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Interview Wolfmother

Es ist ein kalter, feuchter Herbst-Abend in Berlin-Kreuzberg. Der Wind weht einen unangenehmen Nieselregen durch die Straßen. Vor einem Eck-Café hat sich eine lange Schlange frierender Rockfans gebildet, herein kommt nur wer auf der Gästeliste steht. Nahezu völlig unbemerkt von den Wartenden geht Andrew Stockdale, mit Jeans und dünnem braunen Lederjäckchen bekleidet, in ein Hotel nebenan, um sich auf den Promo-Gig vorzubereiten. In dem Café spielen Wolfmother zu dritt (minus Trommler Dave Atkins) einen Akustik-Gig für eine Schnapsfirma. Ihr Set hat nur drei Songs, darunter den Super-Hit „Woman“ und das Kate-Bush-Cover „Wuthering Heights“, das der Australier mit schneidendem Organ vorträgt. Andrew ist gut bei Stimme, trotzdem wurden sämtliche seiner Presse-Interviews des vergangenen Tages abgesagt, er müsse seine Sprechstimme schonen, hatte das besorgte Management mitgeteilt.

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Hinterher haben einzelne Fans Gelegenheit, sich mit dem Lockenkopf fotografieren zu lassen. Nach einer halben Stunde ist die Promo-Aktion abgehakt. Zwei Stunden später steht Stockdale wieder auf der Bühne. Diesmal ist es die Rampe des ausverkauften Columbia Clubs, die Wolfmother zu den Klängen des Beatles-Evergreens „Come Together“ besteigen.

Die neuerdings zum Quartett gewachsene Band intoniert diverse Songs ihres nagelneuen Albums „Cosmic Egg“, darunter die Single „New Moon Rising“ und nahezu sämtliche Nummern ihres Debüts „Wolfmother“ (2005). Dem Vierer gelingt ein erstaunliches Kunststück: obwohl viele Elemente seines Retro-Rocks bereits bekannt sind, klingen die Songs dennoch taufrisch. Es ist vor allem die jugendliche Begeisterung von Stockdale, die den traditionellen Riffs neues Leben einhaucht.

Der enthusiastische Frontmann wird vom wuschelköpfigen Ian Peres an Keyboards und Bass vorangetrieben, und auch der zweite Gitarrist Aiden Nemeth und Schlagwerker Atkins entwickeln mächtig Schub. Während Andrew beinah orgiastisch röhrt, ganz so wie ein Mix aus Robert Plant und Ozzy Osbourne als brünstige Zwanzigjährige, entlockt die Band ihren Instrumenten den passenden Siebziger-Jahre-Hard-Rock und bemüht dabei Led Zeppelin-, Black Sabbath-, Blue Cheer-, Hendrix- und Deep Purple-Elemente. Zum zweiten Mal an diesem Abend erklimmt Andrew die „Wuthering Heights“, dieses Mal in einer Starkstrom-Version. Wolfmothers hochoktaniger Mix fasziniert generationen-übergreifend und so finden sich im Publikum junge Teenie-Gesichter genauso, wie in Ehren ergraute Veteranen. Nach zwei Stunden verlassen nahezu alle den Saal mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen.

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Zwei Wochen vor dem Doppel-Gig in Berlin hatte bonedo Gelegenheit, Andrew Stockdale zu den aktuellen Geschehnissen rund um seine Band zu befragen. Nachdem die Combo – in ihrer ersten Besetzung – zwei Jahre rastlos um den Erdball getourt war, warfen Ur-Mitglieder Myles Heskett (dr) und Chris Ross (bs, keys) das Handtuch.

Als Grund wurden musikalische und persönliche Differenzen angegeben. „Es war eine stürmische Zeit, aber jeder Sturm zieht vorüber“, meint Andrew zum Split. „Es kamen immer neue Angebote, die Hallen wurden größer, wir wollten diese Möglichkeiten nicht ablehnen. Als wir begannen, waren wir uns einig, vor so vielen Menschen wie möglich zu spielen. Jetzt haben die anderen Typen eine neue Band (Palace Of Fire), sie sind glücklich, einen neuen musikalischen Stil zu spielen und wir machen mit neuen und alten Liedern weiter.“

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Seinen aktuellen Schlagzeuger Dave Atkins traf Andrew per Zufall in einem Café in Brisbane. „Er bot an, für mich zu trommeln. Wir begannen zu jammen. Im Oktober 2008 dachte ich, wir brauchen eine Band. Dave schlug Basser/Keyboarder Ian Peres vor. Aiden Nemeth, den zweiten Gitarristen, kannte ich bereits, ich hatte in einer Band mit seiner Freundin gespielt.“ Die Lieder zum zweiten Album „Cosmic Egg“ (benannt nach einer Yoga-Position) stammen allesamt von Multi-Talent Stockdale. Die temperamentvollen Kracher sind vielschichtiger, dramatischer und bunt wie Hippies geraten. Auf der Scheibe begegnet dem Hörer etwa die „California Queen“, die gradewegs aus den Sechzigern stammen könnte. „Wir wollten einen Stoner- Rocksong haben, wie von Fu Manchu und Kyuss“, erklärt Stockdale. „Ich bin durch die gesamten USA getourt, aber Kalifornien fühlt sich anders an, was wäre Amerika ohne die Palmen und Strände von Kalifornien? Es gäbe nur Industrie-Städte wie Pittsburgh und Detroit, das wäre deprimierend! Abgesehen von New York und Kalifornien würde der Beton-Dschungel dominieren. Was wäre, wenn wir keine kalifornischen Fernsehserien und Filme hätten? Davon wäre die ganze Welt betroffen…“

Die Idee zur Single „New Moon Rising“ kam ihm während einer Neumondnacht, in der er ins Studio fuhr. „Die neue Platte bezieht sich häufig auf das Sonnensystem, auf Tageszeiten, das Wetter, Königreiche, Schlösser und australische Eingeborene“, lacht er. Tatsächlich erscheinen Aborigines in dem Titel „White Feather“. „John Lennon hatte seinem Sohn Julian einmal gesagt: ,Wann immer du eine weiße Feder siehst, denke ich an dich.‘ Bei einem Besuch in Australien, 25 Jahre nach dem Tod seines Vaters, übergab ein Aboriginal-Ältester Julian während einer Zeremonie eine weiße Feder“, berichtet Andrew staunend.

Die Beatles sind ohnehin ein wichtiger Einfluss für den 33jährigen. „Sie sind meine Nummer Eins, sie bewegen sich von „Norwegian Wood“ bis zu „Tomorrow Never Knows“, weil sie so offen sind.“ Neben den Fab Four steht der Wolfmother-Chef auf Bob Dylan. So enthielt das Albumdebüt einen Song namens „The Joker & The Thief“, eine offensichtliche Anleihe aus „All Along The Watchtower“. „Das hab ich von Dylan geklaut“, gibt Andrew unumwunden zu. „Jedes Mal, wenn ein Hip Hopper sagt: ,Make some noise‘, interessiert es irgendjemanden, dass er das gleiche tut wie alle anderen? Die „Joker & Thief“-Zeile ist vierzig Jahre alt, es ist eine gute Zeile.“

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Stockdale hatte lange nach einem Stil gesucht, bevor sich der studierte Fotograf für seine Art des explosiven Retro-Rocks entschied. „Eine Zeitlang spielte ich Flamenco. Ich saß in meinem Zimmer und übte zwei Wochen nur Flamenco. Ich wollte nach Spanien reisen und Zigeuner werden.“ Gleichzeitig interessierte ihn die Alternative Szene. „Ich spielte Henry-Rollins-Songs auf meiner elektrischen Gitarre. Ich liebte beide Welten, aber sie sind völlig unterschiedlich. Damals hielt ich Rock´n´Roll für dumm, er schadet meinem Talent, dachte ich. Auf der anderen Seite ist Rock´n´Roll die Disziplin, in der ich gut bin. Das ist es, was ich kann: Balls-to-the-Walls Rock´n´Roll. Für Flamenco war ich nicht gut genug.“

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