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Interview mit Andrew Marshall (Billie Eilish)

Andrew Marshall hat das, wovon viele professioneller Musiker nur träumen können: einen Gig mit einem absoluten Weltstar. Vielleicht dem Star der aktuellen Zeit schlechthin. Er ist Drummer von Billie Eilish. An der Ostküste der Vereinigten Staaten vor den Toren von New York City aufgewachsen, träumte er seit seiner Jungend davon, auf großen Bühnen zu stehen und Schlagzeug zu spielen.

Alle Bilder von Matty Vogel.
Alle Bilder von Matty Vogel.

Desillusioniert von einem strikten Jazzstudium in Chicago, zog es ihn nach Los Angeles, wo er bereits nach kurzer Zeit zur Audition der jungen Sängerin eingeladen wurde, die bald darauf zum Megastar wurde und schon jetzt von Musiklegenden wie Elton John oder Dave Grohl als Ikone einer ganzen Generation gefeiert wird. Wir sprachen mit dem sympathischen Amerikaner über seinen Werdegang, die Arbeit mit Billie Eilish, sein Hybrid-Setup und wie er die freie Zeit in der Pandemie verbringt.

Hallo Andrew, schön dass du dir Zeit genommen hast. Mittlerweile ist ja sicher auch dein letzter Auftritt eine Weile her. Wie kommst du aktuell durch die Zeit der Pandemie?
Ach, ich schlage mich so durch. Leider habe ich mir gerade beim Skateboarden den Fuß gebrochen und muss mich jetzt erstmal auskurieren. Ansonsten habe ich hier und da Drums in meinem Homestudio für verschiedene Künstler aufgenommen, Video Tutorials für die Online-Platform Landr gemacht und eine Sample Library veröffentlicht. In der letzten Zeit versuche ich aber einfach, irgendwie gesund zu bleiben und nehme es, wie es kommt. Am Anfang der Pandemie war ich wie viele hochmotiviert und habe mir viel zu viel vorgenommen. Ich habe verschiedenste Online-Kurse belegt und wollte weiterkommen, aber mittlerweile hänge ich schon ein bisschen durch. Ich arbeite zwar in meinem Studio an Songs und wir haben auch immer mal einzelne Events mit Billie, aber ansonsten hänge ich gerade viel vor Netflix. Und das ist auch irgendwie okay. Ich habe jetzt auch die Instagram App auf meinem Handy gelöscht und gucke nur von Zeit zu Zeit, ob ich Nachrichten verpasst habe. Ansonsten mache ich viel Sport und bin in der Natur.
Erzähl uns mal ein bisschen von dir. Wie hast du mit Musik angefangen und was hat dich am Schlagzeug fasziniert?
Um wirklich ehrlich zu sein: Ich fand erstmal einfach nur, dass es cool aussah. In meiner Familie spielte niemand ein Instrument, also war alles an Musik für mich neu und faszinierend. In meiner Schule gab es ein Band-Programm, zu dem man sich anmelden konnte, aber es gab natürlich nur Platz für einen Drummer. Also wurden Lose gezogen und ich habe verloren. Ich habe dann für ein Jahr Saxophon gespielt und meine Eltern dauernd angebettelt, bis sie irgendwann aufgegeben und mir ein Schlagzeug gekauft haben. In der fünften Klasse konnte ich dann auch endlich als Drummer in der Schulband spielen.
Du hast ja angesprochen, dass es in deiner Familie bislang keine Musiker gab. Bist du mit deiner Entscheidung, professioneller Musiker zu werden, auf Vorbehalte gestoßen?
Meine Eltern haben mich eigentlich immer unterstützt, mir aber auch den Ernst der Lage klar gemacht. Ihnen war wichtig, dass mir klar ist, dass ich wirklich viel dafür tun muss und es selbst dann trotzdem hart wird. Es wäre natürlich für alle einfacher gewesen, wäre ich Anwalt geworden, aber es war auch völlig offensichtlich, dass ich von Musik regelrecht besessen war. Ihnen war aber wichtig, dass ich meine College-Ausbildung in Chicago beende. Ich habe dann angefangen, Jazz-Studies und Liberal Arts zu studieren. Das Studium sollte fünf Jahre gehen. Nach dem ersten Jahr hatte ich eine ziemliche Sinnkrise. Das Jazz-Programm war sehr traditionell und ausschließlich auf Jazz fokussiert. Ich hatte immer schon in Rockbands gespielt und war zwar offen und vielseitig musikalisch interessiert, mir war aber klar, dass ich kein Jazzmusiker werden wollte. Ich habe dann desillusioniert das Programm verlassen und mich ernsthaft gefragt, ob ich überhaupt ein professioneller Drummer werden kann. Zwischenzeitlich habe ich dann Praktika im Musikbusiness gemacht und geguckt, ob das etwas für mich ist. Während dieser Zeit habe ich aber festgestellt, dass ich einfach trommeln wollte und habe mehr oder weniger alles andere abgelehnt. Zu der Zeit war ich aber schon im dritten Jahr am College und wollte nicht nochmal bei Null anfangen. Also habe ich einen Abschluss in englischer Literatur gemacht, weil ich einerseits Schreiben und Lesen liebe und andererseits damit schneller zu einem Abschluss kommen konnte, um mich dann vollständig auf Musik konzentrieren zu können.

Fotostrecke: 3 Bilder Ob in großen Arenen auf der ganzen Welt…

Bist du dann nach deinem Abschluss direkt nach Los Angeles gezogen?
Nein, ich bin erst noch ein Jahr in Chicago geblieben, weil ich dort in einer Band gespielt habe, die ganz gut unterwegs war und mit der ich auf Festivals gespielt habe und getourt bin. Außerdem habe ich in Musicals gespielt, wobei ich viel gelernt habe. Ich wusste zwar damals schon, dass ich irgendwann in LA enden werde, aber da ich dort noch niemanden kannte, war mein Plan, über Tourneen Kontakte zu knüpfen, um dann in LA besser Fuß fassen zu können. Vor drei Jahren bin ich dann umgezogen.
Einen Start in so einer großen Stadt stelle ich mir nicht einfach vor.
Ich kannte zu dem Zeitpunkt glücklicherweise schon einige Musiker, Tourmanager und Crew-Leute, sodass ich relativ gut Anschluss gefunden habe. Drei Monate nachdem ich angekommen war, habe ich dann den Anruf für die Audition für Billie Eilish bekommen. Das ging schon sehr schnell, dafür dass ich neu in der Stadt war.
Wie ging die Audition vonstatten?
Eigentlich ziemlich Oldschool. Ich musste drei Songs vorbereiten und spielen, ungewöhnlich war allerdings, dass es eine Video-Audition war. Das war auch das erste Mal, dass ich mich mit Recording und Video-Editing beschäftigt habe.
Warst du auch in die Albumproduktion involviert? Neben viel Programming sind auf manchen Tracks ja auch Drums zu hören.
Nein, weil das alles keine echten Drums sind. Finneas (Finneas O’Connell, Bruder und Produzent von Billie Eilish – Anm.d.Red) ist ein unglaublicher Produzent. Ich konnte es selbst kaum glauben, als er mir erzählt hat, dass das keine echten akustischen Drums sind. Selbst die Besen auf dem Song „Xanny“ sind programmiert. Ich bekomme am Ende der Produktion ein Master der Songs und bereite mich dann auf die Live-Umsetzung vor. So ist es eigentlich auch bei allen anderen Künstlern gewesen, bei denen ich bisher gespielt habe. Es gibt nicht viel Überschneidung zwischen den Welten Live und Studio.

Wo wir gerade von Finneas sprachen – du bist auch mit ihm live unterwegs.
Ja, richtig. Das fühlt sich manchmal echt an, als hätte ich zwei Gigs in einem, weil Finneas auch bei Billie immer mit dabei ist und auch die Crew dieselbe ist. Ein großer Vorteil ist natürlich auch, dass es dadurch absolut keine Überschneidungen zwischen den beiden Gigs geben kann. Gleichzeitig genieße ich auch den musikalischen Ansatz, der sich sehr von Billies Songs unterscheidet. Es hilft mir, frisch zu bleiben und macht echt sehr viel Spaß.
Ihr wart mit Billie Eilish unglaublich viel unterwegs und habt auf der ganzen Welt gespielt. Setzt auf Tour mit Anstrengungen durch Reisen und Jetlag bei dir auch mal so richtige Erschöpfung ein?
Also erstmal muss ich sagen, dass das, was ich da mache, schon immer mein größter Traum war. Ich wollte immer auf großen Bühnen spielen, um die Welt fliegen, mit spannenden Künstlern zusammenarbeiten und musikalisch gefordert sein. Ich bin sehr dankbar, das alles zu erleben und das hilft mir natürlich sehr in den anstrengenden Momenten. Ich mag es auch, die Zeit auf Tour in Hotels zu verbringen, auszuspannen, Yoga zu machen und zu meditieren. Ich versuche, mich gut zu ernähren und in den Städten gute Restaurants zu entdecken. Glücklicherweise schlafe ich auch im Tourbus ziemlich gut und liebe es, gemeinsam mit dem gesamten Team im Bus abzuhängen. Das einzige, was mich wirklich fertig macht, ist der Jetlag. Als 2019 das Album rausgekommen ist, haben wir das Coachella Festival gespielt und waren danach mehr oder weniger ein Jahr dauerhaft unterwegs. Wir haben in Asien, Europa, Australien, Südamerika und den USA gespielt. In der Zeit hat mich der dauerhafte Jetlag teilweise so erwischt, dass ich mich richtig regenerieren musste. Das war jeweils für eine Woche echt hart. Einmal sind wir von LA nach Newcastle in England geflogen, haben am selben Abend gespielt und dann danach in San Francisco unsere Tour begonnen. Wir sind also von der Westküste der USA für ungefähr 36 Stunden nach England geflogen und dann wieder zurück. Ich konnte die ganze Zeit kaum schlafen und war irgendwann so unglaublich ausgelaugt. Das war aber auch ein Sonderfall.
Wahrscheinlich helfen da wirklich nur gute Hotels und Business Class Flüge.
Ja, das hilft schon. Es war aber nicht von Beginn an so. Im ersten Jahr haben wir in kleinen Clubs gespielt, sind in einem Van unterwegs gewesen, haben in Doppelzimmern geschlafen und sind in der Economy Class geflogen. Irgendwann kamen dann Einzelzimmer dazu. Aber die erste Tour in Europa sind wir von Stadt zu Stadt in einem kleinen Van gefahren.

Fotostrecke: 2 Bilder Um den Sound der Produktion optimal auf die Bühne zu bringen, kombiniert Andrew sein Gretsch Set mit Roland E-Drums für ein Hybrid Set.

Wie sieht dein Setup bei Billie aus?
Ich spiele schon seit langer Zeit Gretsch Drums und bin mittlerweile auch offiziell Endorser. Ich habe über die Jahre viele verschiedene Gretsch-Kits gespielt – hauptsächlich USA Customs, aber bin am Ende bei der Brooklyn-Serie gelandet, die großartig klingt. Ich hatte ein Brooklyn-Kit auf unserer letzten Europatour dabei, was einfach unglaublich klang. In Japan hatte ich als Backline auch mal ein 50er Round Badge Set, das ein absoluter Traum war. Aktuell besteht mein Set aus USA Custom Kesseln mit einer 22″x14″ Bassdrum und Toms in 12″x8″, 14″x14″ und 16“x16″. Ich mag die 14 Zoll tiefen Kick Drums sehr, weil ich sie als besonders druckvoll empfinde. Als Snares habe ich drei verschiedene Modelle, alle in 14“x6,5“. Die Aluminium ist meine Hauptsnare, außerdem noch als Sidesnare aus Holz. Die tausche ich ganz gerne mal aus. Das Set kombiniere ich mit Becken von Istanbul Agop. Ich nutze die Traditional-Serie und ein dunkles OM Crash.
Der Sound von Billie Eilish beruht ja sehr auf einer ausgetüftelten Studioproduktion. Wieviel davon läuft auf Backingtracks mit und wieviel spielt ihr als Band?
Ich habe mich das am Anfang auch gefragt und mich darüber auch mit unserem Tonmann unterhalten. Wir haben dann gemeinsam festgestellt, dass eigentlich bei allen Songs überraschend wenig vom Backingtrack kommt und wir gemeinsam sehr viel auf der Bühne spielen. Natürlich gibt es auch bei einigen Tracks Ausnahmen, wo mal etwas mehr mitläuft, aber es ist nicht so viel, dass man sich so fühlt, als würde man zu einer Produktion spielen. Alles was von Ableton kommt, ist Beiwerk. Das ist auch das Mindset von allen Beteiligten. Es gibt natürlich Sachen, die ästhetisch einfach mehr Sinn machen, wenn sie maschinell klingen. Eine Trap Hi-Hat wirkt einfach besser, wenn sie eben genau so synthetisch klingt wie auf einer Produktion. Es funktioniert dann live besser, wenn ich da lieber beispielsweise einen massiven Groove mit einem Crash drüber spiele und die filigranen, exakten Höhen der Hi-Hat vom Track kommen. Mir geht es darum, was am besten musikalisch funktioniert.

Fotostrecke: 2 Bilder Nach unzähligen Tourkonzerten und Festivalauftritten verbringt Andrew die Zwangspause in der Pandemie mit Homerecording in seinem Haus in LA. Kürzlich durfte er mit Billie Eilish auch bei der Grammy-Verleihung performen.

Die Billie Eilish Show ist ja sehr durchkonzeptioniert. Hat das auch einen Einfluss auf Look oder Finish der Drums genommen?
Ja, die Geschichte mit dem Finish ist irgendwie lustig. Als wir die Live-Umsetzung geplant haben, habe ich Billie die Finishes auf der Gretsch-Website gezeigt. Wir dachten, ein Set in White Marine Pearl könnte cool sein. Bille hat mich dann gefragt: “Was wäre, wenn es die gleiche Farbe wie die Hardware haben könnte?”. Ich habe dann bei Gretsch angefragt und konnte es in Mirror Chrome bestellen. Es ist perfekt für diese Show. Billies Sinn für visuelles Design ist echt beeindruckend. Sämtliche Inspiration im gesamten Projekt kommt von ihr. Die Bilder, Lichter, Merch-Designs, das gesamte Branding, die Fotos und Videos und alles andere. Das Chromset macht da einfach total Sinn. Für die Bühnenshow bin ich auf einem LED-Riser positioniert. Unter mir befindet sich also quasi eine Video-Leinwand. Die gesamte Bühne besteht aus einem LED-Boden und drei Videowänden und sämtliche Lichter werden vom Chrom des Sets reflektiert. 
Wie setzt du die elektronischen Sounds der Platte um?
Ich habe eine Zeit lang das Roland SPD-SX Multipad benutzt, mich aber jetzt für das Roland TM-6 entschieden. Das SPD-SX ist ein super Teil, ich nutze es immer noch zu Hause und bei anderen Künstlern, aber bei Billie spiele ich eine Menge Samples und habe festgestellt, dass die Pads einfach zu klein sind. Es sind nur kleine Quadrate und es gibt viele Sounds, die ich treffen muss, die wirklich wichtig sind. Ich brauchte ein paar größere Pads und einen ergonomischeren Aufbau. Also habe ich drei V-Drums Pads neben meinen Rack-Tom aufgestellt. Über die Automatisierung in Ableton ändern sich die Sounds je nach Song ständig, sodass ich extrem viel mit nur diesen drei Pads abdecken kann. Bei einigen Songs spiele ich damit 10 bis 15 Samples und ich habe zusätzlich noch ein PD8 Pad auf der linken Seite. Durch die Ableton-Automation wechseln bei manchen Songs alle Pads von einem Vers zum Chorus die Sounds oder werden für den letzten Refrain nochmal gelayert oder zum Outro gefiltert. Manchmal ändern sie sich auch mit jedem Schlag. Das Spielgefühl wird dadurch viel musikalischer. Es fühlt sich wieder mehr an wie Schlagzeug. Es gibt einige Songs, in denen es in einer Strophe vier verschiedene Kick-Drum-Samples gibt, wofür ich normalerweise vier unterschiedliche Pads gebraucht hätte. Durch Ableton spiele ich mein Kick-Pad und es wird nur das Sample abgespielt, das ich an dem bestimmten Punkt benötige – alles ist auf die Tracks automatisiert. Es hilft mir, mich weniger auf die Motorik zwischen den Pads und mehr auf den Groove zu konzentrieren.
Hast du in Zukunft auch Pläne für eigene Projekte?
Keine wirklich konkreten Pläne, aber irgendwann werde ich mich bestimmt mal einem eigenen Projekt widmen. Momentan bin ich aber echt zu beschäftigt mit der Musik von anderen Künstlern und das genieße ich sehr. Ich mag es, wenn ich mit meinem Drumming etwas zur Musik von großartigen Songwritern beitragen kann und kann es kaum abwarten, dass wir endlich wieder Konzerte spielen können.
Vielen Dank für’s Gespräch!

Fotostrecke: 3 Bilder Ein Blick auf Andrews Setup aus der Vogelperspektive.
Andrew’s Equipment:
  • Drums: Gretsch USA Custom in Mirror Chrome
  • Bassdrum: 22“x14“ Kick
  • Toms: 12“x8“ Tom, 14“x14“ Floortom, 16“x16“ Floortom
  • Snares: 14“x6.5“ Wood, 14“x6.5“ Aluminum
  • Hardware: dw
  • Becken: Istanbul Agop
  • 15“ Traditional Light Hi-Hat
  • 20“ Traditional Dark Crash
  • 24“ Traditional Dark Ride
  • 18“ OM Crash
  • Felle: Remo
  • Electronics: Roland TM-6 mit Roland PDX V-Drum Pads (3x), Roland PD Pad, Roland RT30HR Snare Trigger, Roland RT30K Kick Trigger

Website: www.andrewmarshallbeats.com
Instagram: www.instagram.com/marshalldrums

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