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SSL UF8 Test

Solid State Logic, kurz SSL, stand einmal ausschließlich für dicke britische Consolen und High-End Outboard im oberen Preissegment. In jüngster Zeit kamen aber auch günstigere Produkte hinzu, die rückblickend und den Hatern zum Trotz echte Erfolge waren: SSL Six, SSL Fusion – und nun der UF8. 

SSL_UF8_TEST


Der neue, relativ kompakte Motorfader-Controller löst auch den SSL Nucleus ab, der mehr als doppelt so groß, viermal so teuer – und noch nicht „Assembled in China“ war. Aber das muss bekanntlich nichts mehr heißen, oder? Zumal neue EU-Richtlinien ohnehin gerade einige Produktlebenszyklen aufgrund neuer EMV-Anpassungen überraschend vorzeitig terminieren.

DETAILS

Same, same but different?

Der SSL UF8 ist ein DAW-Controller mit acht flinken 100mm-Motorfadern in 10-Bit-Auflösung; eingebettet in gebürstetes Space-Grau-Aluminium, umschlungen von einem knappen, gelochten Metallgewand. 

Die Unit bringt 2,9 kg auf die Waage und frisst „ge-racked“ in etwa 6-HE/19 Zoll, genauer sind es 431×62,7×266 mm (BHT). Damit ist der UF8 bei weitem nicht so opulent wie einst der Nucleus, aber ist dennoch eine äußerst stattliche Erscheinung. Das Layout ist schön weitläufig und bietet auch großen Händen genügend Spielraum.

Fotostrecke: 2 Bilder Groß, aber absolut nicht klobig – sondern genau richtig groß: SSL UF8.

Jeder Fader/Kanal verfügt über einen Push-Encoder, ein eigenes Display sowie die typischen Solo-, Cut- und Select-Taster, die alle bidirektional mit der DAW kommunizieren; je nach Status also entsprechend leuchten oder sich bewegen. 

Verbunden wird via USB und – wie bei vielen anderen Konzepten der Mitbewerber auch – grundlegend mit der DAW via MCU oder HUI-Protokoll kommuniziert. Zusätzlich setzt man hier auch auf die Simulation von Tastatur- und Mauskommandos, um die Möglichkeiten der Individualisierungen zu maximieren. SSL bietet außerdem umfangreiche Presets für Ableton Live, Cubase, Pro Tools, Studio One und Logic, die keiner weiteren Bearbeitung bedürfen.

Bis zu vier Units können ferner kaskadiert werden und bis zu drei Layer gleichzeitig angesprochen werden. So kann man drei DAWs parallel betreiben. Ein Direkt-Layer für SSL Sigma fehlt und wird mit Hinblick auf die neuen EU/EMV-Verordnungen wohl auch nicht mehr kommen. Soweit also alles identisch zu Nucleus.

Fotostrecke: 2 Bilder Ja, wo ist denn das Strom-Knöpfle?! Footswitches, Netzteil sowie USB-A (Thru), USB-C Anschluss – und das war es.

Neu ist die Kommunikation via USB-C, vorher setzte man auf ein umständliche Netzwerkverbindung. Hinzu kommt die neue Software SSL 360°, die unkomplizierte Verwaltung der Controller/DAW-Belegungen und Hintergrund-Kommunikation übernimmt. 

Ein recht großes Netzteil sowie zwei entsprechende USB-Kabel (USB-C/A) und solide Füße zum Anschrauben sind Bestandteil des Lieferumfangs. Den SSL Vocal Channel und das Drum Strip Plugin gibt es dazu.

Gechained wird zu weiteren Units mit USB, dafür ist die zweite USB-A-Buchse da. Rack-Ohren sind optional erhältlich, eine Fader-Only-Variante gibt es nicht.

Fader-Controller Marktvergleich

Mit einem Straßenpreis von rund 1125 Euro ist der UF8 preislich wie der olle Mackie Control Universal Pro verortet – und damit ist der Aufguss auch deutlich teuer als Vergleichbares von Behringer, Presonus und wie sie alle heißen. Und die haben ja auch erstmal alle 100mm-Motorfader und MCU/HU-Protokolle – allesamt sind sie aber deutlich schlechter in die Top 5 DAWs integriert; Presonus Studio One einmal explizit ausgenommen.

Wenn man das Ding hier aus dem Karton pellt, weiß man jedenfalls wo die Kohle hin ist: Hochwertiges, schlankes Industriedesign. Ein absolut durchdachtes Layout mit zurückhaltender, universeller Beschriftung sowie gutem Farbkonzept hinsichtlich der Tastenbeleuchtung. Im Prinzip der alte Klassiker, modern gedacht, in genau der richtigen Größe und um praktische Details ergänzt. 

Da wären beispielsweise die eingerückte Anschlussseite sowie die soliden Metallfüße zu nennen: Zahlreiche Anschraub-Kombinationen ermöglichen mehrere Anstellwinkel, und kratzersichere Positionierungen auf einem dicken Mixer sind dank der verstellbaren Gummi-Poppel ebenfalls problemlos möglich. Der USB-A Thru-Port kann weiterhin für Dongles oder dergleichen missbraucht werden. Und eigene Macros kann man auch ohne Weiteres erstellen.

SSL UF8 DAW-Controller Stands
Fotostrecke: 2 Bilder So müssen Füße aussehen – so, und nicht anders!

Große Displays, gute Encoder

Die großen Displays sind aus unterschiedlichen Winkeln einwandfrei lesbar. Die acht korrespondierenden Push Encoder übermitteln zuverlässig Daten, haben aber kaum Drehwiderstand, was Geschmacksache ist. 

Der neunte Encoder ist gerastert und mit einer größeren Kappe versehen. Er bietet Mouse-Wheel-Emulation, durch die man komfortabel am Gerät scrollen kann oder das EQ-Plugin ab sofort zweihändig mit Maus und UF8 bedient („Focus“). Und knattern tut er auch wie ein Mausrad.

Navigation und Nudging Modes sind ebenfalls mit dem großen Encoder möglich, per Default scrollt man durch die Fader-Selektion, die sich banken lässt. Ein weiterer Tasten-Cursor bewegt in der DAW herum bzw. zoomt horizontal/vertikal in die Session.

SSL UF8 DAW-Controller Displays
Fotostrecke: 3 Bilder Oben links: 3x Layer, 3x Views, 1x 360°.

Hinzu kommen viele weitere, RGB-beleuchteten Taster, die allesamt eine gute Größe und einen angenehmen Druckpunkt besitzen. Insgesamt gibt es bis zu 43 individuell belegbare Taster für „häufig“ benutzte Shortcuts sowie Macros.

Dazu zählen auch die drei Quick Keys, auf die bereits unterschiedliche DAW-Ansichten gemappt sind. Selbst ein Taster zum Hervorholen des SSL-360-Fensters ist vorhanden. Aber wie gesagt, alles ist auch anpassbar und durch die Klarnamen im Display jederzeit in seiner Vielzahl schnell zu finden.

Und wem das alles nicht reicht, kann auch mit den beiden Fußschaltereingängen ausrasten; Vangelis lässt grüßen. Alles weitere ist Bedienung und damit Praxis!

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PRAXIS

As good as it gets

Der SSL UF8 ist nichts Neues und seine Features nicht spektakulär. MCU/HUI ist nach wie vor nicht besonders komplex und insbesondere die Bedienung von Plugins lässt aufgrund schlechter Parameter-Layouts zu wünschen übrig. Das ist aber nicht die Schuld von SSL – ganz im Gegenteil, die haben tatsächlich nur das Beste draus gemacht! Abgesehen von dem fehlenden Direkt-Layer für Sigma, das ist wirklich echt Schade. Aber nun gut, lange gibt es den ja eh nicht mehr.

Fotostrecke: 4 Bilder Anstatt ipMIDI kommt nun V-MIDI mit 12 Ports zum Einsatz. Da der UF8 MCU emuliert, wähle ich entsprechend als Bedienoberfläche Mackie Control aus. Erster I/O ist jeweils Port 1.

Sicherlich, Nucleus fühlte sich noch einen Ticken geiler und wertiger an – ja, „klang“ es sogar auch. Kein Witz, auch im Vergleich zu meiner Matrix ist es vor allem die „akustische Rückkopplung“, die den Unterschied im Wertempfinden definiert – bedientechnisch fühlt sich das alles recht gleich an – und sind wir mal ehrlich, wann bewegen sich schon alle Fader ständig so massiv? Eben.

Insofern ist das geschnürte Paket stimmig – und wer mehr Luxus braucht, muss deutlich tiefer in die Tasche greifen. Vergleichbares gibt es aber faktisch nicht, man könnte AVID S1 anführen, aber das ist ein anderes Konzept. Es funktioniert besonders gut mit Pro Tools – aber eben NUR Pro Tools. Und der Rest ist eher so „meh“.

Die Netzwerkverbindung, die SSL früher an ihren Fader-Units nutze, hatte den Vorteil, mehre Computer gleichzeitig mit einem Controller bedienen zu können. Das ist mit der UF8 nicht mehr möglich, dafür ist die Einrichtung nun bedeutend unkomplizierter: SSL 360° installieren, USB verbinden, DAW-Preset wählen, in der DAW MCU oder HUI auswählen – fertig. Kein Stress mit dem WLAN-Router, einfaches USB und gut. SSL 360 muss allerdings immer im Hintergrund laufen. Im MIDI-System tauchen so 12 virtuelle MIDI-Ports auf, die es dann auf die drei Layer und bis zu vier Units zu verteilen gilt. 

Das Tolle im Vergleich zu anderen MCU/HUI-Controllern ist die wirklich gute Anpassung der Skripte durch die mitgelieferten Presets, welche nur Befehle am Controller anzeigen, die tatsächlich in der DAW auch genutzt werden können und nur wenig Parameter tot bleiben. Die Möglichkeiten wurden jedenfalls ausgereizt, ein entscheidender Vorteil gegenüber Controllern mit lieblos designten MCU-Modes. Ebenfalls erwähnenswert: Grundsätzlich ist die Bedienung mit dem UF8, also der Software dahinter, identisch zu Matrix und Nucleus. Allerdings sind die Taster anders angeordnet, wobei das neue Layout nun deutlich mehr Sinn macht.

Die Displays sind ein weiteres Alleinstellungsmerkmal, da sie groß und aus den unterschiedlichsten Winkeln gut zu erkennen sind. Sie haben aber etwas viel Blau-Anteil für meinen Geschmack und mein „Retro-Herz“ findet die ollen orangenen Doppel-Scribble-Strips meiner Matrix trotzdem geiler – aber nun gut, jetzt sind die Gain-Visuals auch gleich mit dabei. Flinker werden die gegenüber konventionelle LED-Streifen aber auch nicht – denn nach wie vor wird nur „aufgebohrtes MIDI“ im Hintergrund benutzt. Das sollte man nicht vergessen und hin und wieder „lagged“ es dann auch mal. Feineinstellungen wie I/O-Selektion beispielsweise sind mit Ableton Live und MCU zwar möglich, letztlich aber so frickelig in der Handhabung, dass niemand das ernsthaft nutzen dürfte – egal bei welchen Controller.

Touch me, Flip-Mode

Am geilsten ist und bleibt der Flip-Mode, mit dem alle Parameter-Belegungen zwischen Fader und Encoder vertauscht werden können, sodass man sich schnell das beste physische Bedienelement für die jeweilige gemappte Funktion heraussuchen kann. Und in den meisten Fällen dürften das die Fader sein.

Schade finde ich aber, dass man im Flip-Mode die Fader berührt halten muss, um die Werte angezeigt zu bekommen. Eine Hold-Funktion wäre toll – vielleicht habe ich aber auch nur etwas übersehen?Genug Parameter, zu wenig Kontrolle?

Ferner kann man je nach DAW ausreichend Sends adressieren und im Channel-Mode individuell auf die Settings eines Kanals eingehen – inklusive umfangreicher Plugin-Steuerung mit Parameter-Namen im Display und bis zu 8×8 Parametern beispielsweise in Ableton Live. Das ist an sich eine massive Unterstützung und funktioniert mit vielen Ableton Effekten auch gut. 


Insbesondere bei Drittanbieter-Plugins sind die Parameter aber teilweise blöd über die Pages verteilt, sodass es am Ende keinen Spaß macht, sie zu benutzen und Kollege Maus einspringt. Again: Kein Fehler von SSL, sondern „systeminhärent“. Die V-Pots erlauben aber unterschiedlichste Belegungen bei kaskadierten Units, sodass man theoretisch weniger zwischen Parameter-Pages umschalten müsste – überprüfen konnte ich das mit nur einer Unit allerdings nicht. 

Dem findigen Auge werden eventuell fehlende dedizierte Transport-Taster aufgefallen sein, die nun ins Menü abgewandert sind, was zweckdienlich ist, da man dafür ohnehin Space auf der Tastatur nutzt und so knappen Platz vor dem Screen spart. Nach ein paar Jahren mit der Matrix kann ich außerdem sagen: Acht Fader für die DAW-Steuerung reichen, sofern macht die UF8 dann auch in Verbindung mit der Origin mehr als Sinn!

Generell sollte nochmal die 19-Zoll-Fähigkeit der Unit gelobt werden. Rüge gibt es wiederum für den fehlenden Power-Schalter. Das nervt und es nervt richtig, wenn der angeschlossene Rechner nicht so gut mit dem Power-Management kann. Im Falle meines neuen Mac mini meldete sich so dann trotz Standby des Rechners alle 30-40 Minuten mal wieder das UF8 mit einer kleinen Fader-Kalibrierung. Das betrifft aber viele USB-Buden und die Lösung heißt: Master-Slave-Steckdose.

Bemerkenswert ist die sehr gute Dokumentation inklusive aller Einrichtungsvarianten in dem Manual. Früher musste man sich seine Infos teilweise selbst zusammenpuzzeln. Da legt SSL mittlerweile viel Wert drauf und das möchte ich deshalb besonders loben. Ebenfalls gut mitgedacht: Der Export-Report, der essenzielle Systeminformationen und Log-Files zu einer netten .txt schnürt, falls es doch mal Probleme gibt und man dem Support schnell alle Randinfos schicken möchte.

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Fazit

Punktlandung. Der SSL UF-8 ist aktuell der beste universelle Motorfader Controller für die DAW-Steuerung. Flexibel hinsichtlich der zu bedienenden DAW-Systeme und trotzdem in der gesamten Handhabung sehr einfach. Gepaart mit dem gewohnt guten Support und eben noch reichlich Extra-Features reicht das fast für die Maximalbewertung. SSL weiß, was es heißt, „Workflow-gerecht“ zu denken – und nicht zuletzt deswegen haben sich auch die ganz großen Konsolen als das „Nonplusultra“ etabliert, wenn man jetzt mal von ganz speziellen Vintage-Sounds einmal absieht.

SSL macht Arbeitsgeräte für Leute, die damit arbeiten und Geld verdienen, und weil sie das gut machen, können sie dafür auch mehr Geld als der Rest verlangen – sie haben schließlich einen Ruf zu verlieren. Und wenn man an die letzten Schreie denkt, war ja bereits der Nucleus „vieeeeel zu teuer“, der rückwirkend sogar einen Ticken edler wirkte. Der UF8 ist nun jedenfalls der Nachfolger: Viel günstiger, ohne Audiointerface-Schnickschnack, deutlich kompakter, zwar „Made in China“ und auch etwas Fader-lauter – aber das ist aktueller der Stand der Dinge und es ist genauso gut.

Pro

  • smoothe 10-Bit-Fader
  • „Workflow“-Layout in perfekter Größe
  • Modernes Industriedesign, 19-Zoll-fähig

Contra

  • kein Powerschalter
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