Willkommen zu einer neuen Folge des Workshops Synthesizer und Sounddesign! Diesmal dreht sich alles um das Thema Effektsounds, mit denen du deinen Tracks eine individuelle Note geben kannst.

Nachdem wir in den letzten Folgen die Grundlagen der Klangerzeugung eines subtraktiven Synthesizers erforscht haben, wird es in dieser und in den nächsten Folgen hauptsächlich um die Praxis gehen. Anhand einiger Beispielsounds zeigen wir, wie du deinem Synthesizer im Handumdrehen individuelle Sounds entlocken kannst. Wer mag schon immer Presets benutzen!
Los geht’s in dieser Folge mit einem Thema, das oft zu kurz kommt, aber in der Praxis sehr nützlich sein kann. Speziell programmierte Effektsounds ermöglichen es dir, Überleitungen und Breaks in deinen Songs oder Produktionen interessanter zu gestalten. Da es dabei oft auf das richtige Timing und einen ganz bestimmten Sound ankommt, helfen Presets oft nicht weiter – ein selbst gebauter Sound muss her. Dabei machen wir ausgiebig Gebrauch von Hüllkurven, LFOs und Filtern und vertiefen somit die Inhalte aus den letzten Folgen.
Rauschgenerator
Bevor wir mit dem Programmieren von Sounds anfangen, müssen wir noch kurz einen Umweg machen und uns einen Bestandteil der Klangerzeugung vieler Synthesizer ansehen, dem wir uns bisher noch nicht gewidmet haben. Zusätzlich zu den Oszillatoren verfügen viele Synthesizer nämlich noch über eine weitere Klangquelle, die gerade für Effektsounds sehr nützlich sein kann: Den Rauschgenerator (Noise Generator).
Was versteht man unter Rauschen?
Im Gegensatz zu einem Ton mit klar definierter Frequenz ist Rauschen ein Signal mit unspezifischem Frequenzspektrum. Man kann sich das so vorstellen, dass Rauschen aus sehr vielen, sich unkontrolliert überlagernden Schwingungen besteht. Das Ergebnis ist ein breitbandiges Signal, dessen Frequenz nicht genau bestimmt werden kann und das deshalb keinen tonalen Charakter hat.
Normalerweise ist Rauschen in der Tontechnik ein Störgeräusch, das man zu vermeiden versucht. Im Synthesizer kann es aber sehr nützlich sein, wenn es darum geht, atonale Klänge wie Drum- und Percussion-Sounds oder Spezialeffekte zu erzeugen.
Bei den meisten Synthesizern bietet der Rauschgenerator keine weiteren Einstellmöglichkeiten. Häufig gibt es im Mixer lediglich einen Lautstärkeregler, mit dem sich das Rauschen dem Sound beimischen lässt. Es kann zusätzlich zu den Oszillatoren oder stattdessen verwendet werden.
Manche Synthesizer verfügen über Rauschgeneratoren, die verschiedene Arten von Rauschen erzeugen können. Die häufigsten sind “White Noise” (Weißes Rauschen) und “Pink Noise” (Rosa Rauschen); seltener sind noch einige weitere, speziellere Typen anzutreffen. Mit den physikalischen Hintergründen möchte ich dich hier nicht langweilen – diese kannst du bei Interesse hier und hier nachlesen. In der musikalischen Praxis ist nur wichtig: Weißes Rauschen enthält mehr hohe Frequenzen und klingt daher heller, während beim rosa Rauschen die hohen Frequenzen weniger stark ausgeprägt sind; rosa Rauschen klingt deshalb dunkler.
Beispielsounds: Noise FX
Aus gefiltertem Rauschen lassen sich auf eine einfache Weise eine Vielzahl von Effektsounds gewinnen, mit denen man Übergänge, Drops oder Build-Ups interessant und dynamisch gestalten kann. Und das Gute ist: Solche Sounds sind sehr einfach herzustellen. Wenn man weiß, wie es geht, ist es oft die schnellere Alternative, selbst einen Sound zusammenzubauen, als in Sample Libraries nach einem passenden Preset zu suchen.
Der Beispielsound dieser Workshopfolge soll eine Art “Baukasten” für solche Effekte sein. Wann immer du einen solchen Sound brauchst, kannst du dir dieses Preset schnappen und durch Justieren von Filter, Hüllkurven und LFOs kurz an die jeweilige Situation anpassen. Nebenbei wirst du dabei ein gutes Gefühl dafür bekommen, wie die verschiedenen Modulationen zusammenhängen und was sie bewirken.
Wegen seiner umfangreichen Modulationsmöglichkeiten habe ich für diesen Sound den kostenlosen Software-Synthesizer Helm von Matt Tytel verwendet, den du hier herunterladen kannst. Am Ende dieses Artikels findest du die Beispielpresets zum Download. Du kannst den Sound im Prinzip mit jedem Synthesizer nachbauen, der über einen Rauschgenerator, ein Filter, eine Hüllkurve und ggf. einen LFO verfügt.
Den Ausgangspunkt bildet das Preset Helm_INIT, das ebenfalls dem Downloadpaket am Ende des Artikels beiliegt. Es besteht aus einer Sägezahnschwingung von Oszillator 1 und klingt so:
Als erstes regelst du den Oszillator 1 im Mixer ganz herunter und drehst stattdessen den Rauschgenerator (Noise) auf.

Das Rauschen soll durch ein Filter geschickt werden, das von einer Hüllkurve gesteuert wird. Dafür aktivierst du das Filter über den entsprechenden Einschaltknopf und regelst den Cutoff (das ist beim Helm der horizontale Schieberegler unter der Filtergrafik) auf etwa 40 herunter. Nun ist vom Sound zunächst kaum noch etwas zu hören, weil das Filter den Frequenzbereich sehr stark einschränkt.

Um das Filter per Hüllkurve zu steuern, drehst du den Regler Env Depth auf etwa 85 auf. Nun kannst du mit den Werten der Filterhüllkurve den gewünschten Verlauf des Effekts bestimmen. Im nächsten Beispiel steht Attack auf 1,7, Decay auf ‘Null’, Sustain auf 100% und Release auf 4. Es empfiehlt sich, die Release-Zeit der Amp Envelope auf etwa den gleichen Wert wie bei der Filterhüllkurve aufzudrehen, also in diesem Beispiel ebenfalls auf ca. 4.

Durch das Hinzufügen von Resonanz (der Schieberegler am rechten Rand der Filtergrafik) kannst du den Effekt nach Belieben schärfer machen. Im nächsten Beispiel beträgt der Resonanzwert etwa 60. Auch den Parameter Drive beim Filter können wir etwas aufdrehen, um das Filter mit etwas höherem Pegel anzusteuern und einen satteren Sound zu erhalten. Drive steht hier auf ca. 2 dB.

Für einen räumlicheren Effekt fügen wir nun noch etwas Delay und Hall hinzu. Wenn du den Sound in einer Produktion einsetzt, solltest du darauf achten, diese Effekte auf die anderen Instrumente in deinem Mix abzustimmen, da der Sound sonst matschig werden kann. Aktiviere die Module Delay und Reverb des Helm Synthesizers und experimentiere mit den Einstellungen. Im nächsten Beispiel steht beim Delay der Notenwert auf punktierten Achtelnoten, Feedback beträgt 20% und Mix 8%. Beim Reverb ist Feedback auf 85% gestellt, Damp auf 0,5 und Mix auf 50%.

Mit diesem Setup kannst du nun nur durch Einstellung von Filter und Filterhüllkurve eine Reihe von anschwellenden Rise- oder abfallenden Fall-Effekten erzielen. Durch Justieren der Attack- und Release-Zeiten kannst du den Verlauf an das Tempo deines Songs anpassen. Hier ein paar Beispiele:
Filterhüllkurve: A = 2 Sek., D = ‘Null’, S = 100%, R = 0,2 Sek.
Amp-Hüllkurve: A = ‘Null’, D = ‘Null’, S = 100%, R = 0,2 Sek.
Amp- und Filterhüllkurve: A = ‘Null’, D = 6 Sek., S = ‘Null’, R = 6 Sek.
Filterhüllkurve: A = 0,1 Sek., D = 6 Sek., S = ‘Null’, R = 6 Sek.
Amp-Hüllkurve: A = ‘Null’, D = 6 Sek., S = ‘Null’, R = 6 Sek.
Filterhüllkurve: A = 2,5 Sek., D = ‘Null’, S = 100%, R = 1 Sek.
Amp-Hüllkurve: A = ‘Null’, D = ‘Null’, S = 100%, R = 2 Sek.
LFO-Modulation des Filters
Diese Effekte kann man noch interessanter und vor allem rhythmisch gestalten, wenn man zusätzlich zur Hüllkurve einen LFO zur Filtermodulation einsetzt. Stelle die Filterhüllkurve zunächst so ein: Attack = 2,5 Sek., Decay = ‘Null’, Sustain = 100%, Release = 0,05 Sek. Die Release-Zeit der Amp-Hüllkurve stellst du ebenfalls auf 0,05 Sek. Das klingt so:
Nun gehst du zum MONO LFO 1 und klickst zweimal auf die Grafik, um den LFO auf eine Rechteckschwingung einzustellen. Dann klickst du auf das kleine “S” und wählst aus dem Menü den Eintrag “Retrigger” aus. Dadurch wird der LFO bei jedem Tastendruck an den Anfang seiner Schwingung zurückgesetzt. Dann hältst du die Maustaste auf dem Feld für die LFO-Geschwindigkeit gedrückt, wo derzeit “1/2” eingetragen ist, und ziehst die Maus nach oben, bis “1/16” ausgewählt ist. Nun ist der LFO auf eine Geschwindigkeit von Sechzehntelnoten im Tempo deiner DAW eingestellt.
Um den LFO mit dem Filter zu verbinden, klickst du auf das kleine Helm-Symbol beim LFO. Über diese Symbole funktioniert bei diesem Software-Synthesizer die Zuweisung von Modulationen. Es leuchtet blau auf und alle Parameter, die von diesem LFO gesteuert werden können, werden grün hervorgehoben.Nun gehst du zum Filter-Cutoff (dem Schieberegler unter der Filtergrafik) und ziehst mit der Maus nach rechts, bis “10.00 semitones” eingeblendet wird. Danach deaktivierst du den Zuweisungsmodus durch einen erneuten Klick auf das Helm-Symbol. Damit hast du eingestellt, wie stark der LFO auf das Filter einwirkt.Jetzt wird das Filter zusätzlich zur Hüllkurve durch einen LFO im Songtempo gesteuert. Das klingt so:

Natürlich können wir auch hier wieder mit der Hüllkurve experimentieren, um andere Varianten des Effekts zu erhalten. Auch mit den verschiedenen LFO-Schwingungsformen kannst du experimentieren. Hier ein Beispiel mit einer Dreieckschwingung vom LFO und folgenden Werten für die Filterhüllkurve: Attack = ‘Null’, Decay = 4 Sek., Sustain = ‘Null’, Release = 4 Sek. Die Amp-Hüllkurve ist genauso eingestellt.

Modulation der LFO-Geschwindigkeit
Bei Synthesizern, die diese Form der Modulation ermöglichen, kann man interessante Effekte erzielen, indem man die LFO-Geschwindigkeit mit einer Hüllkurve moduliert. Dadurch lässt sich zum Beispiel erreichen, dass der LFO schnell beginnt und dann langsamer wird, oder andersherum. Dies ist nicht bei allen Synthesizern möglich; vor allem einfacher ausgestattete analoge Synthesizer bieten diese Option nicht. Beim Helm können wir dies aber erreichen.
Bei unserem Beispielsound bleiben wir bei den zuletzt gewählten Einstellungen für die Amp- und Filterhüllkurven. Für die Modulation der LFO-Geschwindigkeit ist sollte der LFO frei schwingen und nicht zum Songtempo synchronisiert sein. Dafür klickst du auf das kleine Notensymbol neben der LFO-Geschwindigkeit und wählst “Seconds” aus. Die Anzeige wechselt von einem Notenwert zu “0,500”. Das klingt so:

Die LFO-Geschwindigkeit soll ebenfalls durch die Filterhüllkurve gesteuert werden. Dafür klickst du auf das Helm-Symbol neben der Filterhüllkurve, woraufhin es blau aufleuchtet und alle steuerbaren Parameter grün hervorgehoben werden. Halte nun die Maustaste auf dem Feld für die LFO-Geschwindigkeit gedrückt und ziehe nach oben, bis “0.05 secs” eingeblendet wird. Danach deaktivierst du den Zuweisungsmodus durch einen erneuten Klick auf das Helm-Symbol. Um den Effekt besser zu hören, empfiehlt es sich außerdem, das Delay zu deaktivieren.
Nun steuert die Filterhüllkurve sowohl das Filter als auch die LFO-Geschwindigkeit. Der LFO beginnt schnell zu schwingen und wird dann langsamer:

Natürlich klappt das auch andersherum, sodass der LFO langsam beginnt und dann schneller wird. Deaktiviere die Modulation der LFO-Geschwindigkeit zunächst wieder, indem du mit der rechten Maustaste auf das Helm-Symbol der Filterhüllkurve klickst und “disconnect from mono_lfo1_frequency” auswählst. Nun ist die Modulationsverbindung wieder getrennt. Dann stellst du die Filterhüllkurve wie folgt ein: Attack = 5 Sek., Decay = ‘Null’, Sustain = 100%, Release = 4,5 Sek. Die Amp-Hüllkurve bekommt folgende Werte: Attack = ‘Null’, Decay = ‘Null’, Sustain = 100%, Release = 4,5 Sek.
Nun klickst du wieder auf das Helm-Symbol der Filterhüllkurve und ziehst im Feld für die LFO-Geschwindigkeit nach oben, bis ca. “0,1 secs” angezeigt wird. Danach deaktivierst du den Zuweisungsmodus durch einen weiteren Klick auf das Helm-Symbol.
Jetzt bewirkt die Filterhüllkurve, dass die LFO-Geschwindigkeit und der Filter Cutoff gleichzeitig ansteigen und nach dem Loslassen der Taste wieder absinken.

Varianten mit anderen Filtertypen
Noch mehr Klangvariationen können wir erzeugen, indem wir statt eines Tiefpassfilters ein Bandpass- oder Hochpassfilter einsetzen. Der Filtertyp lässt sich beim Helm stufenlos von Tiefpass über Bandpass zu Hochpass überblenden; das geschieht mit dem Schieberegler oberhalb der Filtergrafik. Steht er ganz links, arbeitet das Filter als Tiefpass. In der Mittelstellung erhält man ein Bandpassfilter, während ganz rechts ein Hochpassfilter entsteht.
So klingt das letzte Beispiel, wenn man die LFO-Modulation des Filters wieder entfernt und das Filter auf ein Bandpassfilter einstellt:

Natürlich können wir auch hier wieder per LFO modulieren. Der folgende Sound entsteht durch eine LFO-Modulation des Filters mit einer LFO-Geschwindigkeit von 1/32:
Für einen Hochpassfilter-Effekt setzen wir die Filterhüllkurve invertiert ein. Das bedeutet, dass sich die Hüllkurve umgekehrt auf das Filter auswirkt: Fällt die Hüllkurve ab, so steigt der Filter-Cutoff an.
Deaktiviere die LFO-Modulation, indem du mit der rechten Maustaste auf das Helm-Symbol beim LFO klickst und “Disconnect from cutoff” auswählst. Dann stelle das Filter auf Hochpass (Schieberegler oberhalb der Filtergrafik ganz nach rechts). Den Filter-Cutoff drehst du ganz auf (Schieberegler unter der Filtergrafik ganz nach rechts). Die Filterhüllkurve bekommt folgende Werte: Attack = ‘Null’, Decay = 6 Sek., Sustain = ‘Null’, Release = 4,5 Sek. Dann drehst du den Regler Env Depth in den negativen Bereich; im nächsten Beispiel steht er auf ca. -80.

Effekte kombinieren
Mit Filter, Hüllkurve und LFO lassen sich also aus einfachem Rauschen im Handumdrehen jede Menge verschiedene Effektsounds erstellen. Noch eindrucksvoller wirken solche Effekte in einer Produktion, wenn man mehrere davon (gern auch von verschiedenen Synthesizern) in der DAW übereinanderschichtet und ggf. im Stereobild verteilt. Hier hörst du ein Beispiel für eine solche Kreation aus vier verschiedenen Effekten, die alle auf die in diesem Artikel beschriebene Weise aus gefiltertem Rauschen entstanden sind. Zunächst hörst du die Sounds einzeln und dann zusammen:
Schlusswort
Anderswo ist Rauschen meistens unerwünscht. Im Synthesizer kann es jedoch eine Quelle für zahlreiche interessante Sounds sein. Mit Hilfe von Hüllkurven, LFOs und geschickten Modulationen entstehen aus Rauschen in kürzester Zeit die passenden Effektsounds für deine Tracks – immer wieder neu und anders. Viel Spaß beim Experimentieren, bevor wir uns in der nächsten Folge wieder tonalen Klängen zuwenden.
Download
Hier kannst du dir das Start-Preset Helm_INIT und den Beispielsound dieser Folge herunterladen. Wo die Presets abgelegt werden müssen, damit das Plug-In sie findet, steht in der Readme-Datei, die dem Downloadpaket ebenfalls beiliegt.