Universal Audio 1176 Classic Limiter Collection Test

Wir haben die Universal Audio 1176 Classic Limiter Collection für die UAD-Systeme im Test. Als erster kommerziell erhältlicher Transistor-Limiter aus amerikanischer Fertigung ist der 1176 per se ein Meilenstein. Doch Bill Putnams Geniestreich ist nicht nur von historischem Wert, bis heute erfreut sich dieser klassische „Limiting Amplifier“ im alltäglichen Einsatz allergrößter Beliebtheit.

1176_stacked_hq
Hier noch einmal alle vereint, weil´s so schön ist: drei verschiedene Revisions des 1176 für die UAD-Plattform


Universal Audio wird heute, nach der Neugründung der Firma, von den Söhnen Bill Putnams geführt. Und diese sind sich augenscheinlich voll im Klaren darüber, welch grandioses Erbe sie fortführen. Denn als vor immerhin zwölf Jahren die UAD-Softwareplattform erstmals vorgestellt wurde, zählte eine Software-Emulation des 1176 sozusagen zu den „Gründungsmitgliedern“ des Vereins. Aus der großen Produktpalette, die Universal Audio im Laufe der Jahrzehnte angeboten hat, ragt der 1176 nochmals ein Stück heraus. Dies ist das Flaggschiff-Produkt des Herstellers, und als solches war auch dessen Plug-In-Version eines der ganz wesentlichen Argumente dafür, dass die UAD-Plattform solch ein großer Erfolg wurde.
Nun sind zwölf Jahre eine wahre Ewigkeit im digitalen Zeitalter, und auch aufgrund jüngerer 1176-Software-Clones beispielsweise von Waves und Softube ist das UAD-Angebot gerade bei seinen Plug-In-Urgesteinen doch etwas unter Druck geraten. Universal Audio hat hier kürzlich reagiert – mit der LA-2A Collection und und der brandneuen Pultec EQ Collection wird gerade kräftig aufgeräumt im Feld der UAD-Plug-In-Methusalems. Zu groß war die Diskrepanz geworden zwischen diesen und den Plug-Ins der neusten Generation, welche mit modernster DSP-Technologie umgesetzt wurden, von der man beim Start der UAD-Plattform allenfalls träumen durfte.
Mit neuen Plug-In-Emulationen des 1176 Bluestripe (also der allerersten, von Bill Putnam selbst entwickelten Variante) über den 1176LN Blackface Revision E (der bereits über die von UREI-Mitarbeiter Brad Plunkett konzipierte „Low Noise“-Modifikation verfügte) bis hin zum 1176AE Anniversary Edition Modell (das Universal Audio mit Eigenschaften beider Klassiker ausstattete) haben sich die Software-Ingenieure des kalifornischen Herstellers drei Meilensteine unter den insgesamt gut einem Dutzend Revisionen herausgepickt, die unterschiedliche Entwicklungsphasen dieses Kompressorklassikers repräsentieren – und die bei allen Unterschieden im Detail doch eine Hauptsache vereint: den klassischen 1176-Sound, der dieses Gerät (oder sollte man besser sagen: diese Gerätefamilie?) zum wohl beliebtesten Transistorkompressor aller Zeiten hat werden lassen. Da tritt das neue Plug-In-Trio also ein großes Erbe an. Werfen wir also einmal voller Spannung einen Blick auf die Details, in denen sich diese drei Prozessoren unterscheiden!

Details

1176: Einer der schnellsten Analogkompressoren

Das grundlegende Layout und Funktionsprinzip des 1176 sollte gut bekannt sein: Es handelt sich hier um ein Dynamikwerkzeug mit festem Threshold, die Kompression und der Ausgnagspegel werden mit den Input- und Output-Potis eingestellt. Das ist etwas anders als die klassischen VCA-Bedienlemente Threshold und Gain, aber durchaus intuitiver, bedeutet das Input-Poti doch vor allem eines: mehr! Dreht man das Poti auf, so wird der Eingangspegel höher, die feste Ansprechschwelle der Kompression weiter überschritten, das Gerät greift stärker in den Klang ein. Im Gegensatz zum LA-2A bietet der 1176 stufenlos durchstimmbare Zeitkonstanten, außerdem verschiedene Ratio-Settings, standardmäßig liegen diese bei 4, 8, 12 und 20:1. Mit dem Zuschnitt seiner Parameter macht der 1176 seinem Namen „Limiting Amplifier“ alle Ehre. Die deutsche Ensprechung wäre das im Rundfunkdeutsch seit Jahrzehnten verwendete Wort „Begrenzungsverstärker“ – und in der Tat ist der 1176 zumindest auf dem Papier eher als Limiter denn als Kompressor konzipiert. Dafür sprechen die knackig hohen Ratio-Presets ebenso wie die ultraschnellen Regelzeiten. Mit einer Bandbreite von 20-800 Mikrosekunden beim Attackparameter ist der 1176 selbst in seiner langsamsten Stellung immer noch schneller als viele andere Kompressoren in ihrer schnellsten.

Feedback-Design

Diese in der Theorie ziemlich brutalen Spezifikationen werden in der Praxis etwas abgemildert durch die Tatsache, dass der 1176 ein Feedback-Kompressor ist, bei dem die Sidechain hinter dem Regelelement abgegriffen wird. Dadurch arbeitet der Kompressor innerhalb einer gewissen Bandbreite programmadaptiv (aber lange nicht so ausgeprägt wie die Optozelle des LA-2A), weswegen der 1176 im tatsächlichen Einsatz nicht ganz so ruppig zu Werke geht, wie sich die Zahlen auf den ersten Blick lesen. Aber dennoch ist ein bleibt der 1176 mit seinem zackigen FET-Regelelement ein ausgesprochen muskulöses Dynamiktool, das Transienten sehr zuverlässig halten oder sogar vollständig plattmachen kann – und dafür wird das Teil seit Jahrzehnten heiß und innig geliebt!

Der 1176LN Rev E als beliebteste Version ist natürlich verfügbar

Das grundlegende Funktionsprinzip des 1176 wurde während der langen Herstellungsphase des Gerätes nie verändert, in einigen Details, die vor allem die Ein- und Ausgangsstufen betreffen, wurde das Teil aber im Laufe der Jahre verändert. Universal Audio hat sich für diese Plug-In-Bundle drei Meilensteine aus dieser Entwicklung herausgepickt. Unter den Dreien finden sich zwei Vintage-Klassiker und ein „neuzeitlicher“ 1176. Der Bluestripe Revision A ist das allererste Modell, das von Bill Putnam im Alleingang entwickelt wurde. Es verfügt neben dem FET im Regelelement noch über weitere Feldeffektransistoren in den Gainstufen des Signalwegs.

Fotostrecke: 2 Bilder Bluestripe 1176 im Original (Foto: Hannes Bieger)

Der Blackface Revision E markiert den technischen Höhepunkt der Class-A-Versionen des 1176. Er verfügt, erkenntlich am Namenszusatz „LN“, bereits über die Low-Noise-Modifikation, die den Rauschabstand verbessert. In seinen Ein- und Ausgangsstufen arbeiten ausschließlich bipolare Transistoren. Hier handelt es sich um die allgemein wohl beliebteste 1176-Variante. 1176 Anniversary Edition als digitaler Code Den 1176AE brachte Universal Audio vor fünf Jahren auf den Markt, anlässlich des vierzigsten Geburtstags der Limiterlegende. Das Gerät basiert auf der Standard-Reissue des 1176, kann aber in vielerlei Hinsicht als „Hot-Rod“-Variante gelten, die Eigenschaften des Bluestripe und des regulären Blackface vereint und noch ein paar weitere Features draufsetzt. Gewissermaßen als Reminiszenz an den Vari-Mu-Urvater der 1176-Familie, den Universal Audio 176, verfügt der 1176AE über die Kompressionsraten 2, 8, 12 und 20:1, bietet also mit 2:1 das softeste Setting aller 1176-Revisionen von damals bis heute. Er vereint das stärker programmadaptive Regelverhalten des Bluestripe Rev A mit dem Signalweg des Blackface Rev E, statt des All-Button-Modus’ lassen sich druch Drücken beliebiger Kombinationen der Ratio-Buttons ganz verschiedene Effektprogramme abrufen. Und während das Attackpoti des regulären 1176 über eine Schaltfunktion verfügt, die die Kompression deaktiviert, lässt sich die Attackphase beim AE-Modell damit auf 10 ms setzen – ein für 1176-Verhältnisse ungewohnt langsamer Wert, der für extra Punch sorgt.

Auch der Anniversary Edition (hier als Hardware) ist gemodelt worden – samt seines 2:1-Settings.
Auch der Anniversary Edition (hier als Hardware) ist gemodelt worden – samt seines 2:1-Settings.

Diesen neuen Emulationen des 1176 ist gemein, dass sie nicht nur das Regelverhalten, sondern auch den Klang der Ein- und Ausgangsstufen dieses klassischen Limiters in Software-Code umsetzen. Wie das im einzelnen klingt, wollen wir uns nun einmal anschauen.

Praxis

Die grundsätzlichen Einsatzmöglichkeiten und Klangeigenschaften des 1176 dürften anno 2013 kein Geheimnis mehr sein (ließen sich aber hier nachlesen). Deswegen möchte ich ich an dieser Stelle vor allem auf die speziellen Neuheiten und die erwähnenswertem Aspekte der Classic Limiter Collection konzentrieren. Zunächst einmal fällt auf, dass alle drei Plug-Ins tatsächlich einen eigenen Charakter haben. Es gibt Situationen, in denen das nicht so ins Gewicht fällt und solche, bei denen die Unterschiede sogar recht drastisch ausfallen.

Die Kompression des Bluestripe ist für 1176-Verhältnisse recht vornehm, wohingegen der Blackface krasser, muskulöser und auch „lauter“ klingt. Das Blackface-Plug-In hat mich tatsächlich auf Anhieb an den typischen Crunch meines Vintage-Blackface erinnert, gerade bei schnellen Attackwerten auf Raummikrofonen. Vermutlich liegt dieser Unterschied daran, dass der Bluestripe stärker programmdaptiv arbeitet und deswegen Impulse nicht so heftig plattbügelt. Diese bisweilen ziemlich stoische Autorität, mit der der Blackface durch das Audiomaterial pflügt, ist im neuen Plug-In toll umgesetzt. Das „alte“ UAD-Plug-In klingt da im Vergleich deutlich „flatteriger“ und unruhiger. Und dabei ist diese Unbedingtheit, diese deutliche Decke, gegen die man ein Signal schieben kann, eines der tollen Phänomene beim Hardware-1176, zumal bei guten Vintage-Exemplaren wie meinem. Toll, dass dieser Schlüsselaspekt jetzt auch in der Software richtig gut funktioniert!
Neben diesen Differenzen, welche das reine Kompressionsverhalten betreffen, unterscheiden sich die drei Plug-Ins auch in der Klangfärbung, die sie den Signalen mitgeben. Am meisten fällt dies beim Bluestripe auf – dieses Plug-In hat einen deutlich mittigen Charakter, er bringt das Signal lebendig in einem Frequenzbereich zusammen, der insbesondere für Instrumente wie Gitarren oder Keyboards wichtig ist. Dagegen drückt der 1176LN Blackface mehr im Bass, und er klingt auch etwas mehr „edgy“ in den Höhen. Man könnte es auch so formulieren: Der Bluestripe ist insgesamt etwas „sweeter“, der Blackface hingegen wuchtiger und aggressiver, ohne dabei aber plärrig zu werden. Die Anniversary Edition klingt von allen drei Exemplaren zunächst am saubersten. Langweilig wird dieses Plug-In trotzdem nie, was auch an den erweiterten „Hot-Rod“-Features des Plug-Ins liegt. Mit der 10ms-Attack werden Signale wunderschön knallig, auch die verschiedenen vom All-Button-Modus abgeleiteten Ratio-Presets erweitern die sattsam bekannte 1176-Soundpalette um neue, nette Facetten.
Bass, langsamste Attack, schnellste Release, 4:1, 7 dB Pegelreduktion:

Audio Samples
0:00
Original 1176 Bluestripe 1176LN Blackface 1176AE Anniversary Edition 1176LN (Legacy)

Drum Room: schnellste Attack, schnellste Release, 4:1, ca. 15 dB Pegelreduktion:

Audio Samples
0:00
Original 1176 Bluestripe 1176LN Blackface 1176AE Anniversary Edition 1176LN (Legacy)

Den Härtetest, was die Line-Amp-Färbungen betrifft, führen wir schließlich mit deaktivierter Kompression durch. Das Konzept ist nicht ganz neu: Schon der Led-Zeppelin-Gitarrist Jimmy Page erzeugte einige seiner bissigsten Zerrsounds mittels zweier in Reihe geschalteter 1176-Modelle, die ohne Kompression als übersteuerte Line-Amps die Gitarre anrauhten. Laut Engineer-Legende Andy Johns ist beispielsweise das Riff von „Black Dog“so entstanden. Unser Klangbeispiel zeigt, dass sich auch die neuen Plug-Ins hevorragend als Sättigungstool einsetzen lassen. In letzter Konsequenz mag die Vintage-Hardware noch etwas griffiger und dreidimensionaler klingen, aber dass Plug-Ins mittlerweile überhaupt so gut klingen können ist schon eine tolle Sache! Es geht hier jedenfalls nur noch um Nuancen und nicht mehr um wahre Klassenunterschiede.
Vocals, Kompression deaktiviert, nur die Line-Stufen im Signalweg:

Audio Samples
0:00
Original 1176LN Blackface (Plug-In) 1176LN Blackface (Vintage Hardware)

Fazit

Wir können festhalten: Das Plug-In-Trio Universal Audio 1176 Classic Limiter Collection kann die lange Erfolgsgeschichte des 1176 würdig fortschreiben. Ich finde es sehr begrüßenswert, dass Universal Audio nun nach und nach all die UAD-“Standards“ auf ein neues, zeitgemäßes Level hebt. Wenn es mit diesen Tools nicht klappt, dann liegt es jedenfalls definitiv nicht an den Tools. Auch in Form dieser neuen Plug-Ins bleibt der 1176 ein wahrer Studiostandard.

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • authentischer, legendärer Klang
  • Emulationen von drei klassischen 1176-Revisionen
  • Modeling bezieht Ein- und Ausgangsstufen mit ein
Contra
Artikelbild
Universal Audio 1176 Classic Limiter Collection Test
Hier noch einmal alle vereint, weil´s so schön ist: drei verschiedene Revisions des 1176 für die UAD-Plattform
Hier noch einmal alle vereint, weil´s so schön ist: drei verschiedene Revisions des 1176 für die UAD-Plattform
Spezifikationen
  • Software-Emulationen des legendären FET-Limiters
  • 1176 Bluestripe, 1176LN Blackface, 1176AE Annyversary Edition
  • Preis: $ 299,– (UVP)
Hot or Not
?
Hier noch einmal alle vereint, weil´s so schön ist: drei verschiedene Revisions des 1176 für die UAD-Plattform

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • dreadbox Artemis Sound Demo (no talking)
  • Arturia Astrolab 88 Review - Arturia's Flagship Stage Keyboard
  • Moog Messenger Sound Demo with Custom Presets