Bevor wir mit dem Programmieren von Sounds beginnen, geht es in den ersten drei Folgen des Crashkurses zum Thema Synthesizer und Sounddesign um die Grundlagen. Diese sind für das weitere Vorgehen enorm wichtig und eine hilfreiche Basis für das darauf folgende Gestalten von eigenen Sounds. Deshalb schauen wir uns die wichtigsten Bausteine eines Synthesizers kurz an, bevor wir mit dem eigentlichen Programmieren beginnen. Heute geht es um die Keimzelle jedes Synthesizer-Sounds – den Oszillator.


Quick Facts: Oszillator
Bei fast allen Synthesizern bilden ein oder mehrere Oszillatoren die Grundlage der Klangerzeugung. Ein Oszillator ist eine elektronische Schaltung (oder ihre digitale Emulation), die eine elektrische Schwingung mit einer bestimmten Schwingungsform und einer einstellbaren Frequenz erzeugt.
Diese Schwingungen bilden die Basis eines Synthesizersounds. Sie werden durch die anderen Bausteine des Synthesizers wie z.B. Filter und Hüllkurven auf verschiedene Weisen geformt und verändert, wodurch unterschiedlichste Klänge möglich werden. Ohne Oszillatoren geht bei einem Synthesizer also nichts, und deshalb sind sie das Thema der ersten Folge dieses Workshops.
Welche Arten von Oszillatoren gibt es?
Je nachdem, welches Verfahren der Klangerzeugung ein Synthesizer nutzt, ist er mit verschiedenen Typen von Oszillatoren ausgestattet. Es gibt noch einige mehr, aber diese fünf Typen begegnen uns bei gängigen Synthesizern in der Praxis am häufigsten:
- VCO (Voltage Controlled Oscillator): Analoger, spannungsgesteuerter Oszillator. Eine spezialisierte elektronische Schaltung, die eine bestimmte Schwingungsform mit einer einstellbaren Frequenz erzeugt. Sie kann aus einzelnen Bauteilen aufgebaut (diskret) sein oder aus einem integrierten Schaltkreis (IC / Chip) bestehen. Die Frequenz wird durch eine Steuerspannung geregelt, die von der Tastatur und/oder von einem oder mehreren anderen Bausteinen des Synthesizers festgelegt wird.
- DCO (Digitally Controlled Oscillator): Obwohl dieser Typ das Wort “digital” im Namen trägt, handelt es sich um einen analogen Oszillator. Der Unterschied zum VCO liegt darin, dass die Frequenz digital überwacht und geregelt wird. Da VCOs besonders bei frühen Synthesizern nicht besonders stimmstabil waren, suchte man nach einem Weg, Stimmungsprobleme in den Griff zu bekommen. Das Ergebnis war der DCO, der vor allem bei analogen Synthesizern der frühen 1980er Jahre zum Einsatz kommt, wie zum Beispiel bei der Roland Juno-Serie. In der Bedienung gibt es zumeist keine Unterschiede zum VCO.
- Virtuell-analoger Oszillator: Ein digitaler Oszillator, der das Verhalten eines analogen Oszillators durch Physical Modeling nachbildet. Er bietet die gleichen Schwingungsformen und Einstellmöglichkeiten wie ein typischer analoger Oszillator, arbeitet aber nicht mit analogen elektronischen Bauteilen, sondern mit einem DSP (Digitaler Signalprozessor), der den Klang anhand von Algorithmen in Echtzeit errechnet. Die Bedienung unterscheidet sich meist nicht von einem analogen Oszillator.
- Sampling-Oszillator: Sample-basierte Synthesizer und viele Workstations arbeiten mit Oszillatoren, die keine Grundschwingungsformen erzeugen, sondern vorab aufgenommene und im Speicher des Synthesizers abgelegte Samples in einer vorgegebenen Tonhöhe abspielen. So wurde es gegen Ende der 1980er Jahre möglich, akustische Instrumentenklänge einigermaßen realistisch nachzubilden. Statt einer Grundschwingungsform wählt man bei einem Sampling-Oszillator das abzuspielende Sample aus dem Speicher des Synthesizers aus, das dann je nach der gespielten Taste transponiert und in verschiedenen Tonhöhen abgespielt wird.
- Wavetable-Oszillator: Ein Wavetable-Oszillator arbeitet wie ein Sampling-Oszillator mit digital im Speicher abgelegten Wellenformen. Anders als beim Sampling bestehen diese aber nicht aus Aufnahmen akustischer Instrumente oder anderer Klänge, sondern aus einer “Palette” verschiedener Schwingungen, die vom Oszillator auf verschiedene Weisen durchfahren und wiedergegeben werden (vorwärts, rückwärts, in einer Dauerschleife, hin und zurück, etc.). Dadurch sind interessante Klangfarben und -verläufe mit Obertonspektren möglich, die analoge Oszillatoren nicht bieten können.
In diesem Workshop werden wir uns mit den Oszillatoren typischer analoger und virtuell-analoger Synthesizer beschäftigen, die nach dem Prinzip der subtraktiven Synthese arbeiten.
Tipp: Mehr zur Funktionsweise der verschiedenen anderen Synthese- und Oszillatortypen erfährst du in unserem Workshop Top 5 Syntheseformen bei Synthesizern.

Grundschwingungsformen
Die Oszillatoren analoger Synthesizer erzeugen eine Reihe verschiedener Schwingungsformen, oft auch als Wellenformen bezeichnet. Welche dieser Schwingungsformen bei einem bestimmten Synthesizer verfügbar sind, unterscheidet sich von Instrument zu Instrument. Gerade bei älteren Synthesizern ist die Auswahl oft eingeschränkt, während man bei modernen analogen und virtuell-analogen Synths meist alle Grundschwingungsformen (und ggf. Mischformen) antrifft.
Die vier wichtigsten Grundschwingungsformen, denen man bei Synthesizern am häufigsten begegnet, sind:
- Sägezahn (Sawtooth, Saw, Ramp)
- Rechteck (Square, Pulse)
- Dreieck (Triangle)
- Sinus (Sine)

Die Schwingungsformen unterscheiden sich in ihrem Obertonspektrum und damit in ihrer Klangfarbe. Ein Sägezahn hat viele Obertöne und klingt hell und schneidend. Eine Rechteckschwingung hat ebenfalls viele Obertöne, aber im Idealfall nur solche mit ungeraden Ordnungszahlen, also den ersten, dritten, fünften und so weiter. Dadurch ergibt sich ein anderer Klangcharakter, der oft als “hohl” empfunden wird.
Wegen ihrer großen Zahl von Obertönen und ihrem breiten Frequenzspektrum eignen sich die Sägezahn- und Rechteckschwingungen sehr gut für die weitere Formung durch ein Filter, mit dem bestimmte Frequenzanteile aus dem Klang herausgefiltert werden (subtraktive Synthese).
Die Dreieckschwingung besitzt ebenfalls nur ungerade Obertöne, die aber wesentlich schwächer ausgeprägt sind als beim Rechteck. Dadurch klingt die Dreieckschwingung deutlich dumpfer. Sie eignet sich besonders dafür, Klängen eine solide Grundlage zu verleihen.
Die Sinusschwingung ist nur bei wenigen analogen Synthesizern verfügbar. Sie besitzt theoretisch überhaupt keine Obertöne. Daher ist sie für das Prinzip der subtraktiven Synthese, bei dem mit einem Filter Frequenzen aus dem Spektrum entfernt werden, nicht gut geeignet. Bei additiven und FM-Synthesizern, die ihre Klänge durch Überlagerung verschiedener Schwingungen erzeugen, ist die Sinusschwingung dafür umso wichtiger, aber das ist Stoff für einen anderen Workshop.
Bei den meisten analogen Synthesizern weichen die Schwingungsformen in der Praxis mehr oder weniger von den oben abgebildeten Idealformen ab. Das liegt an den jeweils verwendeten Schaltungsdesigns und Bauteilen. Diese Unterschiede sind aber kein Nachteil, sondern machen den Charakter eines Synthesizers aus. Es wäre ja auch langweilig, wenn alle Synthesizer genau gleich klängen!
Im folgenden Video sind nacheinander die Sägezahnschwingungen des Moog Sub 37, Sequential Prophet-6und der Novation Bass Station II auf einem Oszilloskop zu sehen. Es ist zu erkennen, dass die Schwingungen durchaus etwas unterschiedlich aussehen und sich auch leicht unterschiedlich anhören. Somit tragen schon die Oszillatoren eines Synthesizers entscheidend zu seinem Gesamtklang bei.
Das nächste Video zeigt die Rechteckschwingungen derselben Synthesizer. Hier sind die optischen und klanglichen Unterschiede noch etwas größer als beim Sägezahn, vor allem der Prophet fällt etwas aus der Reihe:
Schwingungsformen überblenden
Manche Synthesizer bieten die Möglichkeit, die Grundschwingungsformen nicht nur einfach per Schalter auszuwählen, sondern mit einem Regler zwischen ihnen zu überblenden. Dadurch werden Mischformen möglich, was die klangliche Bandbreite erheblich vergrößert. Im folgenden Video siehst und hörst du den Effekt, der entsteht, wenn man die Schwingungsform eines Oszillators des Moog Sub 37 stufenlos von Dreieck zu Sägezahn zu Rechteck und zurück überblendet. Alle diese Zwischenstufen können die Basis für einen Klang bilden.

Regler in der Oszillator-Sektion
Frequenz: Oktave, Tonhöhe und Feintuning
Das Wichtigste, was man neben der Schwingungsform bei einem Oszillator einstellen kann, ist seine Frequenz, denn daraus ergibt sich die Tonhöhe. Dabei gilt zumeist das folgende Prinzip: Auf dem Bedienfeld des Synthesizers wird mit einem oder mehreren Reglern die Grundstimmung des Oszillators (auch im Verhältnis zu den anderen Oszillatoren des Synths) festgelegt. Beim Spielen wird diese dann von der Tastatur, über MIDI und/oder anderen Bausteinen der Klangerzeugung moduliert, also dynamisch gesteuert und verändert.
Welche Bedienelemente in der Oszillatorsektion zum Einstellen der Stimmung zur Verfügung stehen, unterscheidet sich von Instrument zu Instrument. Die meisten Synthesizer bieten pro Oszillator eine Auswahl der folgenden Schalter und Regler, die nicht alle vorhanden sein müssen:
- Oktave (Fußlage): Bei vielen Synthesizern kann man die Oszillatoren mit dem sogenannten Fußlagenschalter in Oktaven stimmen. Dass die Oktaven in Fuß angegeben werden (16’, 8’, 4’, 2’, etc.), hat seinen Ursprung in der Länge von Orgelpfeifen: die doppelte Länge ergibt einen Ton eine Oktave tiefer. 4’ ist also eine Oktave höher als 8’, was wiederum eine Oktave über 16’ liegt. Wenn dieser Schalter vorhanden ist, lassen sich die Oszillatoren des Synthesizers sehr einfach in Oktavabständen zueinander stimmen.
- Frequenz (Frequency, Tune): Ein Regler, mit dem die Frequenz des Oszillators stufenlos angepasst werden kann. Bei manchen Synthesizern ist diese Funktion auf die beiden Regler Coarse Tune und Fine Tune aufgeteilt: Coarse Tune bestimmt die Stimmung in einem weiten Bereich und ist oft in Halbtonschritten gerastert. Fine Tune übernimmt die Feinstimmung in einem engen Frequenzbereich.
Man könnte nun fragen: Warum wird die Stimmung bzw. Tonhöhe der Oszillators nicht einfach von der Tastatur festgelegt und lässt sich zusätzlich mit einem oder mehreren Reglern einstellen? Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum Beispiel ist es ein beliebtes Mittel beim Sounddesign, mehrere Oszillatoren geringfügig gegeneinander zu verstimmen. Das ergibt einen fetteren, breiteren Klang als ein einzelner Oszillator. Hier hörst du einen Sound aus einer Rechteckschwingung vom Prophet-6. Zuerst ist ein einzelner Oszillator zu hören. Dann kommt langsam ein zweiter Oszillator hinzu, der leicht gegenüber dem ersten verstimmt ist.
Ein weiterer Grund, die Stimmungen von Oszillatoren stufenlos zu regeln, ist, dass Oszillatoren bei vielen Synthesizern auch als Modulationsquellen eingesetzt werden können, die sich auf andere Elemente des Synths auswirken. So werden Effekte wie FM (Frequenzmodulation) und Ringmodulation möglich. Auch bei der Oszillatorsynchronisation (Sync) ist es vorteilhaft, die Oszillatoren unabhängig voneinander stimmen zu können. Diesen Themen werden wir uns in einer späteren Folge dieses Workshops widmen.

Tonhöhenmodulation (Pitch Modulation)
Die Tonhöhe der Oszillatoren kann bei den meisten Synthesizern nicht nur von der Tastatur bzw. über MIDI, sondern auch von anderen Bausteinen des Synthesizers gesteuert bzw. moduliert werden. Zum Beispiel lassen sich mit einer Hüllkurve fließende Tonhöhenverläufe erreichen, oder man benutzt einen LFO, um Vibrato hinzuzufügen. Welche Möglichkeiten sich hier bieten, ist von Synthesizer zu Synthesizer sehr verschieden, und wir werden uns dem Thema Modulationen in späteren Folgen dieses Workshops noch ausführlich widmen. Für den Einstieg ist nur wichtig zu wissen: Befinden sich in der Oszillatorsektion ein oder mehrere Regler, die mit Mod, Env Depth, LFO Depth o.ä. beschriftet sind, dienen sie dazu, derartige Modulationen hinzuzufügen.
Die Bedienschritte zum Hinzufügen von Modulationen unterscheiden sich bei Synthesizern sehr stark. Manche Geräte haben die gerade erwähnten Regler direkt in der Oszillatorsektion, also beim Modulationsziel. Bei anderen Synthesizern muss man die Modulation an der Modulationsquelle einstellen; die entsprechenden Regler sind dann also bei der Hüllkurve oder beim LFO zu finden. Wieder andere Synthesizer besitzen eine zentrale Modulationsmatrix, um Quellen und Ziele miteinander zu verbinden. Wenn bei den Oszillatoren keine derartigen Regler zu finden sind, heißt das also nicht unbedingt, dass keine Tonhöhenmodulation möglich ist – sie wird wahrscheinlich nur woanders eingestellt. Wie Hüllkurven, LFOs und andere Modulationsquellen funktionieren und was man damit machen kann, ist das Thema einer späteren Folge dieses Workshops.
Pulsbreite und Pulsbreitenmodulation
Viele Synthesizer bieten bei der Rechteckschwingung die Möglichkeit, das Verhältnis von positiven und negativen Abschnitten der Schwingungsform einzustellen und dadurch den Klang zu verändern. Der positive Teil der Schwingung wird breiter, während der negative Teil schmaler wird, oder andersherum. Das wird als Pulsbreite (Pulse Width / PW) bezeichnet. Manchmal ist diese Einstellung auch über einen mit Shape o.ä. beschrifteten Regler zu erreichen, der bei den anderen Schwingungsformen dann einen anderen Effekt hat.
Hier siehst du auf einem Oszilloskop, was passiert, wenn man die Rechteckschwingung des Sequential Prophet-6 durch Drehen am Regler Pulse Width verändert:
Die Pulsbreite lässt sich bei vielen Synthesizern auch von Modulationsquellen wie LFOs modulieren, sodass sie sich ständig verändert. Das wird als Pulsbreitenmodulation (Pulse Width Modulation / PWM) bezeichnet. Es bringt Bewegung in den Klang und sorgt für einen breiteren, schwebenden Klangcharakter.
Das nächste Beispiel zeigt die Modulation der Pulsbreite beim Prophet-6 durch einen LFO. Die Modulation wird langsam hinzugefügt.
Nicht alle Synthesizer bieten die Möglichkeit, die Pulsbreite manuell einzustellen. Manchmal gibt es nur die Option einer Modulation per LFO oder Hüllkurve. Bei einigen Synths lässt sich die Pulsbreite gar nicht beeinflussen. Wo es geht, solltest du aber unbedingt damit experimentieren – die klanglichen Möglichkeiten sind sehr vielfältig.

Suboszillatoren
Zusätzlich zu den eigentlichen Oszillatoren bieten viele Synthesizer einen oder mehrere sogenannte Suboszillatoren. Darunter versteht man einen Oszillator, der eine oder zwei Oktaven unter einem Hauptoszillator klingt. Die Tonhöhe des Suboszillators ist fest an die des Hauptoszillators gekoppelt; man kann den Suboszillator also nicht separat verstimmen.
Ein Suboszillator bietet meist nur wenige Einstellmöglichkeiten, außer seiner Lautstärke und ggf. seiner Schwingungsform. Bei vielen Synthesizern kann der Suboszillator nur eine oder zwei Schwingungsformen erzeugen, meist Rechteck und / oder Dreieck.
Suboszillatoren dienen dazu, Klängen eine solide Grundlage zu geben. Sie eignen sich besonders für Basssounds, können aber natürlich auch bei anderen Klängen eingesetzt werden.
Zusammenfassung: Oszillatoren
Oszillatoren bilden das Ausgangsmaterial für einen Synthesizersound. Sie erzeugen die Schwingungsformen, die dann im weiteren Verlauf des Signalwegs durch die anderen Elemente der Klangerzeugung wie Filter, Hüllkurven und LFOs zum endgültigen Klang geformt werden. Analoge und virtuell-analoge Oszillatoren bieten eine Reihe von Grundschwingungsformen wie Sägezahn, Rechteck und Dreieck, während digitale Oszillatoren eine deutlich größere Bandbreite von Schwingungsformen liefern können. Die Frequenz bzw. Tonhöhe eines Oszillators kann auf verschiedene Weisen geregelt werden: von der Tastatur, über MIDI und/oder von Modulationsquellen wie Hüllkurven und LFOs.
Nach den Oszillatoren folgt im Signalweg eines subtraktiven Synthesizers zumeist ein Filter – und das wird das Thema der nächsten Folge dieses Workshops sein.
Bis dahin – viel Spaß beim Erforschen der Oszillatoren deiner Synthesizer!