Gemini GMX Test

Praxis

Disziplin 1: Standalone/Out-of-the-Box Mix

Standalone heißt ja eigentlich anschließen, Strom drauf, Datenträger rein und ab dafür. Das soll auch mein erster Ansatz für den Praxislauf sein. Das musikalische Test-Arsenal befindet sich auf je einem FAT und HFS+ formatierten 16 GB USB-Stick und einer 128 GB großen FAT-SSD. Ob der GMX damit umgehen kann? Letztgenannte ist schließlich besonders dann von Vorteil, wenn eine große musikalische Bandbreite (Stichwort: Dienstleister) gefordert ist. Und falls ja, wie sieht es dann mit dem Library-Management aus? Ein wichtiger Aspekt bei derartigen Volumes, doch zunächst mal der Kompatibilitäts-Check: 32 GB FAT-Stick, kein Problem. 120 GB FAT-SSD, klappt. Mac formatierter HFS+ Stick? Keine Chance. Der Stick steckt oben, die SSD hinten und bei den Zugriffszeiten zeigt sich der Proband mit drei bis sechs Sekunden recht flott. Eine LED für den USB-Betrieb ist leider nicht vorhanden.
Was den digitalen Workflow angeht, hat der Hersteller im Idealfall eine Datenbanksoftware, die nach Playlisten, Titel, Artist, Genres, BPM und dergleichen katalogisiert und diese Infos auf den Datenträger schreibt, den man per Buchstaben-Eingabe, beispielsweise über ein Datenrad, filtern kann. Ein Paradebeispiel hierfür ist Pioneers rekordbox. So etwas gibt es hier leider nicht, jedoch können unterschiedliche Tags (Artist, Title) auf dem Display eingeblendet werden und man scrollt von Track zu Track, bis das gewünschte Musikstück gefunden ist, wobei im Browser-Modus (nur drei Zeilen hoch) die Wellenform verschwindet. In Anbetracht der Preisklasse kann man hier beide Augen zudrücken, sollte aber erwähnen, dass Gemini sehr wohl mal ein solches Programm in petto hatte.
Zwei Titel sind schnell per Encoder geladen, wobei Vorsicht geboten ist, nicht versehentlich den Encoder zu drücken, denn dann startet das nächste Musikstück ein, da keine Play-Lock-Funktion integriert ist und schon ist der integrierte Beatcounter am Drücker, wobei der DJ den Modus Operandi festlegen darf.

  • Option 1: Der GMX liest die BPM aus dem ID3-Tag aus, was meine erste Wahl wäre.
  • Option 2: Er berechnet sie anhand der Taktschläge und gibt dann seine Einschätzung ab. Wichtig für Anwender, die keine DJ-Software nutzen: Das Zählwerk ist hier in der Regel sehr flott und benötigt nur in Einzelfällen mal länger. Dann kann es aber auch schon mal bis zu 20+ Sekunden dauern.
  • Option 3: Der DJ klopft die BPM per Hand im Rhythmus des Beats ein (falls mal etwas vollends nicht stimmt).

Welchem Verfahren man auch immer den Vorzug gibt, das Ergebnis ist auf dem jeweiligen Display abzulesen, das sich als ziemlich kontraststark einstufen lässt und die üblichen Titel- und Laufzeitinformationen sowie einen vierstufig skalierbaren Ausschnitt der Wellenform (max. 13 Sek.) nebst Fortschrittsbalken anzeigt. Allerdings fallen die Digits, Typo und grafischen Elemente arg klein aus. Um einen groben Überblick zu bekommen, sprich wann der nächste Break oder Cuepoint kommt, ist die Wellendarstellung zu gebrauchen, aber für das visuelle Beatmatching in meinen Augen eher nicht.

Fotostrecke: 3 Bilder Der Gemini GMX stellt sich dem Praxistest.

Disziplin 2: Sound

Vorhörarbeit ist die halbe Miete und so freut es mich zu berichten, dass der Kopfhörerausgang als hinreichend laut und zerrfrei durchgeht. Das Vorhören erfolgt per Kanalselektion und flexiblem Master-/Preview-Mix. GMX verfügt über XLR- und Cinch-Ausgänge und ist somit auch für den professionellen Einsatz gerüstet und der „naturbelassene“ Sound, den der Gemini über die Master-Outputs ausgibt, ist als sehr ordentlich einzustufen. Allerdings kommt es im Betrieb zu sporadischen Audiofehlern, beispielsweise beim Laden von Titeln oder (wie weiter hinten angeführt) bei einer Filterfahrt, die hoffentlich beim nächsten Firmware-Update behoben sind, denn bis dahin würde ich von einem Einsatz vor Publikum abraten.
Beim Ineinanderblenden der Tracks lasse ich es mir nicht nehmen, an den EQs und Filtern zu schrauben. Gerade Letztgenannte klingen vergleichsweise enttäuschend und der Sound der EQs ist irgendwie topfig. Demzufolge ist ein Crossover-Party DJ ohne EQ Dauerschrauber-Ambitionen mit dem Teil meiner Meinung nach möglicherweise besser beraten als der frequenzmanipulierende House/Techno-DJ, der ohnehin mangels jedweder weiterer Effekte nicht zur Hauptzielgruppe gehören dürfte. Was mir noch aufgefallen ist: Es gibt keine Kill-Funktion, denn in der Nullstellung (ganz links) der EQs ist noch etwas wahrzunehmen.
Das Mikrofonsignal ist bedauerlicherweise nicht in der Klangfarbe beeinflussbar, da seitens Gemini auf EQs oder einen Tone-Regler verzichtet wurde. Der Gain-Regler ist obendrein etwas unglücklich positioniert, denn beim Einpegeln oder besser gesagt beim Drehen stoße ich immer an die Gehäusekante oder den Mikrofonstecker. Dieser Umstand wiegt umso schwerer, da es weder einen Schalter für die Mikrofonsektion noch eine Talkover-Funktion gibt und weil ich somit bei Durchsagen jedes Mal neu einpegeln und zudem gleichzeitig alle Channelfader herunterziehen muss. Das wäre auch anders zu lösen gewesen. 

Soundcheck Filter beim Gemini GMX ...
Soundcheck Filter beim Gemini GMX …

Disziplin 3: MIDI Session mit Virtual DJ8

Für die Installation von Virtual DJ 8 liegt keine CD bei, sondern eine Karte mit einem Download-Link. Finde ich okay, mein Mac hat ohnehin kein CD-Laufwerk und bei den heutigen Datenraten sind die knapp 40 MB auch schnell gezogen. Die Website fordert außerdem zur Installation der aktuellen Firmware 1.5 auf, was bedauerlicherweise nicht über USB erfolgt (dies ging nur bis FW1.3), sondern über einen Updater, der sich auf meinem Mac im Programme-Ordner installiert. Sehr unschön. Erschwerend kommt hinzu, dass das soeben installierte Programm nicht unter OSX 10.10 startet, selbst nach einem System-Update und erneutem Reboot nicht. Was hilft’s, ich muss das Update im Windows-Bootcamp vollziehen und das Programm dort erneut installieren. Ärgerlich, das hätte man besser via USB-Upload lösen sollen.
Ich starte Virtual DJ 8 und schalte zunächst aus dem Standalone-Modus – leider in Begleitung eines deutlich wahrnehmbaren Knackens und unter Unterbrechung der Musik – in den MIDI-Mode. VDJ 8 erkennt daraufhin die MIDI-Hardware nebst Interface und richtet alles „vorschriftsmäßig“ ein. Auf den Displays des GMX erscheint die Aufforderung, einen Track ins Deck zu ziehen. So soll es sein und die Mixerei kann beginnen. Die Titelinformationen im Display sind mit Ausnahme der ausbleibenden Wellenformdarstellung nahezu identisch, genauso wie die Belegung der Tasten und Regler. Alle Bedienelemente von den EQ-Reglern über die Transportsektionen, Hotcues und Loops sind adäquat gemappt und das Beladen der Decks via Encoder gestaltet sich völlig problemlos. Sogar die Deck-LED blinkt im Takt. Auf die Latenzeinstellungen habe ich in VDJ-Mac keinen Zugriff.

Fotostrecke: 3 Bilder Das Interface arbeitet mit 24 Bit und 44,1 kHz.

Machen wir als nächstes mal einen Stress-Test, also von USB nach MIDI, zurück nach USB und wieder zu „standalone“ und immer schön die Tracks wechseln. Ergebnis: Betriebsunsicher, weil einerseits (anders als bei manch teureren Geräten) beide Player die Betriebsart wechseln, was unweigerlich zum Musikausfall führt. Zweitens, weil die Wartezeiten dabei zu lang sind und drittens, weil es keinen Aux-Eingang gibt, mit dem man mit Hilfe eines externen Zuspielers die Lücke füllen könnte. Positiv ist anzumerken: Beim Verlassen von VDJ setzt die Software einen Cue-Stutter an der Exit-Stelle und spielt beim Return dort weiter. Sollten allerdings zwischendurch Volume- oder Pitch-Änderungen stattgefunden haben, macht man sich besser auf Parametersprünge gefasst. Streckenweise bleibt das Gerät dabei auch mal hängen und GMX muss neu gestartet werden. Am sichersten ist es, (bis auf weiteres oder bis zum nächsten Firmware-Update) dauerhaft im USB- oder MIDI-Modus zu verweilen. Kurz nach dem Test erreichte mich dann auch die Nachricht, dass das in Kürze eintreffenden Update 1.8.2 diverse Fehler beseitigen wird.
Vor dem Fazit möchte ich noch loswerden, dass man bei einem Straßenpreis von 400 Euro natürlich keine Vollfarb-Displays mit Notebook-Workflow erwarten darf, denn dafür gibt es ja auch den großen Bruder CDMP-7000. Was ich allerdings nicht verstehen kann: Warum hat Gemini die Entwicklung einer Datenbank-Software aufgegeben, kann sie doch bei solchen Systemen eine grundlegend besseren Arbeitsablauf ermöglichen. Als Gegenbeispiele seien hier Pioneers rekordbox und Denons Engine genannt. Gut, die Beiden spielen in einer anderen Liga und Preisklasse, aber letztlich ist das Track- und Playlisten-Management sicherlich auch eine der zeitraubendsten Tätigkeiten eines DJs.

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Profilbild von Lukas Lange

Lukas Lange sagt:

#1 - 22.07.2015 um 11:32 Uhr

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Vielen Dank für diesen Test.
jedoch hätte ich eine Frage zum Browser im Standalone-Betrieb:
Gibt es die Möglichkeit dort die Musik eines Ordners beispielsweise nach BPM zu sortieren?
Falls ja, nach welchen Tags kann man die Dateien sortieren?
Wenn dem so wäre, wäre das Nichtvorhandensein einer Analyse-Software für mich nicht weiter tragisch. Falls dies nicht möglich ist, könnte das allerdings tatsächlich das K.O. Kriterium für den GMX sein.
Viele Grüße

Profilbild von Peter

Peter sagt:

#2 - 23.07.2015 um 10:32 Uhr

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Hallo Lukas, danke für den Kommentar. Die aktuelle Firmware beinhaltet keine Sortierfunktion, aber es wäre definitiv ein nützliches Update :)

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