Felt Instruments Wszystko Test

Produzenten aller Stilrichtungen suchen immer nach dem Sound, der ihre Songs veredelt. Gerade wenn es intimer sein soll, greift man gern zu akustischen Instrumenten. Aber vieles ist dann doch schnell ausgeleiert: Streichensembles, Jazzpianos oder Wurlis hauen nur noch selten vom Hocker.
Anders sind die Plugins von Felt Instruments. Sie basieren auf eigen klingenden, alten Klavierinstrumenten und Streichern, die sorgfältig gesampelt und sogar noch mit analogen Klangprozessoren veredelt wurden. Natürlich braucht man für die Multisamples einiges an Speicherplatz, aber das lohnt sich.
Helenko, Lekko, Jasno und Co. sind – wie ihre Namen – einheitlich und intuitiv designt, bieten kreative Presets sowie einfache Möglichkeiten zur Klangmanipulation. Achja und Echos und Reverbs gibt es auch noch dazu: ein Rundum-Sorglospaket für alle Liebhaber besonderer Keys und Streichersounds.

Details

Das Wszystko genannte “All-In” Bundle von Felt Instruments besteht aus drei Parts: Strings, Keys und einem Effekt. Alle eint eine besondere Sampling-Philosophie, die bewusst menschliche Elemente im Sound bewahren will: Nicht immer sind es die besten Takes, die in die Sample-Bibliothek für die Plugins aufgenommen wurden. Menschliche Spielgeräusche sowie Umgebungsrauschen wurden nicht vollständig ausgeblendet. Das Ergebnis ist ein gewisses Level an Überraschung beim Spielen: Nicht immer sind die Noten „on time“, selbst wenn ein Sequenzer sie spielt. Und auch Automationen haben nicht immer einen makellosen Touch.

Verschiedene Tasteninstrumente

In der Pianoabteilung gibt es vier verschiedene Instrumente. Jasno bringt ein seltenes Hohner-Instrument aus dem Deutschland der 60er ins Studio: ein Guitaret, das manchen durch seine Verwendung im Soundtrack zum Film „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ bekannt sein könnte – dort wurde es von Nick Cave und Warren Ellis zum Klingen gebracht. Das Instrument ging bei Felt für kreative Presets unter anderem durch eine Bandmaschine, deren Geschwindigkeit auf der Nutzeroberfläche angepasst werden kann. 
Lekko ist das „klassischste“ der drei Instrumente: ein Upright-Piano, dessen Charakter vor allem in mehreren Sustain-Typen liegt, die beim Spielen parallel zu hören sind. Für Helenko wurde ein altes Celesta aus den 1930er Jahren aufgenommen. Hier entstehen vor allem durch die regelbare Lautstärke der mitgesampelten Geräusche von Klaviatur und Hämmern intime Sounds. Ciemno ist schließlich ein Pianet-Plugin, ebenfalls auf Basis eines Hohner-Instruments, das nur einen einzigen Patch hat und daher in der Einzelausführung auch weniger kostet. Sein „Spezialfeature“ ist ein Regler für die „Era“, aus der es stammt. 

Das grundständige Featureset wird in allen Plugins durch einen 3-Band-EQ und drei unterschiedliche Echo- bzw. Reverb-Typen, jeweils von kurz bis lang, komplettiert. Bis auf Ciemno bieten alle Keys-Plugins außerdem sogenannte „Afterglow“-Patches, die den Ursprungssound verfremden. Hier findet sich alles von Tremolos bis hin zu wilden, trance-artigen Lead-Sounds. Die meisten dieser Patches sind MPE-kompatibel, wobei jeweils ein bestimmter Parameter auf MPE-Befehle wie „Pressure“ oder „Glide“ geroutet ist, was auch immer im Interface direkt angegeben wird. Zu beachten ist neben dieser flexiblen Performance-Option immer auch, dass aufgrund der Limitationen der Geräte selbst die Plugins einen teilweise stark eingeschränkten Oktavumfang haben. Auch aus diesem Grund laden die Interfaces und Afterglow-Presets zum Verfremden von Sounds ein – warum zum Beispiel nicht mal resampeln?

Den Abschluss der Testorgie macht nach dem Piano-Instrument der jüngst vorgestellte, erste Effekt von Felt Instruments: Rysy, ein Tief-/Hochpassfilter mit Preamp-Simulation aus dem Studio des legendären Komponisten Karlheinz Stockhausen. Erwähnt werden sollte zudem noch Wolno, das als Gratis-Plugin einen Einstieg in die Felt-Welt bietet. Es basiert auf Lekko-Samples, deren Tempo um die Hälfte reduziert wurde. Damit können Unentschlossene bedenkenlos ihre VST-Reise ins Felt-Land beginnen.

Praxis

Blisko: vor allem im Ensemble stark

Aus der Blisko-Sammlung hat mir vor allem das Kombi-Instrument Blisko Lite Freude gemacht, da komplexe Streichersounds mit ihm am effektivsten erzeugt werden können. Besonders beim Spielen von Akkorden entsteht eine große Raumfülle, die mit subtilen Echos und Halleffekten noch weiter verfeinert werden kann. Aus der Afterglow-Sammlung überzeugten tatsächlich alle Sounds. Besonders spannend sind die, welche mehrere Spielweisen kombinieren. So ist es etwa möglich, die dynamischen „Tremolo Bursts“ über einen Klick auf eines der drei Quadrate im oberen Menü mit Bogenschlägen auf Holz oder Flageolets zu layern – für noch mehr Textur und zugleich schöne Obertöne.

Die einzelnen Plugins – Violine, Viola und Cello – eignen sich für Pluck-Strings und emotionale Sololäufe ebenso, sind aber leider etwas leise gesampelt. Werden sie in der DAW gepusht, zeigt sich, dass sie mit einem wirklich hohen Noisefloor aufgenommen wurden. Der ist nicht brutal, sondern klingt einfach sehr eigen, ist daher aber nicht wirklich für klassische Produktionen geeignet. Ein wenig Abhilfe schafft der integrierte EQ, der die Höhen um 3 dB absenken kann und den Rauschabstand verringert, ohne dem Gesamtsound viel Schaden zuzufügen. Dennoch sind meine Afterglow-Favoriten der Einzelinstrumente bis zum Schluss solche geblieben, die eher was für Ambient- oder Electronic-Produktionen sind, etwa die perkussiven und texturierten Sounds der Presets „Pointillist Sustain“ oder „Ricochet“.

Audio Samples
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Blisko Cello: Sul Tasto Pulso Blisko Lite: Ricochet Blisko Viola: Pointillist Sustain Blisko Violin: Flageolet Tremolo

Jasno: Warme Melancholie mit Orgelcharakter

Aus dem Rauschproblem wurde im Fall Jasno offenbar gelernt, denn hier kann „Noise“ frei hinzugeregelt werden. In der Standardeinstellung ist sie nicht vorhanden – und das ist gut so, denn das melancholische Hohner Guitaret aus den 60ern verfügt über einen dumpf-warmen Sound. Zu dem passt helles Rauschen nur in geringem Maß. Von Haus aus erklingt eine heimlige Lo-Fi-Orgel, mit der Pianisten sicherlich stundenlang improvisieren wollen.

Bei Jasno wie bei allen weiteren klavierbasierten Plugins fällt die Hüllkurven-Funktion stärker ins Gewicht. Mit kurzem Release und etwas mehr Echo entstehen wundervoll subtile Solostimmen im „Toy Piano“-Stil. Wird hingegen die Attack erhöht, kommen weiche Flächen zustande, bei denen es neben Hall auch durchaus etwas mehr Rauschen sein darf. Besonders responsiv beim Spielen mit dem Seaboard war das Afterglow-Preset „Disperse“, welches je nach Druckintensität mehr oder weniger perkussive Zwischentöne über dem grundlegenden Flächensound generierte.

Audio Samples
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Jasno: Becoming Ocean Jasno: Disperse Jasno: Echoes Jasno: Piano Drop Jasno: Plucks Jasno: Unsynced Tremolo

Lekko: Der Favorit

Während Jasno aufgrund der Kompaktheit des Guitarets nur in drei Oktaven spielbar ist, bietet Lekko einen Tonumfang von sechs. Hier sind die mechanischen Geräusche des gesampelten Pianos deutlich präsenter, was zusammen mit dem helleren Sound für mehr Durchsetzungskraft im Mix sorgt. Wer diesen Effekt noch etwas pushen will, kann im EQ den „Air“-Parameter hochregeln. Nicht nur, dass das analoge Rauschen dann in einer angenehmen Intensität in den Sound gelangt, sondern werden die hohen Frequenzen so auch präsenter, ohne zu laut zu sein. Man hört bei +12 dB sogar das Quietschen der Hämmer. Lekko ist das vielleicht am feinsten klingende Instrument des Felt-Bundles – und daher auch mein Testfavorit.

Hier habe ich ebenfalls wieder einen Preset-Tipp: „Tears in the Rain“. So pathetisch wie der Name klingt, ist es zum Glück nicht: Es ist ein Pad-artiger Sound mit vokalen Elementen, klingt aber trotz der Parameterbenennungen „Vocal Aaa“ und „Vocal Mmm“ nicht wie ein Chor. Es sorgt so für eine spirituelle, aber zugleich auch menschliche Atmosphäre. Mit MPE gespielt reagiert das Preset sehr schön auf Druckintensität und erzeugt elegante polyphone Glides. Ein Patch, bei dem man sich enorm gut vorstellen kann, wie er live gespielt wirkt – sehr leidenschaftlich und intim zugleich.

Audio Samples
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Lekko: Muted Shorts Lekko: Quarter Speed Sus Lekko: Sunrise Lekko: Sustains

Helenko: Wobble wobble

Weiter geht’s mit der Celesta Helenko. Es ist das klanglich, sagen wir, speziellste der Instrumente. Beim Sampeln wurde die Abdeckung des Instruments mit aufgenommen. Und die quietscht – sehr. Für einen klassischeren Sound kann der Effekt über den „Lid“-Parameter abgeschaltet werden, dann geht aber wiederum etwas Charakter verloren, das Instrument wird generischer. Das macht Helenko im Standardmodus „Sustain“ zwar etwas schwieriger, aber nicht unmöglich einzustellen. Die Lösung lautet: „Drift“. Mit dem Parameter in der unteren Reglerreihe kann ein schönes Tremolo eingestellt werden, das gut mit der Option harmoniert die Klappe automatisch auf- und zuzumachen. Wer sich den Effekt voll geben will, kann alternativ das Preset „Lid Tremolo“ wählen. Das quietscht dann aber so richtig.

Generell sind die Presets von Helenko etwas exzentrisch. „Days of our Lives“ etwa klingt überraschend stark nach Trance und EDM, und das nicht im positiven Sinn. Meinen Geschmack hat eher das Afterglow-Preset „Rosemary was right“ getroffen, das in Richtung Granularsynthese und Glitch geht. Ich habe Helenko für die Audiobeispiele auch durch das Filter Rysy geschickt, das besonders im Highpassmodus mit integriertem LFO schöne Ergebnisse zeitigte.

Audio Samples
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Helenko: Sustains Helenko: Arrival Helenko: Dancing with Devils Helenko: Days of our Lives Helenko: Rosemary Was Right Helenko in Rysy LP Helenko in Rysy HP mit LFO

Ciemno: Der Geheimtipp

Zum Schluss wurde ich dann noch einmal sehr positiv beglückt. Denn das reduzierteste Plugin der Serie, Ciemno, hat einen ganz besonderen Charme. Es klingt beim ersten Tastendruck wie Jasno, aber wenn man dann ein wenig die Oktaven rauf und runter geht (es bietet sechs), zeigt sich ein deutlich vollerer Sound, der irgendwie direkt in den Bauch geht. 

Ciemno klingt wirklich rund, ganz ernst gemeint und ohne Übertreibung. Dazu kommt noch, dass es selbst in den radikaleren Einstellungen noch brauchbar ist: Über den Regler „Era“ kann sein Sound bis ins 19. Jahrhundert zurückgebeamt werden und wird mit der Zeit immer instabiler. Dennoch lässt es sich noch ausdrucksvoll und melodisch spielen – ein tolles Teil.

Audio Samples
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Ciemno: Grundsound Ciemno mit Reverb Ciemno mit Echo

Damit hinein ins Schlusswort: Alle Musiker, die auf delikate, dynamische, akustische Instrumente aus sind, finden hier einige tolle Optionen. Wie bei jedem Instrument braucht es etwas Eingewöhnungszeit, um die Eigenheiten und die unterschiedlichen klanglichen Details kennenzulernen. Ist das responsive Verhalten aber einmal in die Spielweise integriert, macht es viel Freude. Für die Basissounds ist die Nutzung eines MPE-Controllers nicht unbedingt nötig, der Grundklang und eine sensible Anschlagsdynamik leisten genug. Bei den Afterglow-Presets hingegen lohnt sich der Besitz eines Seaboards oder LinnStruments sehr. Die polyphonen Soundeffekte wie mehr Tremolo oder verstärktes Hintergrundrauschen bei mehr Druck machen den Klang noch eine Stufe komplexer.

Meine Einzelfavoriten sind Blisko Lite, Ciemno und vor allem Lekko, wobei die letzten beiden auch die erschwinglichsten Felt-Plugins sind. Sie eignen sich für Soundtracks und andere Kompositionsarbeiten genauso wie für elektronische Musikproduktionen, sind also sehr flexibel. Nicht zu verachten ist auch die Option, Akkorde aus ihnen zu sampeln und in granulare Synths einzuspeisen: Die komplexen Texturen der Felt-Plugins eignen sich hervorragend als Soundquelle in Padshop, Omnisphere und Co. Bei den restlichen Plugins, Helenko, Jasno und die einzelnen Blisko-Versionen, überzeugten vor allem Afterglow-Presets, und zwar besonders solche mit Pluck-Charakter. Sie klingen prägnant, genauso wie die flächigeren Klänge. Insgesamt bewegen sich alle Instrumente auf einem sehr hohen Niveau und man merkt die Leidenschaft, die in ihre Konzeption eingeflossen ist.

Top 10 Granular-Synthesizer-Plugin – die besten Granular-Synthshttps://www.bonedo.de/artikel/einzelansicht/top-10-granular-synthesizer-plugin-die-besten-granular-synths.html

Fraglich ist, ob es die ganze Suite als Bundle sein muss. Man spart umgerechnet knapp 185 Euro, was den Einzelpreisen von zwei bis drei enthaltenen Plugins entspricht. Etwas mehr Rabatt würde es sicherlich attraktiver machen, sind doch die einzelnen Plugins für ihren Leistungsumfang wiederum ziemlich fair bepreist. Alternativ gibt es Lekko und Jasno gemeinsam für etwas weniger Geld und auch die Blisko Collection im Bundle – oder eben nur Lekko oder Ciemno einzeln.

Lekko + Jasnohttps://feltinstruments.com/Lekko-Jasno

Blisko Collectionhttps://feltinstruments.com/Blisko-Collection

 

 

PRO

Besondere Sounds akustischer Instrumente

Einfach bedienbares Interface

Kreative Afterglow-Presets mit MPE

Mehr Dynamik dank ‚unperfekter‘ Multisamples

 

CONTRA

Bundlerabatt etwas niedrig

Manche Plugin-Presets sehr leise

 

Gesamtwertung: 4/5

 

Preise

Bundle wszystko (ohne Rysy): ca. 520 Euro

Helenko: ca. 70 Euro

Blisko Cello/Viola/Violine: je ca. 90 Euro

Blisko Lite: ca. 210 Euro

Lekko: ca. 57 Euro

Jasno: ca 57 Euro

Ciemno: ca. 34 Euro

Rysy: ca. 57 Euro

Unser Fazit:
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