Produce-Alike #23 – Katy Perry “Roar”

Katy Perry ist zurück und reiht sich in die Riege der Stars ein, denen wir eine zweite Folge der Produce-Alike Serie widmen. Ihr neuer Song „Roar“ verwies schon in der ersten Woche nach der Veröffentlichung sogar die etwa zeitgleich erschienene Comeback-Single “Applause” von Lady Gaga auf die Plätze. Also haben wir den Titel für euch auseinander gepuzzelt.

Foto: Cass Bird / Universal Music
Foto: Cass Bird / Universal Music

“Roar” ist ein Midtempo-Popsong, mit dem sich die meist leicht bekleidete Pastorentochter vorsichtig von den Bubblegum-Dance-Pfaden entfernt, die sie zuletzt so erfolgreich beschritten hatte. Das Autoren- und Produzententeam besteht allerdings aus alten Bekannten, die auch schon für ihre früheren Erfolge verantwortlich waren: Neben Perry selbst stehen die Hitexperten Dr. Luke, Max Martin, Bonnie McKee und Cirkut auf der Creditliste.

Intro und Strophe

Gleich zu Beginn des Songs begegnen wir dem leicht stolpernden Groove aus etwas trashig klingenden Oldschool-Vinyl-Samples, der den gesamten Track trägt. Solche Drums findet man in unzähligen Hip Hop Sample Libraries, besonders auf Sample-CDs aus den Neunzigern, die die Wörter “Vinyl”, “Street” oder “Hip Hop” im Titel tragen. Ich habe meinen alten Koffer mit Sample-CDs hervorgekramt, aus diversen Einzelsamples in Logic ein EXS24-Programm gebastelt und dann nach Lust, Laune und Gehör Samples kombiniert. Auf der “1” kommt zusätzlich zu der dünneren, stolpernden Kickdrum eine etwas tiefere, fettere Kick zum Einsatz. Die Snare auf der “2” ist recht dünn, während die “4” durch ein lauteres, trashiges Snaresample betont wird.

Audio Samples
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Intro Groove
Das Drumpattern im Piano Roll Editor
Das Drumpattern im Piano Roll Editor

Vor allem die Snares bekommen recht viel Hall, und auf der „4“ spielt zusätzlich ein stark verhallter Schellenkranz:

Audio Samples
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Intro Groove mit FX

Die Achtelfigur aus Orgel und Gitarre, die dazu spielt und im Intro und den Strophen hauptsächlich für das harmonische Gerüst zuständig ist, klingt ebenfalls wie ein Sample von einer alten Platte – wie ein Schnipsel aus einer Performance einer Band. Beginnen wir mit der Gitarre:

Audio Samples
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Die Gitarre im Intro
Der Gitarrensound: Ein alter Fender-Amp
Der Gitarrensound: Ein alter Fender-Amp

Hinzu kommt eine Orgel, für die ich mein Nord Stage 2 angeworfen habe.

Audio Samples
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Intro Orgel
Der Orgelsound für's Intro (Handyfoto)
Der Orgelsound für’s Intro (Handyfoto)

Um den Sample-Charakter zu erreichen, werden die Gitarre und die Orgel auf einen gemeinsamen Bus geroutet. Hier arbeitet zunächst ein recht großer Hall. Danach habe ich das Freeware-Plugin Izotope Vinyl eingefügt, mit dem man den Sound etwas „auf alt“ zurecht biegen kann. Der Hall kommt hier bewusst nicht als Sendeffekt zum Einsatz, weil auch er durch das Vinyl-Plugin laufen soll – bei einem Sample von einer alten Aufnahme würde ja auch der Hall alt klingen.

Audio Samples
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Gitarre und Orgel nach den Effekten
Die Gitarre und die Orgel werden mit Izotope Vinyl "verschönert"
Die Gitarre und die Orgel werden mit Izotope Vinyl “verschönert”

Nun brauchen wir noch einen Subbass, in meinem Fall vom Moog Little Phatty. Der Sound hat eine relativ lange Glide-Phase – beim Spielen einer neuen Note brauchen die Oszillatoren also recht lange, um zum neuen Ton zu rutschen. Der Bass durchläuft einen Chorus und ein Plugin, das zusätzliche Obertöne generiert und die Basswahrnehmung auf kleinen Boxen verbessert.

Audio Samples
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Die Bass-Effektkette
Die Bass-Effektkette
Die Bass-Effektkette

Damit ist das Intro fertig, und nebenbei auch gleich die Strophe. Mit diesem kurzen Pattern geht es nämlich direkt weiter bis zum Chorus. Zur Hälfte der Strophen ändern sich die Vocals und gehen in eine Art Prechorus über – das Instrumentalplayback bleibt aber unverändert.

Audio Samples
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Intro und Strophe

Chorus

Im Chorus wird alles ein bisschen fetter. Fangen wir mit den Drums an. Der Groove aus der Strophe läuft zwar weiter, wird aber von lauten und sehr räumlichen Drums „angedickt“, die ich aus XLN Audio Addictive Drums habe. Mehr als Kick und Snare brauchen wir nicht, aber wir geben den Drums ein kurzes Sechzehnteldelay, wodurch sie ein bisschen an die berühmten Treppenhaustrommeln von Led Zeppelin erinnern:

Audio Samples
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Chorus Big Drums
XLN Audio Addictive Drums
XLN Audio Addictive Drums

Beim Bass ändert sich nichts, er ist mit der Strophe identisch. Aber an der Gitarrenfront dürfen wir bei „Roar“ mal etwas dicker auftragen. Als Gitarrenlegastheniker habe ich mir dafür meinen bonedo-Kollegen Lars Dahlke ins Studio geholt, der so nett war, die Chorus-Gitarren einzuspielen. Das Ziel ist eine ziemlich dichte Wand aus Sound, weshalb die Gitarren schon vor der Verstärkersimulation einen virtuellen Bodentreter-Kompressor für mehr Sustain und ein Delay bekommen. Die gedoppelte Hauptgitarre markiert die Akkordwechsel:

Audio Samples
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Chorus Git einzeln Chorus Git gedoppelt
Kompressor, Delay, Marshall-Amp und noch ein Kompressor: Der Chorus-Gitarrensound
Kompressor, Delay, Marshall-Amp und noch ein Kompressor: Der Chorus-Gitarrensound

Jetzt greifen wir ein bisschen in die Trickkiste: Um die Energie noch zu steigern und den Eindruck einer permanent drückenden Wand aus Sound zu bekommen, habe ich die gedoppelten Gitarren ohne Delay als neue Audiospur gebounct, in die einzelnen Akkorde zerschnitten und diese rückwärts abgespielt.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Gitarren werden gebounct, in die einzelnen Akkorde zerlegt…

Das hört sich dann so an. Die schmutzigen Artefakte habe ich bewusst drinnen gelassen, sie gehen nachher im Mix unter, sorgen aber für einen nicht zu sauberen Sound.

Audio Samples
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Rückwärts-Gitarre

Und so klingt die Rückwärts-Gitarre in Verbindung mit den beiden vorwärts abgespielten Spuren:

Audio Samples
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Gitarren kombiniert

Auch die Orgel darf im Chorus mitspielen. Sie beschränkt sich auf liegende Akkorde:

Audio Samples
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Chorus Orgel

Unterfüttert wird das Ganze noch mit einer weichen, opulenten Fläche aus dem Access Virus TI.

Audio Samples
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Virus Pad
Access Virus TI (Plugin-Komponente)
Access Virus TI (Plugin-Komponente)

Und so klingt der fertige Chorus:

Audio Samples
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Chorus

Mittelteil und Song

Die zweite Strophe und den zweiten Chorus habe ich ausgeklammert, weil hier nichts Neues passiert. Stattdessen geht’s weiter mit dem Mittelteil nach dem zweiten Chorus.

Hier setzen die Drums aus. Die gedoppelte Gitarre bleibt uns erhalten – allerdings werden die Akkorde nicht so hart angeschlagen, sondern eher sanft in die Saiten “gestreichelt”:

Audio Samples
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Gitarren Mittelteil

Im Übergang zum letzten Chorus kommt ein einziges Mal F-Dur als Dominantakkord ins Spiel. Auf diesem Akkord wenden wir wieder den Trick mit der Rückwärtsgitarre an, wodurch der Akkord zum Chorus hin anschwillt:

Audio Samples
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Gitarren Mittelteil mit Reverse

Auch die Orgel und der Virus dürfen im Mittelteil weiter spielen:

Audio Samples
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Orgel Mittelteil Virus Mittelteil

Auf dem besagten F-Dur-Akkord beginnen die Addictive Drums mit Achteln auf der Snare, die sich in der Lautstärke steigern.

Audio Samples
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Drums Mittelteil

In Verbindung mit dem anschwellenden Gitarrenakkord ergibt das eine Steigerung bis zu einem Break, in dem Katy Perry den Auftakt zum letzten Chorus anstimmt: “I’ve got the eye of the tiger!” So klingt der Mittelteil:

Audio Samples
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Mittelteil

Letzter Chorus

Auch der dritte und letzte Chorus entspricht im Wesentlichen den ersten beiden. Allerdings wird hier natürlich das übliche Feuerwerk von Gesangsstimmen gezündet und wir dürfen auch noch etwas tun: Eine leise Akustikgitarre stützt das Arrangement zusätzlich und eine kleine Gitarrenmelodie schleicht sich kaum hörbar ein.

Audio Samples
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Akustikgitarre für Chorus 3 Gitarrenmelodie für Chorus 3
Gitarrensound für die Melodie: Kompressor, Fender Twin, Delay
Gitarrensound für die Melodie: Kompressor, Fender Twin, Delay

Und damit sind wir fertig und können Katy Perrys neuen Hit in den Grundzügen nachbauen. Ich hoffe, dass es euch auch diesmal Spaß gemacht hat. Bis zur nächsten Folge Produce-Alike!

Audio Samples
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“Roar” – Song
Hot or Not
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Foto: Cass Bird / Universal Music

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Profilbild von Nils Westermann

Nils Westermann sagt:

#1 - 04.02.2014 um 06:24 Uhr

0

!Daumen hoch! Coole Sache

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