iPad und Live-Mixing? Macht das Sinn? Wer schon einmal versucht hat, bei Live-Konzerten externe Audio-Plug-ins einzubinden, kennt das Dilemma: teure Plug-in-Server oder instabile Computer-Setups, die mitten im Konzert ausfallen können. Mit Programmen wie Steinberg Cubasis 3 oder Sessions in Kombination mit hochwertigen AUv3-Plugins (z. B. FabFilter Pro) ändert sich das Spiel komplett. Damit wird das iPad zu einem stabilen, latenzarmen Plug-in-Host für Live-Anwendungen.

In diesem Workshop erfährst du, wie du AUv3-Plug-ins auf einem iPad in deinen Live-Mix einbindest, um deinen Mix noch flexibler zu gestalten zu können. Die Lösung funktioniert mit allen Class-Compliant-Digitalmixern und bietet einen einfachen Workflow, ein kompaktes Setup in Kombination mit einem kleinen Preis.
Checkliste – was brauchen wir?
Hier eine Übersicht an Hard- und Software, die wir für unser Setup benötigen:
- Aktuelles iPad (iOS 18 und höher)
- Apple-zertifizierter USB- oder Lightning-Hub
- Plug-in-Host-Software (z. B. Sessions, AUM oder Cubasis 3)
- AUv3-Plug-ins (z. B. das FabFilter Pro Bundle)
Derart ausgestattet können wir direkt loslegen. Doch warum sollten wir das überhaupt tun? Die AUv3-Plug-in-Auswahl ist im Vergleich zu den gängigen VST-Pedants deutlich eingeschränkter und iOS-Plug-in-Hosts dediziert für den FoH-Einsatz (wie beispielsweise Waves Superrack) sucht man im Apple Store (noch) vergebens. Abgesehen davon bietet unsere iOS-Lösungen aber handfeste Vorteile, die wir im Folgenden näher betrachten.


iPad Live-Mixing: Insert-Effekte für minimale Latenz
Im Live-Betrieb zählt jede Millisekunde. Bei einem typischen Live-Setup mit einem Digitalmixer (z. B. Behringer X32 oder WING) schickst du einzelne Kanäle oder Gruppen über die integrierte USB-Schnittstelle des Mixers direkt ins iPad. Dort durchlaufen sie deine Plug-in-Chain und kommen latenzarm zurück zum Mixer. Der Clou: Cubasis 3 arbeitet mit Buffersizes von nur 64 Samples, was bei 48 kHz einer Round-Trip-Latenz von nur 5 ms entspricht.
Mit Sessions sind sogar noch niedrigere Latenzen möglich, was besonders dann wichtig ist, wenn die mit AUv3-Plugins angereicherten Kanäle auch auf die In-Ear-Systeme oder Monitorboxen der Musiker gelangen sollen. Jeder Digitalmixer mit integriertem Class-Compliant-USB-Audiointerface lässt sich auf diese Weise verbinden: Allen & Heath SQ-Serie, PreSonus StudioLive oder Soundcraft Ui/Vi-Mixer – solange sie USB-Audio ohne spezielle Treiber unterstützen, sollte die iPad-Integration problemlos funktionieren.



AUv3-Plugins erklärt: der Unterschied zu VST
Audio Unit v3 (AUv3) ist Apples moderner Plug-in-Standard für iOS und macOS – das Pendant zu Steinbergs VST-Format auf Windows/Mac. Der entscheidende Unterschied: AUv3-Plug-ins laufen in einer sicheren Sandbox, die Systemabstürze praktisch ausschließt. Wenn ein AUv3-Plugin crasht, bleibt die Host-Anwendung (z. B. Cubasis 3 oder Sessions) stabil.
Technische Vorteile beim iPad Live-Mixing
AUv3-Plug-ins kommunizieren über Apples Core-Audio-Framework direkt mit dem Betriebssystem. Das bedeutet optimierte Speicherverwaltung und automatische CPU-Priorisierung für Audio-Processing. iOS pausiert automatisch Hintergrund-Apps, wenn Audio-Anwendungen laufen – bei VST-Plugins auf Windows/Mac muss man das manuell konfigurieren.
State-Saving und Presets
Anders als VST-Plug-ins speichern AUv3-Plug-ins ihren kompletten Zustand automatisch im Host-Projekt. Kein manuelles Preset-Management nötig – beim Laden des Cubasis-3- oder Sessions-Projekts sind alle Plug-in-Einstellungen exakt so, wie sie beim Speichern waren. Besonders praktisch für wiederkehrende Live-Shows mit identischen Settings.




Automation und MIDI
AUv3-Plug-ins unterstützen native MIDI-CC-Zuordnung ohne zusätzliche Software. Hardware-Controller lassen sich direkt mit Plug-in-Parametern verknüpfen – ideal für Live-Mixing, wo schnelle Parameteränderungen ohne Blick aufs Display nötig sind. Ein Nachteil ist allerdings, dass AUv3 nur auf Apple-Geräten läuft. Dafür ist die Integration perfekt optimiert und die Stabilität im Live-Betrieb unübertroffen.
Diese AUv3- Live-Plug-ins empfehlen sich für den FoH-Einsatz
Für Live-Anwendungen empfehlen sich drei essenzielle Plug-in-Kategorien: EQ, Dynamics und Hall- & Delay-Effekte. Das alles bietet das FabFilter Pro Bundle zu einem sensationellen Preis von gerade mal 129,90 Euro. Das ist wesentlich günstiger als die Desktop-Version, die mit über 600,- Euro ins Kontor schlägt. Leider nicht im iOS-Pro-Bundle enthalten ist das Plug-in FabFilter Saturn, für das zusätzliche 30,- Euro anfallen. Saturn benötigt man, wenn man beispielsweise den grandiosen Gate-Trick von Producer Nollys live nachbauen möchten.


Verwendet man Cubasis 3 als Host für die AUv3-Plug-ins, bekommt man eine ganze Reihe an Stock-Plug-ins von Steinberg on top. Darunter sind einige interessante Sachen. Sessions kommt ohne eigene Plug-ins, ist aber vom Workflow und GUI für die reine Plug-in-Verwaltung Cubasis 3 vorzuziehen. Das Steinberg-Programm bietet allerdings dafür die Möglichkeit des Multitrack-Recordings. Wer nicht beide Programme erwerben möchte, sollte Feature-basiert abwägen.


Wie bereits erwähnt, ist die Auswahl an iOS-kompatiblen Plug-ins im Vergleich zu den VST-Varianten eingeschränkter. Einige Plug-in-Schmieden meiden AUv3 gänzlich, andere bespielen das Thema nur halbherzig (z. B. Waves, Eventide usw.). Daher lohnt es, sich vorab in Apples App Store umzusehen, ob sich dort das Passende finden lässt.
Less is more
Die meisten Class-Compliant-Mixer können bis zu 32 x 32 Kanäle über USB übertragen. Das iPad kann theoretisch alle diese Kanäle gleichzeitig mit Plug-ins bearbeiten – in der Realität sind 8 – 16 Kanäle mit jeweils 2 – 3 Plug-ins ein guter Richtwert für stabile Performance.
Im Live-Betrieb ist Zuverlässigkeit wichtiger als der allerletzte Feinschliff. Cubasis 3 soll auf iPads ab der 6. Generation stabil laufen. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass mein iPad der 9. Generation über deutlich mehr CPU-Power verfügt als mein altes iPad der 6. Generation. Grundsätzlich empfehle ich, auf iPads zu setzten, die mit iOS 18 oder höher laufen. Sessions benötigt mindestens iOS in Version 18, sodass ältere iPad damit aus dem Rennen sind.
Praktische Tipps für das iPad Live-Mixing
Das iOS-Betriebssystem ist darauf optimiert, Audio-Anwendungen Priorität zu geben – Hintergrund-Apps werden automatisch pausiert, um Dropouts zu vermeiden. Für maximale Stabilität solltest du vor jedem Konzert das iPad neu starten und alle anderen Apps schließen. Aktiviere den “Nicht stören”-Modus und deaktiviere WLAN, falls nicht benötigt. Ein externes USB-C-Netzteil verhindert Akkuprobleme während langer Shows. Vorzugsweise nutzt man originale Apple-Lightning- oder USB-C-Hubs, die zum einen die USB-Verbindung zum Mixer herstellen und zum anderen über einen zweiten Port das iPad über ein externes Netzteil aufladen. Damit funktioniert auch ein Dauerbetrieb.
Latenz im Detail – Tipps für die Praxis
Die Latenz-Performance unserer iPad-Lösung ist beeindruckend – vorausgesetzt, man wählt die richtigen Einstellungen. In der Praxis haben wir folgende Messergebnisse mit Smaart ermittelt (Round-Trip-Latency, analog in zu analog out):
- Behringer WING + DL32 Stagebox: 1,44 ms – mit aktiviertem grafischem EQ im Insert: 2,15 ms
- iPad + Cubasis 3 (64 Samples): 5,3 ms
Das entspricht einer Gesamtlatenz von 9,79 Millisekunden, was wiederum einer Schalllaufzeit von 3,36 Metern entspricht.



Optimale Plug-in-Einstellungen für minimale Latenz
Gerade bei den FabFilter-Plugins hängt deren selbsterzeugte Latenz stark von den Settings ab. Diese Einstellungen ergeben die niedrigsten Verzögerungen:
- Pro-Q 4: „Zero Latency“-Modus → 0 ms
- Pro-MB: Oversampling aus, Lookahead aus, Dynamic Phase → 0 ms
- Pro-DS: Oversampling aus, Lookahead aus, Wideband → 0 ms
- Pro-C 2 / Pro-G: Oversampling aus → 0 ms
Vorsicht beim Pro-L2 Limiter! Dieser verursacht selbst in Minimal-Settings noch eine Latenz von 20,8 Millisekunden. Das sind immerhin sieben Meter Schallweg. Für Live-Anwendungen bieten sich die Steinberg Stock Limiter als Alternative an, falls die Latenz des Pro-L2 zu hoch für den Einsatz ist. Der Steinberg Brickwall Limiter liegt gerade mal bei einer Millisekunde Latenz, der Steinberg Standard Limiter erzeugt dagegen gar keine Verzögerungen. Das gilt im Übrigen für viele der Stock-Plug-ins von Steinberg. Zum Beispiel sind der Steinberg Channel Strip, der Kompressor und der Studio-EQ komplett latenzfrei. Die Amp-Simulation schlägt mit lediglich 0,1 ms zu Buche.

Kostenfaktor – guter Sound zum kleinen Preis
Die komplette FabFilter AUv3-Suite kostet 130,- Euro. Cubasis 3 oder Sessions gibt es für rund 30,- Euro, ein gebrauchtes iPad mit Apple USB-Hub geht ab ca. 200,- Euro über die Theke. Bedeutet: Unter 400,- Euro steht ein komplettes Plug-in-Rack bereit. Updates sind bei iOS oftmals kostenlos und neue Effekt-Plug-ins lassen sich jederzeit hinzufügen. Die Auswahl wird zudem immer größer.
Weitere AUv3-Plug-ins für den Live-Einsatz
Neben FabFilter gibt es eine wachsende Auswahl professioneller AUv3-Effekte, viele davon mit speziellen Low-Latency-Modi. Darunter befinden sich auch namhafte Hersteller wie Eventide, Baby Audio, Nembrini Audio oder ToneBoosters um nur einige zu nennen.

Happy iPad Live-Mixing!
Mit der richtigen Konfiguration von Cubasis 3 und Session in Kombination mit kostengünstigen AUv3-Plug-ins wie denen von FabFilter wird das iPad zu einem game-changing Live-Tool. Die Kombination aus universeller Mixer-Kompatibilität, Stabilität, Kompaktheit, niedriger Latenz und unschlagbarer Wirtschaftlichkeit macht das iPad zu einer interessanten Lösung, um den Live-Mix mit Plug-ins anreichern zu können.
Der Erfolg liegt in der pragmatischen Herangehensweise: klare Plug-in-Strukturen für Live-Bedingungen, bewährte Routing-Konzepte und Fokus auf Stabilität statt Feature-Overkill. So wird aus dem iPad ein vollwertiges Live-Processing-Rack, das auch auf großen Bühnen professionellen Ansprüchen genügt.