man ja verstehen, dass er schnell mal etwas korrigieren möchte, während du dich gerade in die Kaffeetasse verbissen hast. Kennt man von den kleineren Bands, wo jeder mal schnell am Bühnenpult rumfummeln will, an dem eigentlich nur eine Person was zu suchen hat. Die übliche Geschichte mit den vielen Köchen. Am FOH-Pult darf’s das einfach nicht geben. Der Kumpel sieht zwar ungefähr, was du eingestellt hast. Ganz sicher aber er nicht wirklich konkret, warum was wie ausgerichtet ist, welche Frequenzen gegen jeweils andere geblockt werden usw. Hier helfen nur klare Absprachen und Kompetenzen.
Unter Kollegen sollte das bestens funktionieren. Da gibt es keinen Grund für falsch verstandene Peinlichkeiten oder Befindlichkeiten. Jeder hat seinen ganz eigenen Aufgabenbereich. Du würdest dem anderen auch nicht einfach ins Handwerk pfuschen. Und wenn, dann höchstenfalls nach genauer Anweisung und vorheriger Abstimmung.
Für Routiniers ist die pragmatische Zurückhaltung eine Selbstverständlichkeit. Newcomer brauchen in solchen Fällen eine kleine Aus- und Ansprache. Frei nach dem Motto: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. Ihr schafft das.

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