sE Electronics VR1 Vintage Edition Test

Vorweg: Das sE Electronics VR1 Vintage Edition ist eine im Retro-Design gestaltete Version des VR1, das aktuell als VR1 Voodoo Kaufinteressenten verhexen will. Die Vintage-Edition zeichnet sich dadurch aus, dass die reinen Gehäusebauteile, die bei dieser Bauform recht klein sind, in grüner Hammerschlagoptik gehalten sind.

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Eine ganze Reihe Mikrofone aus dem sE-Portifolio haben gibt es nun in dieser Option. Gestartet hat das alles wohl mit dem HB52, das Harp-Mikrofon, das mit Hohner zusammen entwickelt wurde.

Details

Klassisch und klein

Das sE VR1 ist ein passives Bändchen in klassischer Achtercharakteristik. Das VR2, die aktive Variante, ist momentan nicht mit Hammerschlag-Lackierung erhältlich, sondern nur in einfachem Schwarz. Mit etwas mehr als zwölf Zentimetern Bauhöhe ist das Ribbon-Mikrofon recht klein, mit unter zwei Zentimetern zudem außerordentlich dünn. 230 Gramm erlauben es, auch recht fragile Mikrofonhalterungen und schlotterige Ständer mit der Aufnahme des VR1 zu betrauen. Allerdings wird es dann doch etwas größer, wenn das Mikrofon in der mitgelieferten elastischen Halterung sitzt.

Fotostrecke: 3 Bilder Das VR1 als profillos zu bezeichnen, wäre ein schlechter Kalauer. Was stimmt: Es ist sehr dünn.

Neodym und 2,5 Micron

Das Prinzip eines passiven Bändchenmikrofons ist sehr simpel: Zwischen zwei Magnetpolen sitzt ein dünnes, gefaltetes Bändchen, das sich mit dem Schall bewegt und durch das Magnetfeld eine Spannung induziert. Diese wird mit einem Übertrager hochtransformiert – fertig. Das ist auch beim sE Electronics VR1 nicht anders. Die Magneten sind, wie immer in Ribbon-Mikros kleiner Bauart, mit der Seltenen Erde Neodym leistungsfähiger als die AlNiCo- und andere Varianten. Zwar ist das Aluminiumbändchen mit zweieinhalb Micron recht dünn, doch gibt es auch deutlich dünnere. sE gibt zwar an, dass das Bändchen “hand tensioned” sei, doch wüsste ich nicht, dass es bereits gelungen ist, Bändchen maschinell in die richtige Ausrichtung zwischen den Magneten und die genau benötigte Spannung zu bringen. Weil das Mikro von vorne wie von hinten identisch aussieht, ist auch die Richtcharakteristik symmetrisch (bis auf die Polarität). Es ergibt sich also die Acht.

Viel ist nicht drin in einem Mikrofon dieser Bauart, wesentlich Bändchen, Magnet und Übertrager.
Viel ist nicht drin in einem Mikrofon dieser Bauart, wesentlich Bändchen, Magnet und Übertrager.

Papierkram

Urteilt man nach den zur Verfügung stehenden Daten, müsste das VR1 recht wenig nach Bändchen klingen, denn der Frequenzgang geht numerisch bis 18 kHz, grafisch wird aber selbst die 20 kHz-Marke mit einem nur sehr leichten Abfall durchkreuzt, es ist sogar zu erkennen, dass die Höhen oberhalb von 2 kHz geringfüg mehr Pegel besitzen als darunter (Der wichtige Messabstand wird jedoch nicht genannt.). Außerdem wird wohl der Klirr bei üblichen Pegeln noch sehr gering sein: Der maximale Schalldruckpegel, vorbildlich für 0,5% THD+N angegeben, liegt bei 135 dB SPL. Da er bei Bändchen mit abnehmenden Frequenzen zunimmt, bleibt es aber dennoch spannend. Ein Rauschmonster scheint das Mikrofon ebenfalls nicht zu sein, 19 dB(A) sind ein ordentlicher Wert für ein derartiges Mikro. Mit 1,78 mV/Pa gibt es so viel Pegel aus wie viele vergleichbare Mikrofone und viele Tauchspulenmikrofone, mehr liefert naturgemäß die größere, aktive Variante sE Electronics VR2. 300 Ohm Impedanz sind für passive Bändchen nicht unüblich. sE scheint einen Phantomspeisung-Blocker einzubauen, die elbst dann, wenn durch einen Fehler Phantomspeisung unsymmetrisch zum Mikrofon gelangt, das empfindliche Bändchen schützt.

Lieferumfang sE VR1 VE
Lieferumfang sE VR1 VE

Praxis

Ordentlich

sE Electronics ist dafür bekannt, vernünftige Mikrofone zu einem bezahlbaren Preis anzubieten. Das ist auch beim sE Electronics VR1 nicht anders. das Hammerite-Finish der Vintage Edition macht einen guten Eindruck, die Verchromung auf der Vorderseite ist ok. Generell ist das VR1 mechanisch einfach und funktionell aufgebaut.

Das Mikrofon ist einfach aufgebaut und vernünftig gefertigt.
Das Mikrofon ist einfach aufgebaut und vernünftig gefertigt.

Umgang mit hohen Pegeln gut

Von der technischen Seite gesehen kann das VR1 den konzeptionellen Konkurrenten das durchaus das Wasser reichen: Das Mikrofon rauscht für ein Bändchen eher wenig und verarbeitet hohe Pegel recht problemlos. Nicht ganz wie die Crowley&Tripp-Nachfolger KSM 313 und KSM 353 mit ihren Roswellite-Ribbons natürlich, aber immerhin so, dass auch ein aufgerissener Gitarrenamp ohne Zerrung durch das Mikrofon oder gar Beschädigung verkraftet wurde. Dass das Pattern sehr frequenzstabil ist, ist keine Kunst, sondern in typischer Vorteil dieses Mikrofontyps.

Höhenflug bei den Höhen

Im Vergleich mit anderen Ribbons fällt auf, dass das sE VR1 tatsächlich recht offene und vergleichsweise pegelstarke Höhen liefert. Was gut ist: Selbst bei naher Besprechung und dann entsprechend kräftigem Bass bleibt das Signal transparent. Mulm und Matsch treten erst bei sehr geringem Abstand hervor. Die zum Vergleich genutzten Neodym-Ribbons Beyerdynamic M130 und Stager SR-2N mk3 zeigen ich weniger durchsichtig. Das M130 wirkt aber erwartungsgemäß etwas natürlicher und unaufgeregter, das SR-2N punktet hingegen durch einen strafferen, kontrollierteren, aber dennoch aufgeblasenen Bass.

Audio Samples
0:00
sE VR1, 10 cm sE VR1, 30 cm, 0 Grad sE VR1, 10 cm, 45 Grad sE VR1, 70 cm sE VR2, 30 cm Beyerdynamic M130, 30 cm Stager SR-2N mkIII, , 30 cm Coles 4038, 30 cm Melodium 42Bn, 10 cm Melodium 42Bn, 30 cm

Weiche Ribbon-Tiefen, aber kein starker Charakter

Sehr “griffig” sind die Mitten nicht, sondern neigen eher zu rundem und gemütlichem Charakter. Die Tiefen sind ebenfalls etwas “entgratet”, was zu einem angenehmen, verzeihenden Klangbild führt, aber auch ein Stück weit auf Kosten der Auflösung geht. Im Vergleich zum Klassiker Coles 4038 fehlt dem sE etwas an Charakter, was vor allem daran liegt, dass das VR1 wohl etwas weniger harmonische Verzerrungen aus den tiefen Frequenzen generiert. Das Melodium 42Bn zeigt, wie man perfekt Klarheit mit Größe und Charakter kombinieren kann, der französische Exot ruft allerdings auch das Vielfache des Preises eines VR1 auf.

Trotz relativ starker Höhen nicht spitz

Beim Vocal-Recording gefällt (wie bei fast allen Ribbons), dass spitze, scharfe Signalanteile nicht übertrieben repräsentiert werden. Das kleine Gehäuse selbst ist zwar nicht besonders geschützt gegen Körperschallübertragungen, aber das besorgt die vielleicht nicht ansehnliche, aber gut funktionierende Spinne. Erstaunlich ist, dass die beiden Metallgazen vor dem Bändchen recht ordentlich gegen Popps schützen.

Alternative?

Das sE VR1 scheint von seinem Klangduktus eine empfehlenswerte preiswerte Alternative zum Royer R-121 zu sein wenngleich es auch an seine Klasse nicht ganz heranreicht (das aber auch nicht muss – bei dem Preis).

Das Mikrofon ist nicht nur schön, sondern auch recht preiswert und vielseitig einsetzbar.
Das Mikrofon ist nicht nur schön, sondern auch recht preiswert und vielseitig einsetzbar.

Fazit

sE Electronics fertigt mit dem VR1 Vintage Edition – aber auch ohne das mit Hammerschlag-Oberfläche aufgewertete Äußere – ein flexibel einsetzbares Mikrofon, das aufgrund seiner Eigenschaften gut handlebar ist. Das wäre zum einen klanglich, denn es ist höhenlastiger als viele andere Ribbons, bleibt aber wohlig und rund, überbasst nicht zu schnell bei geringem Abstand, zum anderen liefert es eine ordentliche technische Dynamik.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • vergleichsweise pegelstarke, transparente Höhen
  • dennoch geringe Schärfe
  • sanfte Mitten und Tiefen
  • gute technische Eigenschaften
  • gelungenes Optik-Update der Vintage Edition
Contra
  • keins
Artikelbild
sE Electronics VR1 Vintage Edition Test
Für 479,00€ bei
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Features und Spezifikationen
  • passives Bändchenmikrofon
  • Richtcharakteristik: Acht
  • Frequenzgang: 20 Hz – 18 kHz
  • Empfindlichkeit: 1,78 mV/Pa
  • max. Schalldruckpegel: 135 dB SPL (0,5% THD+N)
  • Impedanz: 300 Ohm
  • Lieferumfang: Mikrofon, Holzschatulle, Halter, Spinne
  • Herstellungsort: China
  • Preis: € 399,– (Straßenpreis am 28.7.2021)
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