Nektar Bolt Test

Es kommt nicht oft vor, dass es grundlegende Neuigkeiten an der Synthesizer-Front zu melden gibt. Umso mehr überrascht der innovative Synthese-Vorstoß von Nektar – einer Firma, die eigentlich für Controller-Keyboards bekannt ist – mit ihrem ersten Soft-Synth Bolt.

Harmonics Synthesis Software-Synthesizer Nektar Bolt


Die „neue“ Harmonics Synthesis ist eine Variante der Bandlimited Impulse Train Synthesis (BLIT), bei der eine Impulsfolge mittels Hammerich Pulse erzeugt wird und durch dessen zwei Parameter – Anzahl der Harmonischen und Roll-Off – definiert wird. Und das wiederum macht klassische Filterschaltungen überflüssig und erzeugt eine Vielzahl sehr organisch klingender Wellenformen direkt im Oszillator. Und wie man das musikalisch nutzen kann, das testen wir an Bolt!

Details

Allgemeines

Nektar Bolt ist ein Software-Synthesizer für die Formate VST/AU. Es ist das erste Instrument der recht jungen Controller-Keyboard Firma, die man vor allem für die Panorama Serie kennt. Bolt benötigt gerade einmal 15 MB auf der Platte, bedient sich aber recht üppig an der CPU.

Ein Software-Synth, was ganz Neues

Auf Bolt trifft das wirklich zu, vor allem seine Synthese-Art hat es bisher so nicht gegeben! Das mag auf den ersten Blick überraschen, da das klar strukturierte GUI und Controller-Layout bekannte Gefühle weckt. Aber halt, es gibt gar keine Filter-Sektion?!
Die braucht es hier auch nicht unbedingt, denn Bolt generiert seine Oberton-Struktur direkt im Oszillator. Das nennt sich Harmonics-Synthesis und lässt sich mit der subtraktiven Synthese nicht vergleichen. Es ist es also ein Art additiver Ansatz, aber keine FM-Synthese mit der klassischen Bank von vielen Oszillatoren. Vereinfacht gesagt generiert der Oszillator eine äußerst schnelle Impulsfolge, dessen Sequenzstruktur den entsprechenden Obertoncharakter bestimmt. Doch die graue Theorie ist langweilig, schauen und hören wir uns das doch einfach mal an einem simplen Beispiel an.

Zwei OSCs, drei LFOs, drei Envelopes

Es gibt insgesamt zwei Oszillatoren, beide mit den üblichen ADSR-Hüllkurven ausgestattet sowie mit folgenden sich selbsterklärenden Parameter versehen: Shift, Detune, Noise, Invert, Volume und Panorama. Und einen Sub-Oszillator gibt es außerdem.
Die beiden Parameter Harmonics und Roll-Off hingegen dürften ungewohnt anmuten, genau wie Odd und Deep. Grob gesagt liefert der Oszillator bei „Harmonics gleich Null“ einen Sinus und beim Maximum eine Art Rampe. Odd wiederum liefert ungerade Harmonische. Im Zusammenspiel und mit den entsprechenden Zwischenwerten jedenfalls lassen sich jede Menge Wellenformen generieren und vieles zwischen Sinus, Sägezahn und Rechteck ist möglich. Und das sieht man auch recht eindrucksvoll in dem Waveform/Spektral-Display über dem großen Lautstärkeregler.

Fotostrecke: 4 Bilder Einer der beiden Harmonics-Oszilatoren und die Waveform/Spektral-Anzeige.

16 Stimmen, Voice Double und „xDrive“

Aber halt! Das ist immer noch nicht alles. Bolt ist bei Bedarf sogar 16-stimmig und einen eingebauten, modulierbaren Drive gibt es auch – pro Oszillator! Es wird also hier nicht nur einfach global gezerrt, sondern gleich mal pro Stimme UND Oszillator, was im Ergebnis noch mehr Obertonvariationen zulässt!
OSC-individueller Glide, Voice Doubling, Unisono und Detune/Width machen Bolt im Zweifelsfall aber auch noch „konventionell“ breiter. Ein CPU-Leichtgewicht wird er dadurch aber nicht immer!

Straight forward FX

Selbstverständlich hat Nektar auch an Effekte gedacht. Es gibt einen EQ, einen Chorus, ein Delay und auch einen Reverb. Abgesehen vom EQ kennen dabei alle Effekte zwei Parameter und lassen sich zusätzlich mit einen Mix-Regler hinzumischen. 
Ich verrate an dieser Stelle sicherlich nicht zu viel, wenn ich sage, dass es sich nach einer kurzen Eingewöhnung ziemlich schnell und vor allem effektiv an diesem Synth schraubt. Performen lässt sich der Bolt dank schneller Doppel-Mod-Wheel und Aftertouch-Zuweisungen aber auch.

Praxis

Neuer Ansatz, schlankes GUI, tolle Bedienbarkeit

Bolt glänzt – ganz im Gegensatz zu den meisten aktuellen Synthesizer-Konzepten – nicht damit, was er alles hat, sondern vor allem damit, was er nicht hat. Ich habe es schon oft gesagt und werde es auch an dieser Stelle wieder tun: Ich hasse Vintage-Emulation-Foto-GUIs. 
Bolt ist ein Stück Software. Das sieht man und das ist gut. Und abgesehen von den LFOs gibt es auch keine weiteren Unterseiten oder gar versteckte Menüs zu befürchten.

Die Preset-Selektion ist äußerst Praxis-orientiert und verzichtet auf unnötige Show-Effekte.

Tolle, funktionale Presets

Bolt versteht sich nicht als Preset-Schleuder, an der man nur ein bisschen nachjustiert, sondern lädt konsequent zum Selbstprogrammieren ein. Aber nicht falsch verstehen, die mitgelieferten 512 Presets sind dennoch sehr gut und fachmännisch selektiert: Sie überzeugen durch eine hervorragende Praxistauglichkeit und entziehen sich jeglicher Star-Allüren. Nektar möchte uns also nicht mit unnötig komplexen Sounds zumüllen, über die man sich auch nur einmal in der Demo freut, aber niemals in einer Produktion verwenden wird. 
Das vorausgeschickt kann ich Bolt Top-Presets in den Sparten Bass und Pads attestieren. Schnelle, satte Sounds sind dabei genauso möglich wie lange sphärische Sachen, welche allesamt auch nicht klinisch steril oder gar digital kalt klingen. Dazu trägt auch der wirklich feine Chorus bei, der im Nu fetteste Breite schafft.
Apropos Effekte: Das konzentriert fokussierte Design von Bolt zeigt sich auch in der Effekt-Abteilung, in den paar Parametern wird man sich nicht verlieren. Dennoch bieten die Effekte viel Spielraum, auch weil sich unter der Haube teilweise Multi- bzw. Macro-Effekte abspielen. Das Tail des Reverbs beispielsweise komprimiert bei drastischeren Werten zusätzlich. Die Reihenfolge oder Anzahl der Effekte lässt sich jedoch (noch) nicht ändern. Speziellere und feinere Tools finden sich sicherlich ohnehin in der DAW des Vertrauens, von daher finde ich den „go2-Ansatz“ mehr als gelungen. Aber nun genug geblubbert, hört doch einmal selbst.

Audio Samples
0:00
Drones and Scrapes Dull Minimal Bassline Cheesecake Factory

Kein Filter? Kein Filter.

Die Audiobeispiele sprechen für sich, blumige Worte schenke ich mir. Grundlegend ist alles mit Bolt möglich, seine Stärken sehe ich aber besonders in Bässen und Strings/Pads, das direkte Spiel mit der Obertonstruktur zahlt sich eben aus. 
Nichtsdestotrotz hab ich hin und wieder mal ein konventionelles Filter vermisst, in den meisten Fällen hätte mir sogar ein statisches gereicht. Da ich mit Ableton Live arbeite, war das Auto-Filter schnell zur Hand. Wobei ein externes Filter der Weg des geringsten Widerstandes war, mit etwas Tuning der Bolt-Parameter hätte man den Einsatz auch umgehen können. Für neue Sache muss man sich hin und wieder eben einmal zwingen.

Darf’s noch ein bisschen mehr sein?

Die eingebauten Effekte sind effektiv und klanglich hochwertig. Vor allem der Chorus klingt sehr gut, „u know“, genau wie das Delay. Das plakative Plate Reverb ist hingegen nicht so sehr meins – aber dennoch nicht schlecht. 
Die etwas starre Struktur der Effekte darf in einer nächsten Version für meinen Geschmack gern etwas aufgebrochen werden. Gleiches gilt für den Preset-Browser: Attribute, Suchfunktionen und dergleichen wären 2019 schon schön, wenn auch die aktuelle Anzahl an mitgelieferten Patches (noch) ohne diese Funktionen gut handelbar sind.

Fazit

Nektar Bolt zeigt auf unprätentiöse Weise, wie man ein neues Synthese-Konzept in ein tolles Software-Instrument überführt. Die Harmonics Synthesis ist neu, effektiv und wird dank Bolt schnell begreifbar und damit intuitiv einsetzbar. Hinzu kommen wirklich tolle Werkssounds. Bolt bietet damit ein frisches Konzept, schnell bedienbar, visuell toll umgesetzt und ist obendrein für aktuell 99 Euro auch äußerst günstig zu haben. Sicherlich, ein paar Extras dürfen noch folgen – bei einem so jungen Produkt darf man aber trotz dessen schon volle Punktzahl verleihen.

Pro
  • sehr guter Klang, tolle Presets
  • neues Harmonic Synthesis Konzept
  • effektiver Parametersatz, funktionale GUI
  • keine versteckten oder toten Parameter
Contra
  • kein Contra
Harmonics Synthesis Software-Synthesizer Nektar Bolt
Features
  • Virtueller Synthesizer mit neuartiger Harmonics-Synthesizer
  • eigener Klangcharakter mit bis zu 16-stimmiger Polyphonie
  • 2 Oszillatoren mit Suboszillatoren und Rauschgenerator
  • jeder Oszillator mit Verzerrerstufe und ADSR-Hüllkurve
  • flexibler Unisono-Modus für breite und volle Klänge
  • Oscillator 1 mit zusätzlichem Sinusoszillator für FM-Klänge
  • Cross-Modulation von Osc 1 durch Osc 2
  • 3 LFOs mit erweitertem Schwingungsbereich bis 10 kHz
  • 13 Wellenformen und MIDI-Syncronisation
  • eine ADSR-Hüllkurve für weitere Modulationen
  • 4 Modulationsziele pro Quelle (LFOs, Hüllkurve)
  • 4 Effektprozessoren mit EQ, Chorus, Delay und Hall
  • mono- und polyphone Modi mit einstellbarem Glide
  • 2-stufiger automatischer Limiter
  • unterstützte Formate: VST2 / VST3 / AU
  • Systemvoraussetzungen: ab Win7 (64-Bit), ab Mac OSX 10.9, Internetverbindung
Preis
  • EUR 99,- ( Straßenpreis am 1.2.2019)
Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • sehr guter Klang, tolle Presets
  • neues Harmonics Synthese Konzept
  • effektiver Parametersatz, funktionale GUI
  • keine versteckten oder toten Parameter
Contra
  • kein Contra
Artikelbild
Nektar Bolt Test
Für 95,00€ bei
Hot or Not
?
Harmonics Synthesis Software-Synthesizer Nektar Bolt

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Profilbild von Max

Max sagt:

#1 - 12.07.2023 um 21:48 Uhr

0

sehe ich völlig anders, der Synth ist, trotz neuer Methode ein schwaches vier von zehn und hat man schon einmal gesehen, wie das Innenleben eines Nektar Keyboards aussieht, könnte man den Test generell einsparen.

    Profilbild von yoho

    yoho sagt:

    #1.1 - 09.09.2023 um 09:55 Uhr

    0

    Und was hat ein Keyboard jetzt mit einem Software-Synth zu tun? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn, ein Keyboard von dem du vermutlich meinst, dass es schlecht konstruiert ist oder was auch immer dein Kommentar aussagen soll, mit Software zu vergleichen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • dreadbox Artemis Sound Demo (no talking)
  • Arturia Astrolab 88 Review - Arturia's Flagship Stage Keyboard
  • Moog Messenger Sound Demo with Custom Presets