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Yamaha reface YC Test

Die reface YC ergänzt Yamahas neue Serie von ultrakompakten Retro-Keyboards um eine Vintage-Orgel mit puristischem Design und Bedienkonzept. Die Initialien YC beziehen sich auf die hauseigenen Combo-Orgeln YC-10 und YC-20, die zwischen 1969 und 1972 auf den Markt kamen. Wie unser Testgerät waren auch diese Transistor-Orgeln knallrot und für die damalige Zeit extrem transportfreundlich. Die reface YC hat allerdings statt der Transistoren eine digitale Klangerzeugung unter der Haube. Sie vereint fünf klassische elektronische und elektromechanische Orgeln in ihrem winzigen Gehäuse.

Yamaha reface YC – die wohl kleinste Orgel der Welt
Die Yamaha reface YC kann unter dem Strich nicht restlos überzeugen.


Die Idee mit den roten Orgeln ist weder der Verdienst von Yamaha noch der eines gewissen schwedischen Herstellers. Vielmehr kam schon Anfang der Sechziger Jahre die britische Firma Vox mit ihrer Continental und später mit der Jaguar auf die Idee, dem Gehäuse eine auffällige Farbe zu geben, um sich damit von der Konkurrenz abzuheben. Unser Testgerät wirkt nicht zuletzt deshalb auf den ersten Blick wie ein Dachbodenfund, der zu heiß gewaschen wurde. Was der zweite Blick verrät und wie die Kiste klingt, soll dieser Test zeigen.

Details

Gehäuse, Bedienelemente und Anschlüsse

Das knallrote Plastikgehäuse des YC ist schon ein echter Hingucker. Das niedliche Instrument scheint mit seinen bunten Knöpfen und den vielen Schiebereglern aus der Zeit gefallen zu sein. Allein schon für das erfrischende Design und das kompromisslose Bedienkonzept bekommt der Testkandidat einen Punkt. Trotz seiner Plastik-Haptik wirkt die reface YC nicht billig, sondern äußerst solide und präzise verarbeitet. Die Metallschiene unterhalb der Tastatur lässt das Instrument schwerer erscheinen als man vermutet. Die handlichen 1,9 kg sind dennoch ein Fliegengewicht, verglichen mit allen anderen Combo-Organs auf dem Markt. Dafür ist die YC auch die einzige mir bekannte Orgel mit 37 Minitasten, die ja bei allen reface-Modellen verbaut werden. 

Fotostrecke: 4 Bilder Die Yamaha reface YC steckt in einem knallroten Kunststoffgehäuse.

Ebenfalls bekannt aus Yamahas neuer Serie ist der Verzicht auf ein Display. Dieses ist auch nicht nötig, denn alle Einstellungen lassen sich direkt anhand der Regler und Schalter direkt auf dem Instrument ablesen. Der beim reface DX und CS verwendete Pitch-Stick ganz links am Gehäuse dient beim YC der Steuerung des Leslies, daneben regeln zwei Fader die Lautstärke und den Oktavbereich. Mit dem Wave-Schalter wählt man zwischen den fünf verschiedenen Orgel-Simulationen, danach durchläuft das Signal die mittig im Gehäuse sitzenden neun schwarzen Zugriegel mit jeweils sechs Rasterungen. Chorus und Vibrato kann man mit einem grünen Kippschalter aktivieren und am dazugehörigen Fader in der Intensität anpassen. Für die Percussion gibt es rote Kippschalter und einen gerasterten Schieber, ganz rechts steuern zwei quietschgelbe Fader Distortion und Reverb. 

Fotostrecke: 4 Bilder Auf dem kleinen Bedienfeld findet man die typischen Bedienelemente einer Orgel.

Am linken und rechten Rand des schwarz unterlegten Bedienpanels sitzen die kleinen Boxen, die mit 3 cm Kalotten und 2x 2 Watt nicht gerade üppig dimensioniert sind. Das gehört offenbar zum Konzept, denn alles ist hier ein wenig kleiner als gewohnt. Der Klang aus den Mini-Speakern reicht vielleicht gerade mal aus, um beim Lagerfeuer die Wandergitarre zu unterstützen. In so gut wie jedem anderen Fall sollte man den Kopfhörer (der die Boxen deaktiviert) oder die Line-Ausgänge bemühen. Diese finden sich auf der Rückseite in Form von 6,3 mm Buchsen neben einem Mini-Klinken-Input für externe Signale, dem Anschluss für ein Control-Pedal, der USB-Buchse und dem Multipin-Anschluss für die beigelegte Kabelpeitsche, die auf MIDI In und Out adaptiert. Strom bekommt die YC über das mitgelieferte 12V-Netzteil oder sechs Batterien, die man auf der Unterseite einsetzt. Diese sind auch beim Betrieb unterwegs mit dem Notebook unerlässlich, da die Stromversorgung über USB leider nicht gewährleistet ist. Außerdem hat das YC eine kleine Bohrung für die Diebstahlsicherung Secu-Lock, falls man das kleine Ding mal unbeaufsichtigt lassen muss. Bei den Maßen und dem Gewicht ist das nämlich schnell mal mitgenommen.

Fotostrecke: 5 Bilder Die kleinen Lautsprecher den Sound der Orgel nur andeutungsweise wiedergeben.

Tastatur

Die Meinungen über Mini-Keys sind kontrovers. Die einen schätzen die kompakten Ausmaße und die damit einhergehenden guten Transporteigenschaften, die anderen kommen mit den unterdimensionierten Tasten nicht zurecht und wünschen sich eine Full-Size-Tastatur. Die reface-Serie lebt sicherlich auch von dem „Gadget-Charme“, den die kleinen Kisten versprühen. Zu solch einem Lifestyle-Produkt passen die Mini-Tasten, aber sie sind sicherlich nicht die erste Wahl für professionelle Musiker. Im Falle der beiden Synths reface CS und reface DX kann ich (so wie beim Microkorg) mit dem Mäuseklavier schon eher leben als bei dem Vintage-Piano reface CP und der vorliegenden Orgel YC, auch wenn das Spielgefühl auf den straff gefederten Tasten nicht das schlechteste ist. Aber um ernsthaft Orgel spielen zu können, sollte es bestenfalls eine normalgroße Waterfall-Tastatur mit mindestens fünf Oktaven sein. Klar, die kann man ja auch bequem über MIDI anschließen, nur sind die verbauten 37 Tasten damit nutzlos. So drängt sich mir die Frage auf, warum Yamaha die Tasten nicht gleich ganz weggelassen hat. Allein für den Abend am Lagerfeuer oder die Session in der Fußgängerpassage gibt man wohl kaum 400 Euro aus.

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Praxis

Sounds, Echtzeitkontrolle und Effekte

Alle Sounds der reface YC werden mit sogenannten “AWM Organ Flutes” erzeugt. Die 128-stimmige Polyphonie sollte locker ausreichen, um das monotimbrale Instrument ohne Aussetzer spielen zu können. Der mit „Wave“ überschriebene, gerasterte Schalter kennt die fünf Kürzel H, V, F, A und Y, die natürlich für fünf Legenden der elektronischen und elektromechanischen Orgelgeschichte stehen. Rechts neben diesen Buchstaben zeigen fünf rote LEDs den jeweils aktiven Sound an.
Den Anfang macht das H, hinter dem sich selbstredend die Hammond verbirgt. Das wohl beliebteste Modell ist die B3 (oder auch C3/M100), die es allerdings in zahlreichen Jahrgängen, Modifikationen, Verwitterungsgraden, sprich Varianten gibt. Man kann sagen, dass keine B3 der anderen gleicht. Gemeinsamkeiten haben sie aber im Aufbau, der die Zugriegel-Sets, die Einheit für Vibrato und Chorus und die regelbare Percussion beinhaltet. Die YC bringt all das in einer abgespeckten Miniaturversion mit. So haben die gerasterten Zugriegel einen recht kurzen Weg, auch die Bedienung von Vibrato/Chorus und der Percussion wurde vereinfacht. Um ein richtiger Hammond-Clone zu sein, fehlt der YC augenscheinlich aber vor allem Größe.
Yamaha hat für die digitale Simulation ein recht neutrales Exemplar gewählt, das wenig Dreck und sogenannte „Leakage“ im Sound hat. Dadurch wirkt die Hammond beim ersten Anspielen irgendwie fad und leblos. Ich bewege die Zugriegel und versuche es mit etwas Distortion, füge ein wenig Hall dazu und experimentiere mit Vibrato/Chorus und der Percussion. Dennoch kommt wenig Stimmung auf, ich vermisse die Urgewalt, die ein solches Instrument erzeugen kann. Gut, ich will die kleine reface-Kiste auch nicht überfordern, aber unabhängig von der Gehäusegröße kenne ich zahlreiche Workstations, Stagepianos und Plug-ins, deren Hammond-Simulationen bei mir mehr Emotionen wecken als die YC. Von den Topmodellen aus schwedischer, italienischer oder japanischer Fertigung ganz zu schweigen. Maßgeblich verantwortlich für die Enttäuschung sind auch der Leslie-Effekt, der im An- und Abschwellverhalten wenig authentisch wirkt und der Distortioneffekt, der dem B3-Sound weder Wärme noch Biss hinzuzufügen vermag. Der Verzerrer klingt im Kontext der Hammond übersteuert, flach und fast ein wenig kaputt. Das Vibrato und der Chorus können da kaum Abhilfe schaffen, lediglich die Percussion und der Hall verbessern das Gesamtergebnis. So hinterlässt der B3-Sound unterm Strich leider einen mageren Eindruck. Zu hoch liegt die Messlatte für die authentische Reproduktion des alten Monsters.
Beim ersten Soundbeispiel habe ich die Zugriegel nacheinander von links nach rechts aufgezogen und nach dem gleichen Prinzip wieder hereingeschoben. In der Mitte, wenn alle Register gezogen sind, aktiviere ich das Leslie. Dabei hört man, dass der Sound kurz unterbrochen wird, wenn man das Leslie an- und ausschaltet. Auch das hätte man besser machen können.

Audio Samples
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B3 Drawbars

Hier sind ein paar unterschiedliche Registrierungen zu hören, teils mit Hall, Distortion, Percussion und Zugriegelbewegungen:

Audio Samples
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B3 Ballad Organ B3 Funky Organ B3 Gospel Organ B3 Purple Organ B3 Reverb Organ B3 Theatre Organ

Weiter geht es mit dem V, das die oben erwähnte Vox-Orgel simuliert. Die Vox-Klassiker Continental und Jaguar sind im Gegensatz zur B3 Transistor-Orgeln. Der Klang wird nicht mit Tonewheels erzeugt, sondern von Oszillatoren, die vom Transistor zu Rechteckschwingungen geformt werden. Berühmt wurde der Vox-Sound unter anderem durch Bands wie The Doors, die dem Instrument durch das markante Intro von „Light My Fire“ zu Ikonenstatus verhalfen.
Die Vox-Organ verfügt ebenfalls über Drawbars und Chorus/Vibrato, da sie sich vom Grundprinzip an der Hammond orientiert. Im ersten Soundbeispiel folgt zunächst wie bei der B3 das Ziehen und Zurückschieben aller Register von links nach rechts:

Audio Samples
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Vox Drawbars

Der typische Vox-Sound ist bei der reface YC ganz gut gelungen, wenngleich auch er etwas zahmer klingt als beim Original. Anders als bei der Hammond hilft der eingebaute Verzerrer der Transistor-Orgeln auf die Sprünge und verleiht ihr etwas Dreck. Auch das Vibrato klingt im Zusammenhang mit der Vox-Orgel authentischer als bei der Hammond. Durch den ungewöhnlichen Umstand, dass man auch die Transistor-Orgeln mit Percussion versehen kann, eröffnen sich noch weitere klangliche Möglichkeiten. Der Gesamteindruck der Vox-Orgel ist stimmig und kann unterm Strich überzeugen.
Die folgenden beiden Soundbeispiele zeigen zwei recht typische Anwendungsbereiche für den Vox-Sound.

Audio Samples
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Vox Surf Vox Bassline

F steht für Farfisa, eine weitere Transistororgel aus den Sechzigern, in diesem Fall vermutlich das Modell „Kompakt“. Die Klangerzeugung ist ähnlich wie bei der Vox Organ, entspricht aber in der Schwingungsform eher dem Sägezahn. Berühmtheit erlangte der Farfisa-Sound in der Popmusik unter anderem durch Pink Floyds „Dark Side Of The Moon“. Helge Schneider bezeichnete die Farfisa als „Weltraumorgel“, was den bisweilen sehr mächtigen Klangcharakter meiner Ansicht nach ganz gut trifft. Unser Testgerät schlägt sich jedenfalls auch in dieser Disziplin gut und liefert eine sehr anständige Farfisa-Emulation.

Audio Samples
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Farfisa Drawbars Farfisa Weltraum Farfisa Rave

Unter der Bezeichnung A hat Yamaha der reface YC laut Bedienungsanleitung eine japanische Transistor-Orgel aus den Siebzigern eingepflanzt. Ich vermute, dass der Buchstabe für Ace Tone steht, eine Vorläuferfirma von Roland. Der Grundsound basiert auch hier auf Sägezahnschwingungen, klingt aber in diesem Fall noch etwas synthetischer. Dementsprechend findet dieser Sound auch in zeitgemäßen Musikstilen seinen Platz und ersetzt in einem begrenzten Rahmen sogar den einen oder anderen polyphonen Analog-Synth-Sound. 

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Ace Drawbars Ace Eurodance Ace Happy Tune

Zu guter Letzt setzt Yamaha mit dem fünften Sound dem historischen Vorbild der reface YC ein Denkmal. Die mit Y bezeichnete Schwingungsform simuliert den Sound der YC-20 von 1972, die als Transistor-Orgel sogar über Percussion verfügte. Mit diesem Sound konnte man der Hammond relativ nah kommen, sofern man das Ausgangssignal durch ein Leslie schickte. Aber auch ohne die Hammond-Referenz hat die YC eine Daseinsberechtigung und einen eigenständigen Charakter. Der direkte, klare Sound der Rechteckschwingungen eignet sich gut für synthetisch anmutende Pads. Sogar nach Drehorgel oder 8-Bit-Spielekonsole kann die alte Yamaha-Orgel klingen.

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YC-20 Drawbars YC-20 5th Square YC-20 Drehorgel YC-20 Gameboy

MIDI, Leslie-Steuerung und sonstige Funktionen

Das gradlinige Design der reface YC vermittelt den Eindruck, man habe es mit einem analogen Gerät zu tun. So wird jede Änderung der Parameter ohne Umwege umgesetzt und erklärt sich von selbst. Das Studium der Bedienungsanleitung ist daher überflüssig, was mir in heutiger Zeit als eine willkommene Abwechslung zu den mitunter überfrachteten Alleskönnern erscheint. Dementsprechend gibt es keine Speicherplätze und so gut wie keine versteckten Funktionen. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass man Standards wie Transpose, Tune oder eine umfangreiche MIDI-Implementierung vergeblich sucht. Gut, all dies würde man von einer alten E-Orgel ja auch nicht erwarten. Aber als mobiles MIDI-Keyboard taugt die reface YC dementsprechend nur bedingt, denn leider werden die Reglerbewegungen nicht über MIDI ausgegeben. Gleichwohl empfängt das Instrument auch nur sehr wenige MIDI-Befehle, so dass man die Zugriegel beispielsweise nicht über MIDI steuern kann. Das Testgerät sendet und empfängt lediglich auf MIDI-Kanal 1. Somit ist man bei der Einbettung der reface YC in ein größeres Bühnen- oder Studiosetup sehr eingeschränkt.
Vor allem vermisse ich einen MIDI-Befehl, der es ermöglicht, die Geschwindigkeit des Leslies mit einem Fußtaster zu steuern. Zwar wurde neben dem Pitch-Wheel auch das Modulationsrad meines MIDI-Keyboards erkannt und konnte den Rotor schnell und langsam drehen lassen, aber bisweilen habe ich beim Orgelspielen gern beide Hände zur Verfügung und überlasse dem Fuß die Leslie-Geschwindigkeit, was in Ermangelung eines geeigneten Pedalanschlusses nicht geht, zumal der Control-Pedal-Anschluss lediglich der Lautstärke-Regelung dient. Obwohl ich finde, dass der Stick zur Leslie-Steuerung am reface eine gelungene Neuinterpretation des Hammond-typischen Halfmoon-Switches ist, sind mir hier die Möglichkeiten zu beschränkt.
Auf der Website von Yamaha ist die Rede von einer App, mit der man Sounds in iOS-Devices speichern und via QR-Codes über Yamahas Online-Plattform Soundmondo teilen kann. Diese App war zum Zeitpunkt des Tests allerdings in Deutschland nicht verfügbar.

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Fazit

Auch wenn Yamahas Mini-Vintage-Orgel reface YC die Blicke auf sich zieht, kann sie doch die Erwartungen nicht ganz erfüllen. Das schnörkellose Bedienkonzept, die gute Verarbeitung und auch die Transistor-Orgeln machen Spaß, aber der Hammond-Sound, das Leslie und der Distortioneffekt spielen leider nicht auf Top-Niveau mit. Die 37 Minitasten unterstreichen den Gadget-Charakter der reface-Orgel, taugen aber leider nicht zum ernsthaften Spiel. So ist die kleine rote Kiste unterm Strich ein nettes, aber etwas zu teures Gimmick für Retro-Freaks.

Unser Fazit:
3 / 5
Pro
  • erfrischendes Äußeres
  • gute Transistor-Orgel-Simulationen
  • solide Verarbeitung
  • extrem transportabel
Contra
  • Hammond-Sound überzeugt nicht
  • Leslie- und Distortioneffekt enttäuschen
  • Minitasten zum Orgeln ungeeignet
  • Leslie-Geschwindigkeit lässt sich nicht mit dem Fuß steuern
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Yamaha reface YC Test
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Die Yamaha reface YC kann unter dem Strich nicht restlos überzeugen.
Die Yamaha reface YC kann unter dem Strich nicht restlos überzeugen.
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calvato sagt:

#1 - 08.09.2015 um 15:02 Uhr

0

....das ding hat ja GAR KEINEN druck.... klingt wie früher, aber leider nicht wie ganz früher... :-/

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