Live-Mischpult vs. Rackmixer mit iOS

Wir haben bereits öfter die Frage gestellt: Schubst ihr noch oder wischt ihr schon. Mit dem Wischen meinen wir im Allgemeinen die Bedienung von Mischpulten, im speziellen Rackmixer, via Control Apps. Bislang haben wir diese Frage gemäß euren eigenen Geschmack und Mischgwohnheiten offen gelassen. Für viele Nutzer mag die Frage zwischen Mischen oder Wischen immer noch mit abstrakten Ideen besetzt sein, besonders wie sich wohl das Handling zwischen beiden Varianten anfühlt und was exakt die ausschlaggebenden Punkte dabei sind. Dieser Artikel soll euch am Beispiel zweier Mischpulte, dem Zoom LiveTrak L-20 und dem Rackmixer Zoom LiveTrak L-20R die konkreten Unterschiede zwischen Wischen und Mischen aufzeigen.

01_Zoom_Livetrak_L-20_L-20R_Feature


Schon 2018 hatten wir die Erweiterung der Zoom LiveTrak-Serie mit dem L-20 auf dem Tisch. Ein 20-Kanal-Mischpult mit umfassender Bedienung, welches einen Mehrspurrekorder und 24-Kanal-Audio-Interface beinhaltet. Ein knappes Jahr später erscheint der Rackmixer LiveTrak L-20R, bei dem die Bedienung via iPad mit Hilfe des Zoom BTA-1 Remote Control Sticks und der L-20 Control App realisiert ist. 
Der Rackmixers L-20R ist bis auf Gain, Ein-Knopf-Kompressoren, den Reglern der sechs Monitor-Ausgänge und dem Mehrspurrekorder nackt, wir sind auf die Bedienung via iPad angewiesen. Was genau ist nun der Unterschied zwischen den beiden Geräten und was kommt für euch speziell in Frage? Wischen oder Mischen?

Details

Das Layout beider Pulte ist beinahe identisch. Das Zoom LiveTrak L-20 bietet zusätzlich ein Slate-Mikrofon, mit dem der Recording- oder Live-Engineer mit der Band in der Aufnahmekabine oder auf der Bühne an allen Kanälen vorbei kommunizieren kann. Diese Talkback-Funktion fehlt bei dem L-20R. Auf der anderen Seite haben wir durch die L-20 Control App Zugriff auf den 15-Band-Grafikequalizer des Master-Kanals.
Auch das Zoom LiveTrak L-20 hat die Möglichkeit, mittels des Zoom BTA-1 Remote Control Stick über Bluetooth mit einem iPad und der Zoom L-20 Control App angesteuert werden. Nur ist dieser Stick bei dem L-20 optional und bei dem L-20R ein fester Bestandteil.
Das LiveTrak L-20 kommt mit einem spartanischen Lieferumfang ins Haus. Transporttasche, 19-Zoll-Rackwanne, Fußschalter FS01 und auch der Bluetooth Stick Zoom BTA-1 für die Fernbedienung müssen dazugekauft werden. Dafür haben wir vollen Zugriff auf alle Regler und Funktionen des Pultes und ein massives Stück Technik in der Hand.
Der Rackmixer L-20R hat bereits den Zoom BTA-1 installiert und kommt mit einem einfachen 19-Zoll-Rackmontagekit. Allerdings fehlt eine alternative Transporttasche, die sich auch nicht im optionalen Sortiment von Zoom befindet, wie zum Beispiel der FS01 Fußschalter.
Am Zoom LiveTrak L-20R lässt sich schon mehr regeln, als an so manch modernen 19-Zoll-Rackmixern anderer Hersteller, die auf die komplette drahtlose Kontrolle setzen. Wer hier schnelles und direktes Eingreifen über die rudimentäre Regelung der Hardware bevorzugt, hat schon gewonnen. Doch lasst uns die einzelnen Punkt sukzessive aufbereiten.

Fotostrecke: 2 Bilder Lieferumfang des Zoom LiveTrak L-20

Im Praxiseinsatz

Wir bereiten hier explizit die Unterschiede zwischen beiden Mixern auf und reißen höchstens mal kurz die eigentlichen Funktionen an. Wer etwas tiefer in die Materie zu den beiden Varianten gehen oder parallel die Testberichte aufrufen möchte, dem bieten wir hier die folgenden Links:
Testbericht Zoom LiveTrak L-20
Testbericht Zoom LiveTrak L-20R

Anschlüsse

Beide Mixer haben die gleiche Anzahl an analogen Anschlüssen und digitaler Verschaltungsmöglichkeiten. Beim Zoom LiveTrak L-20 befinden sich die analogen Anschlüsse im hinteren Bereich der Mischpultoberfläche. Sehr praktisch, um eine schnelle Verkabelung bei neuen Sessions in Angriff zu nehmen oder kurzfristig zu entscheiden, ob der Monitorausgang doch mal als Kopfhörerverstärker genutzt werden soll. Alle weiteren digitalen Anschlüsse und die Schalter befinden sich hinten auf der Rückseite des Pultes.
Anders beim LiveTrak L-20R, bei dem sich alle analogen Anschlüsse auf dem Rücken des Gerätes befinden. Sollten wir den L-20R als Desktop-Mixer benutzen, ist eine Änderung der Verkabelung leicht erledigt. Wir legen den Mixer auf die Griffe und haben so hervorragenden Zugriff auf die Kabel, ohne das „Gesicht“ zu verkratzen.
Bei einer Benutzung des L-20R im Rack bietet sich eine permanente Verdrahtung mit Multicore-Kabeln an wie zum Beispiel einem 24/8, mit dem alle Ein- und Ausgänge abgedeckt sind. Im Gegensatz zum L-20, kommen wir beim L-20R hervorragend an die USB-Buchsen, SD-Karte und die entsprechenden Schalter. Auch der Zoom BTA-1 ist nutzerfreundlich auf der Frontplatte untergebracht.

Fotostrecke: 4 Bilder Die analogen Anschlüsse des LiveTrak L-20 befinden sich im hinteren Teil der Oberfläche, die digitalen Anschlüsse sind auf den Rücken verbannt

Kanalzug / Effekt-Sektionen

Der Kanalzug (Channel Strip) der LiveTrak-Mixer befindet sich direkt hinter den Ein-Knopf-Kompressoren. Den Anfang macht der Equalizer, dicht gefolgt von den EFX-Potis, dem Pan-Regler, dem Schalter für die Phasenumkehr und dem Betriebsschalter für den EQ.
Beim LiveTrak L-20 muss für jeden Kanal einzeln eine Select-Taste (SEL) betätigt werden, um auf die Parameter für diesen Kanal eingreifen zu können. Die Potis sind mit LED-Kränzen umgeben, die jeweils eine dreistufige Helligkeit darstellen, um auch Zwischenwerte schätzen zu können.
In der L-20 Control App brauchen wir nur den entsprechenden Kanal anzutippen und erhalten einen übersichtlichen Zugriff auf die Parameter inklusive exakten Werten und können auch noch dem Kanal eine knackige Farbe zuweisen. Bei den Stereokanälen ist hier auch die Wahl zwischen analogen Eingängen und den digitalen USB-Stereo-Returns (USB 1-2, USB 3-4) möglich.
Mir fällt bei Bedienung über die L-20 Control App auf, dass ich die parametrischen Mitten gerne in der Güte beeinflussen möchte. Was mir bei der Hardware nichts ausmacht, stört mich in der App. Das Mittenband ist sehr großzügig gewählt und manchmal wünsche ich mir eben eine schärfere Auswahl, um die ein oder andere kritische Frequenz zu eliminieren.

Fotostrecke: 6 Bilder Hier die Eingabematrix des Channel Strips der L-20, den Kanal muss man per SEL-Taste vorher anwählen

Fader / Fader Mode / Scene

Hier kommt der entscheidende Punkt für viele, die ihre Fader gerne reiten wie der Teufel. Am LiveTrak L-20 kann nach Herzenslust einzeln oder in Gruppen geschoben und geregelt werden.
Eingeschränkt, nacheinander und mit Fingerspitzengefühl ist dies in der L-20 Control App möglich, wobei wir jeweils einen Ausschnitt von acht Fader gleichzeitig angeboten bekommen. Unter den Fadern haben wir eine globale Übersicht über das komplette Angebot und können uns die entsprechende Sektion zum Nachregeln heranwischen. Sehr schön gelöst ist in der „Home“-Übersicht, dass die Effektanteile und das Panning auf dem kleinen Dienstweg justiert werden können. Ein Workflow, der bei dem LiveTrak L-20 das bedienen des Channel Strips unter zu Hilfenahme der Select-Taste nötig macht.

Fotostrecke: 2 Bilder Alles im Blick, alles im Griff, die Fader bei dem LiveTrak L-20, rechts daneben der Fader Mode und der Szenenspeicher

Master / Monitoring / PFL / MUTE / SOLO

Der Masterregler ist beim L-20 an der üblichen Stelle rechts am Mixer und damit schnell zur Hand und leicht zu bedienen.
Beim L-20R müssen wir das iPad bemühen, um an die Einstellung zu gelangen. Wünschenswert wäre hier ein Poti wie bei den Monitorausgängen, welche sowohl an der Hardware als auch von der Control App aus zu bedienen sind. Das Master-Poti hätte, rot abgesetzt, gut noch auf die Frontplatte gepasst. So müssen wir „in the Box“ wischen.
Die Monitorausgänge des L-20R sind elegant und bequem von der Frontplatte aus zu betätigen. Etwas unglücklich dagegen ist die Positionierung der Ausgangsregler auf dem L-20 inklusive den Mono-/Stereo-Tasten und der Master-/Monitorweg-Schaltung.
Die L-20 Control App bietet neuerdings die Möglichkeit, mittels dem HUB MODE, bis zu sechs weitere iPads über das bereits verbundene iPad an einem L-20R bzw. L-20 anzumelden. Hierzu dient das verbundene iPad als „Hub“, auf das wir uns mit den anderen iPads einloggen. Allerdings ist die Bedienung der zusätzlichen iPads nur auf den Monitorausgang beschränkt. Den generellen Mix überlassen wir also dem Engineer, während wir uns selber um unseren Monitormix, zum Beispiel direkt von der Bühne aus, kümmern können.

Fotostrecke: 4 Bilder Etwas in die Ecke gedrängt befinden sich die Monitorausgänge samt Regelung beim Zoom LiveTrak L-20

Mehrspurrekorder / Slate Mic / Tempo / REC/PLAY

Zuletzt eins der Argumente, dieses Pult zu erstehen, egal ob als Vollausbau oder in der Rackvariante: der Mehrspurrekorder.
In beiden Variationen ist hier der komplette Mix plus Master abnehmbar, vor allem in der Auflösung bis 24 Bit und 96 kHz. Die maximale Auflösung mit einer angeschlossenen DAW beträgt tatsächlich nur bis 48 kHz Samplingfrequenz über den USB-2.0-Port.
Es bietet sich für beide Mixer an, sich bei der Aufnahme auf die interne Verdrahtung und einer ausreichend großen SD-Karte zu verlassen und den Computer – bis auf das iPad – zu Hause zu lassen.
Beim LiveTrak L-20 bedienen wir den Rekorder direkt an der Hardware. Hier tappen wir auch die Geschwindigkeit für das interne Metronom respektive die Delayzeiten der Effekte ein und wir haben hier ein Talkback-Mikrofon (Slate Mic), um mit der Band Kleinigkeiten an den Spuren vorbei abzusprechen. Das Slate-Mikrofon ist beim LiveTrak L-20R leider nicht inbegriffen.
Beim L-20R nehmen wir alle Recording-Parameter, Namen und Feineinstellungen an der Hardware direkt im Rekorder-Untermenü vor. Die Aufnahme selbst steuern wir dann über die App, die den vollen Zugriff auf die Transportrolle und den Overdub-Taster vorhält.
Ob wir einzelne Spuren aufnehmen und andere abspielen lassen oder gar ein Line-Check vor Ort ohne Band über ein vorab aufgenommenes Liveset abfahren, können wir mit den Tasten REC/PLAY an den einzelnen Kanälen bestimmen. Beim L-20R wiederrum über die App mit je acht Kanälen pro Fenster, beim L-20 übersichtlich über die Hardware.
Praktischerweise können wir das aufzunehmende Signal sogar noch vor den Ein-Knopf-Kompressoren abgreifen. Einer der vielen Punkte des Menüs bei beiden Pulten.
Das Tempo des L-20R kann nur über das iPad eingetippt werden. Unten rechts in der Ecke befindet das entsprechende Symbol, welches dann auch die BPM-Zahl ausspuckt. Bei einem iPad Mini kann das Tappen allerdings zu einer harten Geduldsprobe ausarten. Da helfen vielleicht Eingabehilfen in Stiftform.

Fotostrecke: 3 Bilder Der Mehrspurrekorder mit allen Bedienelementen, der Tempotaste und dem Slate-Mikrofon des LiveTrak L-20

Prinzipiell ist es wieder eine Entscheidung nach Notwendigkeit, Platz, Preis und letztendlich auch nach dem persönlichen Geschmack und Gewohnheit. Wem die kompakte Variante zusagt, greift zum Rackmixer, wie zum Beispiel dem günstigen Bundle des LiveTrak L-20R inklusive dem BTA-1 Stick. Wer die Haptik eines ausgewachsenen Mischpultes bevorzugt, die komplette Übersicht und umfassende Kontrolle schätzt, wird mit dem übersichtlich zu handhabenden Pultes, wie beispielsweise dem LiveTrak L-20 hervorragend bedient. 
In einer App können wir nur einen Kanal nach den anderen bearbeiten, dafür sind die Werte für gewöhnlich exakt datiert, nutzerfreundlich visualisiert und per Szenenspeicher jederzeit so wieder abrufbar. Es bleibt also die Entscheidung Wischen oder Schieben, wie hier in diesem Artikel schon thematisiert.
Für welchen Mixer Ihr euch entscheiden mögt, die Unterschiede werden ähnlich sein, wie bei den hier dargestellten LiveTrak-Mixern. Der Knackpunkt kann am Ende die Anzahl der verfügbaren Kanäle sein, weswegen gerade große Live-Mischpulte mit über 100 Eingängen nicht selten als Desk-Variante gebaut werden, während wir im Mittelfeld sehr häufig wischenden Live-Engineers mit ihren potenten  “Stageboxen” begegnen.
Wir hoffen, euch die Entscheidung etwas erleichtert zu haben. Wir haben stets ein offenes Ohr, nutzt gerne die Kommentarfunktion, um Fragen an uns zu richten.

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