Ich persönlich glaube nicht an Talent. Dieses Konzept war mir schon immer zu einfach, wird es doch hauptsächlich zur Positionierung benutzt. Zum Beispiel dient der Satz „ich bin musikalisch völlig unbegabt“ hervorragend als Ausrede, sich erst gar nicht intensiv mit Musik beschäftigen zu müssen. Aber was unterscheidet dann den Laien vom Profi? Warum flitzen Pianisten in traumwandlerischer Sicherheit über die Tasten und so mancher Laie findet sich immer noch nicht auf der Tastatur zurecht, verspielt sich ständig oder kann sich einfach nicht merken, wie z. B. ein E-Moll Akkord notiert aussieht? Und genau hier ist der Ansatzpunkt. Ein Instrument zu spielen kann man durchaus in jedem Alter erlernen. Hält man sich dabei an bestimmte Vorgehensweisen erzielt man an seinem Instrument in kurzer Zeit große Fortschritte. Dieser Artikel soll euch dabei zur Seite stehen, den richtigen Weg beim Üben einzuschlagen.

Inhalte
- Quick Facts: Üben
- Richtig üben kann man lernen, aber wie?
- Richtig üben zahlt sich aus, warum?
- 8 Tipps, die man sich zur Regel machen sollte
- 1. Schwierige Stellen mit langsamen Tempo üben
- 2. Das Tempo variieren
- 3. Den Fingersatz kontrollieren
- 4. Sich selbst kontrollieren
- 5. Neue Startpunkte im Notentext finden
- 6. Töne vom Rhythmus trennen
- 7. Linke und rechte Hand getrennt voneinander üben
- 8. Nur auf die Noten schauen
- Schlusswort
Als Klavierlehrer erlebe ich immer wieder die gleiche Situation: Ein neuer Schüler kommt zu mir in den Unterricht, ich höre, dass er übt, aber dennoch geht immer etwas schief, er kann seine Leistung während des Klavierunterrichts einfach nicht abrufen. Hat er vielleicht zu wenig geübt? Konzentriert er sich nicht genug, oder hat er einfach kein Talent? Und immer wieder bietet sich mir das gleiche Bild. Wenn dann die ersten Probleme im Stück auftauchen, wird innegehalten und die Stelle noch einmal ganz genau inspiziert. Wir kommen dem Problem auf die Spur.
Üben ist ein methodisch wiederholtes Handeln, das darauf zielt, Können zu bewahren, zu erwerben oder zu steigern. Geübt werden Praktiken, die man nicht unmittelbar durch Wille oder Entschluss ausführen kann. Dazu gehören: Elementare und leibliche Lebens- und Weltvollzüge, Gehen und Sprechen, komplexe Fertigkeiten und Fähigkeiten künstlerischer, sportlicher, handwerklicher und geistiger Art sowie individuelle Haltungen und Einstellungen. (Quelle: Wikipedia)
Richtig üben kann man lernen, aber wie?
Die meisten Schüler verwechseln Verstehen mit Können. Ich erkläre es dir an einem Beispiel: Wenn du noch nie in einem Auto gesessen hast und ich dir auf dem Sofa sitzend erkläre, wie man Auto fährt, wirst du das alles verstehen, aber du kannst deswegen noch lange nicht Auto fahren. Setzt du dich dann in ein Fahrzeug, hast du nur verstanden, wie es funktioniert, kannst es aber trotzdem nicht bewegen. Dir fehlen Praxis und Erfahrung.

Richtig üben zahlt sich aus, warum?
Wer schon länger Klavier spielt kennt das Phänomen, dass man ein Stück vor langer Zeit richtig intensiv geübt, aber dann Jahre nicht gespielt hat. Und trotzdem kann man es nach längerer Zeit immer noch, die Hände spielen quasi von alleine, weil sie sich einfach noch an den Bewegungsablauf erinnern können. Und genau das ist der Schlüssel zum Erfolg.

Das ist der Weg zum Erfolg. Die Wirksamkeit dieser Übetechnik sehe ich immer wieder. Selbst Schüler, die seit einiger Zeit zu mir kommen, tun sich mit diesem System oft schwer, weil sie noch nie so geübt haben. Es erfordert anfangs viel Konzentration und Disziplin, man muss sich permanent zuhören. Aber unterm Strich sparst du damit sehr viel Zeit und Mühe. Alleine die Zeit, die es dauert, gefestigte Fehler zu korrigieren, fällt einfach weg. Schüler, die von Anfang an nach diesem System üben, machen in kurzer Zeit fantastische Fortschritte. Einer meiner Schüler, der vor einem Jahr begonnen hat bei mir Klavier zu lernen, beschäftigt sich bereits mit Chopins Nocturne op. 72 No. 1!

8 Tipps, die man sich zur Regel machen sollte
1. Schwierige Stellen mit langsamen Tempo üben
Merke: Beim Klavier üben bist du Lehrer und Schüler gleichzeitig. Verstehst du etwas nicht, hast du es dir einfach nicht richtig erklärt, oder dir nicht genügend Zeit gegeben, es zu lernen. Bist du zu schnell entsteht Stress, der deinem Gehirn Gefahr suggeriert, was das Lernen behindert! Außerdem entstehen durch zu hohes Tempo Fehler, die sich schnell einprägen! Unterfordere dich am Anfang immer! Verwende ein Metronom und wähle ein Tempo, von dem du schon zuvor weißt, dass du die Stelle fehlerfrei schaffen kannst, das kann manchmal extrem langsam sein. Wähle ein Tempo, in welchem du jeden Ton denken kannst, bevor du ihn spielst. Machst du Fehler, bist du einfach zu schnell. Ein Handball-Trainer kann seinem Spieler den Ball nicht in Zeitlupe zuwerfen. Du aber kannst das beim Üben. Nutze also diese Möglichkeit ausgiebig.

2. Das Tempo variieren
Lässt sich eine schwierige Stelle nach langsamem Üben fehlerfrei spielen, dann erhöhst du das Tempo, bis zu dem Punkt wo die ersten Fehler auftreten. Dann reduzierst du es wieder und steigerst es erneut, bis du erneut an deine Grenze gelangst. Das Ganze wiederholst du so oft, bis du das Stück im gewünschten Tempo spielen kannst. Du wirst dann sogar feststellen, dass du das Stück noch schneller spielen kannst, als es temposeitig vorgesehen ist. Ein Zeichen, dass du gut geübt hast. So lernt es sich viel besser!
3. Den Fingersatz kontrollieren

4. Sich selbst kontrollieren
5. Neue Startpunkte im Notentext finden

6. Töne vom Rhythmus trennen
Trenne anfangs immer die Töne vom Rhythmus, denn die meisten Anfänger haben besonders beim Erfassen des Rhythmus große Schwierigkeiten. Klopfe diesen mit deiner Hand so lange, bis du ihn sicher kannst. Erst nur mit einer Hand, dann mit beiden. Kannst du den Rhythmus mit beiden Händen nicht fehlerfrei klopfen, wird das Spielen des Stückes zum Problem. Im zweiten Schritt spielst du dann erst nur die Töne ohne Rhythmus. Hast du beides verstanden, setze alles zusammen.
7. Linke und rechte Hand getrennt voneinander üben
8. Auf die Noten schauen

Schlusswort
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Wer mit Disziplin an das Üben herangeht, wird schon recht bald mit Erfolg belohnt. Gut spielen zu können braucht seine Zeit und kommt nicht von alleine. Richtig üben kann viel Spaß bereiten, zumal sich dabei Fortschritte erzielen lassen, die sich messen lassen … und die man hört.
Viel Erfolg!
Slave Hasinovic sagt:
#1 - 19.04.2018 um 16:28 Uhr
Gefällt mir sehr gut. Toller Artikel, auch wenn man sich in den Zeilen wiederfindet. Aber genau das macht ihn aus. Danke Bonedo!
Lars Guitarhearts sagt:
#2 - 09.03.2020 um 10:16 Uhr
Lässt sich, größtenteils, auch hervorragend für Gitarristen anwenden ☺️
Gioi Geniale sagt:
#3 - 15.04.2021 um 11:03 Uhr
üben ist nicht zuletzt eine haltung. ich möchte ernsthaft etwas lernen und können. manchmal brauche ich ein hilfsmittel, wenn ich auf der gitarre ein solo rhythmisch nicht hinkriege. ich lasse den original song so lange laufen und spiele immer das selbe solo drüber. also bei einem einfachen song, wo die akkordfolge immer gleich bleibt.du bleibst fit, und, wie mir ein älterer arbeitskollege, der in der hiesigen folklore musik einen namen als klarinettist hat, es hält das gehirn wunderbar fit. jeden song, den ich neu lerne, hat das potential, fit zu bleiben. und das repertoire wächst. ebenso die begeisterung und freude. bei proben möchte ich immer die stücke spielen, bei denen ich besonders herausgefordert werde. das macht`s für mich aus.