Sebastian Schilde, der von 2019 bis 2022 als Produzent und Mitglied bei Scooter tätig war, beschreibt in einem vierstündigen Interview seine Erfahrungen und die Hintergründe seines Abschieds von der bekanntesten Techno-Band der Welt.
Wie kam Sebastian Schilde zu Scooter
Die Dokumentation FCK 2020 – Zweieinhalb Jahre mit Scooter aus dem Jahr 2022 gewährt einen unverblümten Blick hinter die Kulissen der erfolgreichen Techno-Band Scooter. Im Gegensatz zu typischen Band-Dokumentationen zeigt dieser Film die Konflikte und Spannungen innerhalb der Gruppe, die während der Dreharbeiten eskalierten und zum Ausstieg von Michael Simon und Sebastian Schilde führten.
Sebastian Schilde startete seine Karriere als DJ, entschied sich jedoch aus familiären Gründen zunächst für eine sichere Laufbahn als Versicherungskaufmann. Diese Entscheidung führte jedoch zu Depressionen, woraufhin er zur Musik zurückkehrte. Nach ersten Erfolgen suchte er eine Position abseits der Bühne und begann bei Kontor Records als A&R-Manager zu arbeiten. Durch seine Tätigkeit wurde Scooter auf ihn aufmerksam, und er trat zunächst als Produzent, später auch als festes Bandmitglied in Erscheinung.
In der Zusammenarbeit mit Frontmann H.P. Baxxter musste Schilde schnell lernen, dessen teils vage Formulierungen wie „es ballert noch nicht“ musikalisch umzusetzen. „Ich musste schnell lernen, wie ich die Emotion zu deuten habe.“ Schilde beschreibt die Arbeit als intensiv, sowohl im Studio als auch auf der Bühne. Sein erstes Live-Erlebnis mit Scooter bezeichnet er als überwältigend: „Es war einfach BAM und nach der Hälfte der Show konnte ich meinen Kopf nicht mehr bewegen durch das Headbanging und meine Füße taten weh, aber ich hab trotzdem durchgezogen. Das war unglaublich, das war krass.“ Auf der Bühne singt Baxxter live, aber die Musik ist größtenteils ein Playback. Schilde war dafür zuständig, die Playbacks präzise zu starten und ergänzte sie mit seinen Keyboards live.
Konflikte entstanden, da er sich dem „Rock-and-Roll-Lifestyle“ der Band nicht anpassen wollte. Eine Situation eskalierte, als H.P. Baxxter einen „Spaß“ erlaubte, der dazu führte, dass Schilde seinen Flug verpasste. Schilde konfrontierte Baxxter wütend: „Wenn du das noch einmal machst, dann erlebst du mich von einer ganz anderen Seite.“ Ironischerweise resultierte diese Auseinandersetzung in einer der besten Shows, da ihnen alles egal war:„Dann bin ich raus, das war eine der geilsten Shows, die wir danach jemals gespielt haben, weil wir einfach so eine Rock-and-Roll-Einstellung hatten. Weißt du, es war uns in dem Moment alles scheißegal.“
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Sebastian Schilde und der Krach mit Scooter
Obwohl Schilde und Baxxter nach diesen Spannungen besser zusammenarbeiteten, entstand neuer Ärger mit dem Management. Schilde wollte die Zusammenarbeit in den Mittelpunkt stellen, während das Management auf strikte Abgabetermine pochte. Zudem geriet Schilde in die Kritik, weil er angeblich Remixe für andere Projekte anfertigte, die jedoch nie offiziell veröffentlicht wurden. Schilde betont, dass er seine „Sideprojects“ als exklusiver Scooter-Produzent immer offen kommunizierte. Dies führte zu Gerüchten über mangelnde Loyalität, die Schilde stets ausräumen wollte, jedoch keine Unterstützung dafür erhielt.
In der Dokumentation wird erzählt, dass es zum Bruch kam, weil Sebastian Schilde und Michael Simon während der Tour unerlaubt abwesend waren, doch diese Geschichte klingt aus dem Mund von Schilde ganz anders. Der endgültige Bruch erfolgte während eines hitzigen Telefongesprächs, als Schilde unhaltbare Anschuldigungen vom Management ertragen musste. „Es war ein reiner Schreimodus, und was ich da zu hören bekommen habe, war für mich der Punkt, an dem ich nicht mehr konnte.“ Schilde kündigte sofort und beendete damit seine Zeit bei Scooter. H.P. Baxxter, der von der Eskalation überrascht war, entschied sich daraufhin für einen Neustart der Band mit neuer Besetzung. Schilde musste Anwälte einschalten, da begonnene Ideen und Projekte nicht mehr beendet werden konnten.
Rückblickend sieht Schilde seine Zeit bei Scooter als wertvolle, aber herausfordernde Erfahrung. Er lernte viel über das Musikgeschäft und behält die Erinnerung an spektakuläre Auftritte in Ehren. Dennoch wurde ihm klar, dass er nicht zwingend im Rampenlicht stehen muss.
Selbstverständlich ist das hier nur eine kurze Zusammenfassung des vierstündigen Interviews. Hört es euch selber an, denn ihr werdet hinter die Kulissen der glitzernden Techno-Welt geführt.
digga sagt:
#1 - 28.11.2024 um 09:31 Uhr
Komische persönliche Abrechnung? Ich kann mir vorstellen das H.P. nicht so ganz einfach ist, aber ein bisschen beleidigte Leberwurst schwingt da schon mit...