Herzlich willkommen zu einer neuen Folge „Produce-Alike“! Diesmal geht es um die zweite Single von Britney Spears’ aktuellem Album „Femme Fatale“.
Hätte vor vier Jahren jemand behauptet, dass Britney Spears nochmal zurückkommen würde, hätte ich ihn wohl für verrückt erklärt. Zu tief schien das schwarze Loch aus Skandalen, Entmündigung und mieser Publicity, in das die einstige Pop-Prinzessin gestürzt war. Umso bemerkenswerter ist ihr derzeitiges Comeback: Mittlerweile werden sogar auch ihre Songs wieder wahrgenommen, nicht nur ihr Privatleben. Der Hit „Womanizer“ aus dem Jahr 2008 war so erfolgreich, dass er sogar von etlichen Kollegen und Kolleginnen gecovert wurde. Die erste Single aus ihrem aktuellen Album „Hold It Against Me“ war zwar musikalisch nichts wirklich Neues, aber ein eingängiger Hit, der in den USA auf Nr. 1 ging und die Sängerin weltweit in die Radios zurückbrachte. Jetzt ist der Nachfolger „Till The World Ends“ am Start. Die eingängige Mitsing-Dance-Nummer hat absolut das Zeug zum Hit und wird uns deshalb in dieser Folge beschäftigen.
Geschrieben wurde der Song von der Sängerin Kesha in Zusammenarbeit mit dem Team um den schwedischen Über-Produzenten Max Martin. Dieser war schon für die ersten Hitsingles von Britney Spears verantwortlich, als sie noch ein Teenie-Pop-Shootingstar war. Darüber hinaus hat er von zahlreichen Boygroups bis hin zu Bon Jovi so ziemlich alle großen Stars der letzten 15 Jahre mit Songs versorgt. Mit seinen aktuellen Produktionen stellt Max Martin einmal mehr seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis. War früher ein unwiderstehlich poppiger Bubblegum-Sound sein Markenzeichen, so klingen die aktuellen Titel elektronischer und Dance-orientierter und liegen damit wieder einmal voll im Trend.
Anzeige
STROPHEN
Basis des Songs ist eine Bassline, die sich in punktierten Achteln um einen einfachen Beat webt. Bauen wir uns zunächst einmal den Groove zusammen.
In der ersten Strophe benötigen wir dafür nur eine Bassdrum und einen Clap. Die Kick klingt etwas pappig, wie aus einer Drummachine aus der Frühzeit des Samplings. Auch der Clap erinnert an legendäre Drumcomputer der Achtziger. Die Samples habe ich mir aus meiner Sammlung herausgesucht und in Logic zu einem EXS-Samplerprogramm gemacht.
Statt einer Hihat kommt zur zweiten Hälfte der Strophe noch ein „Zap“-Sound hinzu, der etwas an den Soundtrack früher Computerspiele erinnert. Dieser Sound springt im Panning von ganz links nach ganz rechts hin und her. Dafür habe ich mir ein passendes Sample gesucht, und in einem EXS-Programm auf zwei Tasten gelegt – einmal links, einmal rechts.
Hören wir uns den Strophen-Groove einmal an:
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
TTWE Str Groove
Dazu kommt eine Synth-Bassline, die dezent beginnt und dann langsam etwas aggressiver wird. Hierfür habe ich auf meinem Moog Little Phatty einen Sound programmiert. Dieser besteht aus zwei Oszillatoren, wobei der zweite etwas höher gestimmt ist und per Oszillator-Sync mit dem ersten synchronisiert wird. Dadurch wird der verstimmte zweite Oszillator automatisch auf den Anfang seiner Wellenform zurück gezwungen, immer wenn auch der erste Oszillator seine Wellenform neu beginnt (siehe Grafik). Das ergibt eine interessante Obertonstruktur, die für den etwas Orgel-artigen Klangcharakter verantwortlich ist. Zum Ende der Strophe hin wird das Filter etwas aufgemacht und gleichzeitig die Wirkung der Filterhüllkurve verstärkt. Die Reglerbewegungen habe ich per MIDI aufgezeichnet und den Sound zum Schluss als Audiospur in Logic aufgenommen.
Nun brauchen wir für die Strophe noch zwei Synthesizer-Sounds. Für den ersten habe ich Logic´s eingebauten Synth ES1 verwendet. Dieser ist zwar sehr einfach aufgebaut und schon etwas betagt, aber geradlinig und leicht zu programmieren und dadurch immer noch extrem alltagstauglich. Der Oszillator 1 liefert eine einfache Rechteckwellenform, die mit einer leisen Pulswelle vom Sub-Oszillator unterfüttert wird. Die Hüllkurve bekommt etwas Attack und Release, verhält sich aber ansonsten neutral. Sie wirkt sowohl auf die Amplitude als auch leicht auf das Filter. Zusätzlich habe ich noch etwas Resonanz und Sättigung dazugegeben, um dem Sound noch etwas Biss zu geben. Zum Schluss brauchen wir noch etwas Glide-Zeit, damit der Sound etwas von einem Ton zum anderen „glitscht“, was in Verbindung mit der polyphonen Spielweise einige willkommene Artefakte hervorruft.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
TTWE Str Synth1
Der zweite Synth-Sound stammt abermals vom Little Phatty. Hierbei handelt es sich um einen ziemlich aggressiven Lead-Synth, der ebenfalls vom Oszillator-Sync Gebrauch macht. Der erste Oszillator ist auf eine Sägezahnwelle eingestellt, während der zweite eine Rechteckwelle produziert, etwas höher gestimmt ist und per Osc-Sync synchonisiert wird. Die Hüllkurven sorgen mit einer sehr kurzen Decay-Zeit und einem Sustain-Level von ca. 80% für einen kurzen, knackigen Impuls am Anfang.
Diesen Sound habe ich in zwei Etappen aufgenommen, um das Glide-Verhalten zu optimieren. Bei den tiefen Tönen, die hauptsächlich den ersten Synth unterstützen sollen, brauchen wir kein Glide. Bei den höheren Tönen ist jedoch ein „Hineinglitschen“ in den ersten Ton gewollt. Dafür habe ich eine Hilfsnote aufgenommen, die quasi den Startpunkt für den Glide-Effekt setzt, und diese nachher aus der Audiospur wieder heraus geschnitten. Im Soundbeispiel hört ihr zunächst die Spur mit den tiefen Tönen, dann die aufgenommene Spur mit der Hilfsnote für den Glide-Effekt und schließlich die Bearbeitung, in der diese wieder herausgeschnitten ist.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
TTWE Str Synth2
Jetzt können wir uns die Strophe einmal komplett anhören:
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
TTWE Strophe
Anzeige
PRE-CHORUS
Bei vielen der Dance-Pop-Titel, die derzeit in den Charts vertreten sind, ist der Trend zu beobachten, dass im Chorus zunächst der Beat aussetzt, um dann später mit umso mehr Energie wieder einzusetzen. Rihanna´s „Only Girl (In The World)“ ist eines der besten Beispiele dafür. Dieses Stilmittel leitet sich aus dem klassischen „Drop“ im House- und Dance-Bereich ab, wobei die Spannung durch teilweise minutenlange Beataussetzer stark gesteigert wird, um sich dann in einem umso ekstatischeren Groove zu entladen. „Till The World Ends“ bildet da keine Ausnahme. Im Pre-Chorus setzt der Groove vollständig aus, und der Gesang wird nur noch von einer Fläche getragen. Diesen ziemlich fetten Pad-Sound bekommen wir einmal mehr aus dem reFX Vanguard, dem Spezialisten für brachiale Dance-Sounds.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
TTWE Pad
Anzeige
CHORUS
Kommen wir nun zum eigentlichen Chorus, der auf jeglichen Text verzichtet und mit seiner simplen Hookline stattdessen zum Fußballchor-artigen Mitsingen animiert.
Hierfür brauchen wir zunächst eine neue, fette Kickdrum. Diese stammt mal wieder aus dem Stylus RMX von Spectrasonics. Dazu gesellt sich auf der 2 und 4 ein Clap, der durch einen Bitcrusher ziemlich stark zusammengequetscht wird und daher sehr digital-kaputt daherkommt. Die erste Hälfte des Refrains findet ohne Hihat statt. Später kommt dann zur Steigerung noch eine simple 16tel-Hihat dazu. Außerdem sorgt ein stark verhallter und dann gefilterter zweiter Clap für eine größere Räumlichkeit in der zweiten Hälfte des Refrains.
Genre-typisch wird der Groove durch verschiedene Extras unterstützt. Sie bauen an den Übergängen Spannung auf und ersetzen so die klassischen Drumfills. Hier kann man sich kreativ austoben. Klassisch sind Reverse-Cymbals und -Claps, stark verhallte Drums und diverse Synth-Effekte. Es gibt reichlich Samplematerial zu dem Thema, aber Selbermachen macht natürlich viel mehr Spaß. Dazu kann man mit einem einfachen Sample anfangen, es dann zum Beispiel durch einen großen Hall schicken, filtern, rückwärts abspielen, es mit weiteren Sounds kombinieren, etc. – alles ist erlaubt. Ich schicke solche Sachen, wie auch Crashbecken, zusätzlich immer gerne durch einen leichten Flanger-Effekt.
Hören wir uns den Refrain-Groove einmal an:
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
TTWE Ref Groove
Dieser simple Beat bildet die Grundlage. Alle anderen Elemente ordnen sich dem Rhythmus der Gesangslinie unter. Fangen wir mit dem Bass an.
Dafür habe ich den Strophen-Basssound etwas abgewandelt. Der Oszillator-Sync ist jetzt aus – stattdessen darf der zweite Oszillator den ersten in der gleichen Oktave unterstützen, um den Sound fetter zu machen. Die weiteren Parameter bleiben weitestgehend unverändert. Im Verlauf des Refrains wird das Filter dann aber auch mal relativ weit aufgerissen, um für eine Steigerung zu sorgen.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
TTWE Ref Bass
Dieser Bass wird von einem Synth gedoppelt, der sich klanglich an den legendären Bass-Synth Roland TB-303 anlehnt. Ich habe dafür den Logic-eigenen, monophonen ESM benutzt, der sich für solche Aufgaben gut eignet und viel zu oft übersehen wird. Der Sound ist schnell gemacht: Decay-Zeit der Hüllkurven eingestellt, Resonanz aufgedreht und Cutoff sowie die Filter-Hüllkurven-Intensität per Spurautomation reingemalt – fertig. Mit einem EQ klauen wir dem Sound dann noch jeglichen Bassanteil, denn davon haben wir vom Moog ja schon genug.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
TTWE Ref Bass Double
Dazu kommt ein weiterer Synth-Sound. Hierfür verwenden wir zur Abwechslung den Pro-53 von Native Instruments. Der drahtige Sound basiert auf zwei Sägezahnwellen. Oszillator 2 steuert zusätzlich noch eine Pulswelle bei. Im Verlauf des Refrains habe ich eine leichte Filterbewegung automatisiert.
Damit der Sound im Mix nicht matscht, durchläuft er außerhalb des Instruments noch ein resonantes High-Pass-Filter. Zusätzlich bekommt er etwas Chorus und Delay. Im Klangbeispiel hört ihr zunächst den nackten Sound aus dem Pro-53 und dann die bearbeitete Spur.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
TTWE Refsynth
Gleichzeitig mit der Hihat setzt zu guter Letzt noch eine kleine Sequenz ein. Diese soll man fast nicht wahrnehmen – sie dient dazu, gemeinsam mit der Hihat in der zweiten Hälfte des Refrains subtil Tempo zu machen. Für diesen Sound habe ich das Freeware-Plugin Togu Audio Line U-NO-62 benutzt, das die analogen Klassiker aus Roland´s Juno-Reihe für eine Umsonst-Software recht überzeugend emuliert. Pulsbreitenmodulation und der interne Chorus sorgen für einen leicht schwebenden Klangcharakter, und das fast ganz geschlossene High-Pass-Filter ist dafür zuständig, die störenden tiefen Frequenzen zu eliminieren. Analog zum Rhythmus der übrigen Elemente spielt der Sound ein Dreier-Pattern, das sich quasi durch den Viervierteltakt „fräst“.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
TTWE Ref Sequence
Das zentrale Element des Chorus ist aber natürlich die zerstückelte Gesangslinie. Dafür habe ich den Gesang mit reichlich Dopplungen aufgenommen, die Einzelspuren recht rabiat durch Logic´s Pitch-Correction-Plugin geschickt, im Panorama verteilt und dann zu einer Stereospur zusammengemischt.
In diesem Stadium klingt der Gesang erst mal so:
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
TTWE Vocal Komplett
Diese Stereospur habe ich dann zerschnitten und zum Teil abgehackt, kopiert und vertauscht – und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Das rabiate Vorgehen wird hier ganz bewusst eingesetzt – wir machen ja Elektropop. Die Spur durchläuft dann noch einen Vocal-Transformer-Effekt, einen brutalen Limiter und zum Schluss einen Enveloper, der die Einschwingphasen der kurzen Schnipsel betont. Zusätzlich habe ich das Signal durch einen Pre-Fader-Send noch einmal abgegriffen, auf einem Bus leicht verzerrt und dann wieder hinzugemischt. Das Ergebnis klingt für sich genommen natürlich ziemlich krank, aber das ist ja auch Sinn der Sache…
Ein wirklich SEHR gutes Tutorial! Aber ich muss sagen, dass ich daran verzweifel den Moog Little Fatty so zu programmieren, wie du Ihn als Bass hinbekommen hast :( Ich benutze das LittleOne VST PlugIn welches den LittleFatty nachbildet (selbst mit den gleichen Presets). Ich würde mich sehr freuen, wenn Du darauf noch einmal eingehen könntest. Vielen Dank für den tollen Workshop
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Timmy sagt:
#1 - 27.05.2011 um 15:37 Uhr
Ich finde diese Workshop Reihe sehr gut. Danke dafür! :-*
BonedoAlex sagt:
#2 - 27.05.2011 um 16:56 Uhr
Freut uns :)
Markus sagt:
#3 - 12.11.2011 um 22:38 Uhr
Auch ich finde die Workshops prima - und gut, dass ich echte Hits aus den Charts analysiert und nachbaut. Weiter so!!
Mace sagt:
#4 - 24.02.2013 um 21:04 Uhr
Ein wirklich SEHR gutes Tutorial! Aber ich muss sagen, dass ich daran verzweifel den Moog Little Fatty so zu programmieren, wie du Ihn als Bass hinbekommen hast :( Ich benutze das LittleOne VST PlugIn welches den LittleFatty nachbildet (selbst mit den gleichen Presets). Ich würde mich sehr freuen, wenn Du darauf noch einmal eingehen könntest. Vielen Dank für den tollen Workshop
Anonymous sagt:
#5 - 16.04.2013 um 21:47 Uhr
Wow die workshops sind der hammer