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Produce-Alike #4 – Lady Gaga

Willkommen zu einer neuen Ausgabe unseres Produce-Alike-Workshops. Diesmal geht es um die aktuelle Hitsingle von Lady Gaga, deren gespannt erwartetes zweites Album beweisen muss, dass es an den sensationellen Erfolg des Vorgängers anknüpfen kann.

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Mit „Pokerface“ und „Bad Romance“ waren Frau Gaga zwei der größten Hits der vergangenen Jahre gelungen. Außerdem verstand sie sich äußerst geschickt darauf, sich mit Aufsehen erregenden Auftritten und – nun ja – sagen wir mal „unkonventionellen“ Outfits in den Schlagzeilen zu halten. Ob die immer wieder geäußerten Vergleiche mit Madonna oder die Titulierung als „New Queen of Pop“ angesichts einer Handvoll Hits und Grammy Awards schon gerechtfertigt sind, sei mal dahin gestellt. Fest steht aber, dass in der Popwelt derzeit kein Weg an der schrillen New-Yorkerin vorbei führt, und es sieht ganz danach aus, als könne sie ihren Erfolg mit dem zweiten Album wiederholen. Immerhin ist „Born This Way“ der erste Song, der allein durch Downloads Platz 1 der deutschen Singlecharts erreichen konnte. Grund genug für uns, den Track einmal aus der Nähe anzuschauen.

BASICS

Für alle, die bislang nicht wahrhaben wollten, dass die Neunziger mit aller Macht zurück kommen: Dieser Song ist der eindrucksvolle Gegenbeweis. Von ein paar Details mal abgesehen, hätte der Titel genauso auch schon vor 16, 17 Jahren in den Charts auftauchen können – obwohl nach dem damaligen Zeitgeist wahrscheinlich ein farbiger Rapper für die Strophen verantwortlich gewesen wäre. Er folgt damit einem Trend, der sich seit einigen Jahren bemerkbar macht: Nach dem „New-R&B-Jahrzehnt“ gibt es inzwischen wieder deutlich mehr klassische Dance-Musik in den Charts, wobei die Grenzen zunehmend verschwimmen. Maßgeblich mitgeprägt wurde diese Bewegung vom französischen House-DJ David Guetta, der trotz (oder wegen?) seiner Dance-Herkunft in den letzten Jahren zu einem der gefragtesten Mainstream-Produzenten wurde. Seine Stilmittel finden sich auch in „Born This Way“ wieder, obwohl er erstaunlicherweise mit diesem Song nichts zu tun hatte. Läuft Lady Gaga hier etwa einem Trend hinterher statt ihn zu setzen, wie man es von der Exzentrikerin erwartet hätte? Um den Titel in einen historischen Kontext zu setzen, empfehle ich jedenfalls, „Born This Way“ einmal zusammen mit Madonnas „Express Yourself“ (1989) sowie David Guettas „When Love Takes Over“ (mit Kelly Rowland, 2009) zu hören.
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GROOVE

Eine Qualität kann man dem Titel jedenfalls nicht absprechen: Er ist bedingungslos tanzbar. Das liegt natürlich zu einem großen Teil an dem pumpenden Dance-Beat, der nahtlos an die glorreiche Eurodance-Tradition anknüpft. Das Wichtigste ist dabei natürlich die Bassdrum. Wir nehmen eine tiefe Sub-Kick aus einem der mitgelieferten Drumkits von Native Instruments Battery 3 als Fundament. Diese Bassdrum bringt ordentlich „Boom“ mit, aber ein definierter Attack fehlt ihr noch. Deshalb ergänzen wir sie durch eine zweite Kick, die für den knackigen Sound sorgt. Damit sich die beiden Trommeln im Bassbereich nicht in die Quere kommen, nehmen wir der zweiten Bassdrum mit einem Low-Cut-Filter unterhalb von 100 Hz alles weg. Hierbei sollte man nach Gehör vorgehen, denn je nach dem Sound der zwei verwendeten Bassdrums können auch ganz andere Einstellungen notwendig sein. In diesem Fall wollen wir den Gesamtsound der Kickdrum aber recht bassig haben.
Damit sich die beiden Sounds gut verbinden, werden sie auf einen Bus geroutet und dann gemeinsam durch einen Bitcrusher-Effekt und einen recht rabiat zu Werke gehenden Kompressor geschickt. Den Bitcrusher werden wir im Verlauf dieses Workshops noch wiedersehen. Er sorgt für etwas Verzerrung und gleichzeitig für einen leichten LoFi-Touch, der bei diesem Track sehr willkommen ist. Allerdings ist er auf der Kickdrum eher moderat eingestellt, um dem Fundament des Arrangements nicht den Druck zu nehmen. Im Soundbeispiel hört ihr, wie sich die Bassdrum aufbaut. Zuerst spielt nur die Sub-Kick, dann kommt die zweite Bassdrum hinzu, und schließlich die Effekte Bitcrusher und Kompressor.
BTW_Kick
Bassdrum
Audio Samples
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Bassdrum
Auf den Zählzeiten 2 und 4 kommt eine Snare dazu, genauer: ein Mittelding zwischen Snare und Clap. Der Sound sorgt eigentlich nur für einen kleinen zusätzlichen Impuls – er ist so komprimiert, dass außer dem schmatzenden Attack eigentlich nichts mehr übrig bleibt. Wir verwenden dafür eine Kombination aus mehreren Snares und Claps, die mittels EQ so zurecht gedreht werden, dass sie zusammen eine Einheit bilden. Hier ist Experimentieren angesagt. Bei einem Dance-Titel darf man durchaus auch recht extreme EQ-Einstellungen verwenden, mit denen man einen natürlichen Sound ziemlich verhunzen würde. Hier ist jedoch alles erlaubt, was zum gewünschten Ergebnis führt, also auch drastische Eingriffe mit High- und Low-Cut-Filtern.
Ich habe eine etwas tiefere Snare als Basis genommen, die aber im Mix so leise ist, dass man sie nicht wirklich hört, sondern nur als zusätzlichen Impuls wahrnimmt, der sich quasi auf die Kickdrum „draufsetzt“. Hörbar sind in erster Linie die beiden höheren Snares und der Clap. Wie auch bei der Bassdrum werden alle Snare-Sounds gemeinsam mit einem leichten Bitcrusher und einem Kompressor weiter bearbeitet. Der Kompressor wird so eingestellt, dass er die kurze Attackphase des Snaresounds stark betont. Um diesen Impuls noch stärker hervor zu heben, kommt zusätzlich noch ein Enveloper-Effekt zum Einsatz. So bleibt außer der knackigen Einschwingphase nicht mehr viel übrig, und die Snare muss im Mix nicht so laut gefahren werden, um ihre Wirkung zu erzielen. Im Soundbeispiel hört ihr, wie der Snaresound aus unterschiedlichen Komponenten zusammen gesetzt wird und schließlich die gemeinsamen Effekte durchläuft.
BTW_Snare
Snaredrum
Audio Samples
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Snaredrum
Vor der Snare kommt zusätzlich ein rückwärts gespieltes Sample zum Einsatz, das den Groove quasi in die Zählzeit „hineinzieht“. Dazu habe ich meine Snares in ein etwas anderen Lautstärkeverhältnis gesetzt (mehr Betonung auf der tieferen Snare) und mit hohem Effektanteil durch einen Hall geschickt. Zu diesem Zweck darf es ruhig auch mal ein billiger Hall sein – es kommt auf den Effekt an. Diesen Sound habe ich gesampelt, umgedreht und auf einer Audiospur an die betreffenden Stellen gesetzt. Subtil eingesetzt ergibt sich dadurch ein Groove, der mehr Drive nach vorne hat. Im Soundbeispiel hört ihr das Sample vorwärts und rückwärts.
Audio Samples
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Reverse Snare
Kommen wir zu den Hi-Hats, und allem, was da sonst noch im oberen Bereich des Frequenzspektrums herumzippelt. Kaum ein Dance-Track kommt ohne geöffnete Hi-Hat auf den Offbeats aus – das war vor 20 Jahren so und gilt auch noch heute. In diesem Fall handelt es sich um eine relativ dünne Hi-Hat mit dem Sound eines 80-Jahre-Drumcomputers, die nicht wirklich akzentuiert ist. Meine stammt aus dem Stylus RMX von Spectrasonics. Die Release-Zeit des Sounds habe ich auf Null zurück gedreht, damit die Hi-Hat auf der nächsten Kickdrum abrupt weg ist und den Beat nicht verwäscht. Wir wollen einen Sound, der den Offbeat bis zur nächsten vollen Zählzeit komplett ausfüllt, aber auch nicht stört, wo er nicht hingehört.
Ergänzt wird die offene Hi-Hat durch einige Percussion-Sounds, die die Funktion weiterer Hi-Hats übernehmen. Hierzu bieten sich vor allem Cabasa- und Shaker-Samples an, aber es lohnt sich, auch mit diversen anderen Sounds zu experimentieren. Meiner Cabasa habe ich abermals einen Bitcrusher verpasst, der in diesem Fall auch etwas drastischer eingreifen darf und die Sounds auf 6 Bit herunterquetscht. Dadurch klingt es etwas nach alter Drum-Machine. Allerdings fügt der Bitcrusher einige unerwünschte Frequenzen im tieferen Bereich hinzu, die wir mit einem Low-Cut wieder heraus nehmen. Zusätzlich spendieren wir der Cabasa noch ein kleines Delay, das den Groove subtil unterstützt. Dieses Delay ist in seinem Frequenzgang beschnitten, so dass es etwas dumpfer klingt als das trockene Signal. Das ergibt einen lebendigeren Groove und nervt nachher im Mix in den Höhen nicht herum.
BTW_Cabasa
Audio Samples
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Hi-Hats
Die einzelnen Elemente des Beats werden dance-typisch hier und da gemuted und neu aufgebaut, um dem Song eine Struktur zu geben. Zusätzlich gibt es einige Fills, die sich durch stark verfremdete Sounds auszeichnen. Das erste Fill besteht bei mir aus klassischen Simmons-Toms – bei Lady Gaga ist es eher ein Synth-Sound, der den gleichen Zweck erfüllt. Die Toms durchlaufen einen Kompressor, ein Delay und einen Hall. Schließlich begegnet uns auch hier wieder der Bitcrusher, der in diesem Fall so automatisiert ist, dass er immer stärker eingreift, bis von den Toms außer Lärm nicht mehr viel übrig ist. Im Soundbeispiel hört ihr die Toms ohne, und dann mit automatisiertem Bitcrusher.
BTW_Toms
Toms
Audio Samples
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Toms

Für ein weiteres Fill brechen wir den Four-on-the-floor-Beat tatsächlich einmal auf und wechseln für einen halben Takt in einen triolischen (!) Rhythmus. Das sorgt für einen unerwarteten Bruch und garantiert die Aufmerksamkeit der Hörer und Tänzer. Unterstützt wird das Fill von weiteren, knalligen, räumlichen Snare-Samples, die nur hier vorkommen und vorwärts wie rückwärts und links wie rechts eingesetzt werden, sowie von einer Gitarre, die den chaotischen Charakter des Fills stützt. Nun können wir den Beat zusammenfügen und uns an den Rest des Arrangements machen:

Audio Samples
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Drums
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BASS/SYNTHS

Die Kickdrum ist in diesem Song so massiv, dass kaum Platz für einen typischen Basssound bleibt. Um dem Track ein harmonisches Fundament zu geben, bauen wir trotzdem einen ein, und zwar einen dezenten Oktavbass aus dem Access Virus TI. Der Bass soll nicht wirklich auffallen, sondern nur stützen. Wichtig ist dabei, dass man die Glide- bzw. Portamento-Zeit im Auge behält, denn diese ist bei solch einem Pattern entscheidend für den Groove verantwortlich. Um der Kickdrum Raum zu lassen, senken wir mit einem Shelving-EQ den Tiefbassbereich noch etwas ab.

BTW_Virus
Audio Samples
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Bass

SYNTHS

So, das Fundament steht schon mal. Was noch fehlt, ist das harmonische Füllmaterial. Dazu brauchen wir eine Reihe von Synths. Hier können wir uns richtig austoben, denn es ist ein energiegeladener, „elektrischer“ Sound gefragt.

Wir beginnen mit einem Arpeggiator-Sound, der durch den Song hindurch immer wieder auftaucht. Hierfür kommen natürlich diverse Synths in Frage – sie sollten jedoch der Einfachheit halber über einen programmierbaren Arpeggiator verfügen. Der Sound wird an verschiedenen Stellen mit unterschiedlichen Patterns eingesetzt. Hören wir zunächst das Ausgangsmaterial mit zwei verschiedenen Patterns:

Audio Samples
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Appegiator Dry

Damit der Sound nicht matscht, nehmen wir mit einem Low-Cut-Filter untenrum alles weg. Um dem Sound noch etwas Charakter zu verleihen, habe ich ihn dann noch durch ein weiteres Filter geschickt, und zwar durch das gute alte Freeware-Plugin Frohmage von Ohmforce. Das gibt es schon etliche Jahre, und es ist immer noch für überraschende Sounds gut. Das Filter habe ich automatisiert, um das Pattern gezielt zu unterstützen. Zusammen mit einem Delay hört sich das Ergebnis dann so an:

Audio Samples
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Apeggiator Wet
BTW_Arpegg_Auto
Während der Beat die Downbeats durch die fette Kickdrum fast komplett besetzt, ist dazwischen noch Platz für weitere Synths. Als erstes kommt mal wieder der Vanguard von reFX zum Einsatz. Der ist auch schon etwas älter, kann aber in seiner Paradedisziplin „brachiale Dance-Sounds“ nach wie vor überzeugen.
BTW_Vanguard

Das Preset, das ich verwendet habe, klingt zunächst mal so:

Audio Samples
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Offsynth

Um einen etwas pumpenden Effekt zu erhalten, habe ich die Attack-Zeit des Sounds etwas hochgedreht, und dafür die Noten auf den Offbeats etwas vorgezogen. Außerdem kommt noch ein Low-Cut zum Einsatz. Zum Schluss habe ich den Sound noch über einen Send auf einen Bus gelegt, ihn dort mit einem Sample-Delay verzögert, und Originalsignal und Bus auseinander gepant. Das Ergebnis klingt so:

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Offsynth Wet
Unterstützt werden die Offbeats noch durch einen klassischen Dance-Chord-Sound, der auch aus dem Vanguard stammt. Dieser ist im Mix recht leise und sorgt nur noch für etwas zusätzlichen Druck.
Audio Samples
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Offchords
Im Refrain kommt noch ein weiterer Synth hinzu. Jetzt werden sich alle ärgern, die Ende der Neunziger ihren Waldorf Microwave verkauft haben, denn der wäre für diesen drahtigen Sound prädestiniert gewesen. Auch FM-Synths wie die Yamaha-DX7-Familie wären geeignet. Ich habe eine Kombination aus einem Virus-Sound und einem Sample genommen. Durch das punktierte Delay ergeben sich kleine Melodiefragmente:
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Refsynth

Nun fehlt noch ein einfaches Pad für die Strophen, und dann sind wir mit den wichtigsten Sounds ausgestattet. Hierfür kommt wieder der Virus zum Einsatz:

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Pad
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SONG

Nun haben wir alle Elemente zusammen, um den Hit in seinen Grundzügen nachzubauen. Allerdings sollten wir vorher noch einen Schritt gehen, der für einen pumpenden Dance-Track unerlässlich ist: Alle Signale bis auf die Kick und einige weitere ausgewählte Drum-Spuren werden auf einen Bus geroutet, auf dem ein Kompressor zum Einsatz kommt. Dessen Sidechain-Eingang füttern wir mit der Kickdrum, so dass das gesamte Arrangement bei jedem Schlag der Bassdrum etwas in die Knie geht. Dadurch ergibt sich der typische pumpende und pulsierende Sound, der ein wichtiges Stilmittel im Dance-Genre ist. Mit den Kompressor-Einstellungen – vor allem mit den Attack- und Release-Zeiten – muss man etwas experimentieren, denn hier reagiert jedes Gerät anders. Oftmals wird auch eine „stumme“ Kick zur Speisung der Sidechain eingesetzt, also eine, die man im Mix gar nicht hört. Das hat den Vorteil, dass der Effekt weiterlaufen kann, auch wenn die (hörbare) Kickdrum aussetzt.
Im Soundbeispiel hört ihr die Wirkung des Kompressors. In den ersten vier Takten ist er deaktiviert. Beim Einsatz des Kompressors zur Hälfte des Soundbeispiels ist gut hörbar, wie der Gesamtsound „zusammengeklebt“ wird und energiereicher klingt.
BTW_Pumpcomp
Audio Samples
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Pump

Jetzt sind wir endlich soweit, ein kleines Stück des Songs zusammen zu fügen. Viel Spaß beim Hören und Ausprobieren! Bis zum nächsten Mal!

Audio Samples
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Song
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