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Korg SV-1 Test

So etwas wie das SV-1 von Korg hat man noch nicht gesehen. In Design und Konzept ein höchst eigensinniges Stagepiano, das sich auf Vintage-Tasteninstrumente spezialisiert hat. Das SV-1 zielt mit seinem liebevollen Retrodesign, ausgewählten Sounds sowie Effekt- und Ampsimulationen eindeutig auf die Gourmets unter den Pianisten. Korg setzt auf eine gewichtete Flügeltastatur und die Valve-Reactor Technologie, die mithilfe einer elegant beleuchteten Röhre den Sound der good ol’ Röhrenverstärker unglaublich authentisch emuliert.

So viel vorweg. Aber heißt das auch, dass man sich mit einem Korg SV-1 das Sammeln der Originale sparen kann? Eines ist sicher: Korg ist nicht allein. So ist bereits die Nische zwischen den legendären Tastenikonen der Vergangenheit und den Konkurrenzprodukten von Clavia beispielsweise extrem schmal. Ob das SV-1 dazwischenpasst?

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Wie gesagt: Das Design des SV-1 fällt ins Auge. Das hochgezogene Bedienpaneel und die abgerundeten Ecken erinnern stark an die Armatur eines Oldtimers. Das Urmodell des Porsche 911 könnte hier Pate gestanden haben. Das schwarze Metallgehäuse wird durch zwei dunkelrote Seitenteile verstärkt und macht in jedem Fall einen sehr stabilen Eindruck, die Rückseite ist komplett abgerundet. Ungewöhnlich.

Korg SV-1 (73 Tasten Version)
Korg SV-1 (73 Tasten Version)

Das SV-1 gibt es mit 73 Tasten in rot-braunem Gehäuse mit schwarzen Seitenteilen sowie als 88 Tasten Ausführung in schwarz mit braunen Seitenteilen. Für diesen Test wurde uns die 73er Variante zur Verfügung gestellt. In puncto Gewichtung und Spielverhalten hatte Korg beim SV-1 keinen einfachen Job: Wie will man den typischen Anschlag von Rhodes, Clavinet, Flügel oder Orgel miteinander vereinbaren? Herausgekommen ist eine etwas leichtere Hammermechanik. Mit dieser kommt der Pianist gut zurecht und auch für Rhodes und Wurlitzer ist sie eine gute Wahl, obgleich sich das Spielgefühl bei Orgel und Clavinet ungewohnt zeigt. Das Gewicht bewegt sich zwischen passablen 17,5 kg (73er) und 20,5 kg (88er).

Rückansicht Korg SV-1 (73 Tasten Version)
Rückansicht Korg SV-1 (73 Tasten Version)

Bedienelemente
Die Bedienelemente sind streng auf retro gebürstet. Die meisten Einstellungen erfolgen über Drehpotis, wie man sie vom Rhodes kennt. Auf der linken Seite leuchtet eine eingelassene Röhre, die dem Sound den letzten Schliff verleiht. Daneben findet man jeweils in Sektionen unterteilt und mit den besagten Drehpotis regelbar den Equalizer, die Pre-Effekte und die Amp-Modelle. In der Mitte des Bedienfeldes liegen
acht, ebenfalls im Seventies-Look gehaltene Taster für User-Presets. Rechts davon befinden sich die Potis zur Anwahl der verschiedenen Sounds, daneben zwei weitere Effekt-Sektionen. Ganz rechts schließt ein großer Power-Kippschalter das übersichtliche Cockpit ab. Die Anschlüsse auf der Rückseite bieten neben MIDI In/Out auch USB, die drei Pedalanschlüsse Damper, Switch und Expression, sowie einen Stereoklinken Ein- und Ausgang. Als Highlight ist sogar ein symmetrischer XLR-Ausgang mit von der Partie.

Ausgefuchstes Pedal
Hervorzuheben ist das Pedal des SV-1, das nicht nur wie üblich als On/Off Schalter für das Sustain der gespielten Töne zuständig ist, sondern auch die bei E-Pianosounds so wichtigen halb-gedämpften Einstellungen ermöglicht. Also den Fall, in dem die Dämpfer der Mechanik die Klangstäbe nur leicht berühren, bei halb-gedrücktem Pedal. Darüberhinaus produziert das Pedal die einschlägigen Nebengeräusche, die auch bei den elektro-mechanischen Originalen hervorgerufen werden. Betätigt man das Pedal beispielsweise ohne dabei eine Taste zu drücken, erklingt ein ein Rumpel- und Resonanzgeräusch, abhängig vom gewählten Sound wohlgemerkt. Dabei ist es entscheident, wie stark man auf das Pedal tritt, denn es reagiert anschlagsempfindlich! Die Intensität der Pedalgeräusche lässt sich per Software Editor regeln (zum Software Editor später mehr) .

Anschlüsse auf der Rückseite
Anschlüsse auf der Rückseite

Bedienkonzept
Das Bedienkonzept des SV-1 ist wunderbar einfach. Es gibt keine Untermenüs und keine versteckten Tastenkombinationen. What you see, is what you get. Der Signalweg orientiert sich streng an analogen Setups und wird im Prinzip durch die Anordnung der Bedienelemente gut abgebildet: Klangquelle – Effekt (-pedal) – Amp – weitere Effekte. Die Auswahl an Sounds, Effekten und Ampsimulationen ist übersichtlich. Den Designern
von Korg ging es also offensichtlich nicht um Quantität, sondern um Qualität. Der Vollständigkeit halber sei noch auf ein paar Extras der Neuzeit hingewiesen: „Must-haves“ wie Transposition, Auswahl der Stimmung und Einstellung der Velocity-Kurve beherrscht das SV-1 auch. Tastatur-Splits oder Layer hat es nicht im Angebot, aber hier geht es ja auch nicht um ein Masterkeyboard oder eine Workstation.

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Praxis

Sounds
Das SV-1 bietet 36 Presetsounds, die nahezu vollständig aus schwerem Gerät der 60er und 70er stammen. Ganz vorne im Team der Analog-Allstars steht natürlich das Fender Rhodes. Als Presets werden eine realistische, recht crunchige und eine mehr synthetische FM-Version angeboten. Beide werden mit unterschiedlichen Effekten variiert. Doch bereits Variation 1 beglückt. Ein sehr leicht angezerrter Sound, eine Prise Plattenhall und vor allem hörbare Nebengeräusche der auftreffenden Hämmer und der gesamten Mechanik. Das, was bei guten Klaviersounds inzwischen Standard ist, wird hier endlich auch für elektromagnetische Tasteninstrumente eingeführt. Korg nennt das die Real Experience Technologie. Yeah! Das Ergebnis klingt sehr, sehr authentisch. Die Lautstärke dieser Noise-Samples ist zudem einstellbar.           
Was ich beim Rhodes vermisse, ist eine glockigere Soundvariante, da das Original bekanntlich je nach Einstellung der Klangstäbe auch einen solchen Sound bieten kann.

Audio Samples
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Rhodes 1 Rhodes 2 Noisesamples

Die Nebengeräusch-Samples veredeln ebenfalls die Wurlitzer-Klänge, sodass auch diesen eine selten gehörte Authentizität innewohnt. Allerdings wird hier auch klar, dass der exzellente Sound aus dem Zusammenspiel von Samples, Effekten und Röhrenamps resultiert. Außerdem im Programm ist ein Yamaha CP-70, ein Pianet, Clavinets und weitere frühe Versuche der Klavieremulationen.

Audio Samples
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Wurlitzer

Im Angebot sind auch ein paar akustische Flügel und Klavierklänge. Zum Beispiel ein brillanter Yamaha- sowie ein etwas dunklerer Steinway-Flügel. Beide in gewohnt hoher Korg-Qualität. Abgerundet wird die Abteilung von zwei Klaviersounds und zwei Klavier/Stringpad-Kombinationen, wobei letztere erstaunlich geschmackvoll gelayert ist. Die Orgel-Sektion bietet ebenfalls sechs verschiedene Sounds. Neben einer Hammond findet man selten gehörte Klänge von Farfisa und Vox. Die klingen zwar schön dreckig, können aber leider mit Zugriegel oder Percussion nicht weiter editiert werden. In Verbindung mit der gewichteten Tastatur würde ich folglich beim Thema Orgel eventuell andere Instrumente vorziehen, obgleich die Sounds an sich gelungen sind.    

In der Kategorie „Others“ sind drei Streicher-Klänge im Angebot. Zwei davon stammen aus den Anfängen der Synthie-Zeit (Mellotron und Solina), der dritte entspricht der heutigen Emulationskunst und bietet einen warmen, weichen Teppich. Außerdem ein Chor und zwei Brass-Synthiesounds, die wohl dem Gesamtkonzept als Stagepiano geschuldet sind.

Audio Samples
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Steinway Piano Mellotron Strings
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Effekte & Amps
Was das SV-1 so einzigartig macht, sind jedoch die Effekte und Amp-Simulationen. Hier schüttelt das Teil seine Asse aus dem Ärmel. Die Effekte sind in vier Gruppen aufgeteilt, die sich hintereinander schalten lassen. Am Start sind Pre-Effekte, also klassische Bodentreter, Modulationseffekte sowie Hall/Delay plus ein Limiter. Bei den Pre-Effekten findet man einen Kompressor, Booster, Vibrato und Tremolo sowie ein Wah-Wah Effekt. Im Soundbeispiel hört man ein Fender-Tremolo und ein Vox Wah-Wah. Per Drehpoti lassen sich dabei die entsprechenden Parameter wie Geschwindigkeit oder Effekttiefe einstellen. Leider funktioniert das am Gerät nicht stufenlos. Der Software-Editor bietet in diesem Zusammenhang einige Vorteile. Dazu später mehr. Unter den Modulationseffekten befinden sich die Klassiker Chorus, Phaser, Flanger und Rotary. Der Hallkanal bietet mit Room, Plate, Hall und Federhall vier Halltypen sowie Tape- und Stereo-Delay, letzteres mit Tap-Tempo Funktion. Zunächst unsichtbar ist ein Stereo-Limiter, der sich nur mithilfe der Software bedienen lässt. Die Effekte klingen allesamt enorm gut. Man hat hier nicht nur ihre physikalische Funktionsweise nachgezeichnet, sondern den Sound eines bestimmten Modells vor Ohren gehabt und diesen mit all seinen Charakteristika und Schwächen imitiert. Daraus resultiert der hohe Grad an Authentizität.

Audio Samples
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Pre-Effekte

Gleiches gilt für die Amp-Sektion. Sechs Klassiker (Roland Jazz Chorus, Fender Super Reverb, Fender Twin, Vox AC 30, Bogner Ecstacy und eine Leslie-Imitation von Korg) sind im Angebot. Neben dem charakteristischen Frequenzgang sind auch Verzerrung und der Rauschanteil emuliert. Man könnte sagen: liebevoll. Wie die Röhre technisch genau arbeitet, kann ich nicht „fachmännisch“ beurteilen. Wohl aber kann ich meinen Ohren vertrauen: Das finale Klangergebnis ist Spitze und macht bei vielen Sounds mehr als die halbe Miete. Im Soundbeispiel hört man ein Rhodes mit

a.) Roland Jazz Chorus
b.) Fender SuperReverb
c.) Vox AC30

Audio Samples
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3 Amp Modelle
Auf der linken Seite des Bedienpanels ist die Röhre des SV-1 eingelassen
Auf der linken Seite des Bedienpanels ist die Röhre des SV-1 eingelassen

Editor-Software
Mitgeliefert wird eine Editor-Software, die einige zusätzliche Features bietet. Beispielsweise können mit ihrer Hilfe weitere Presets auf dem Computer gespeichert und auf Wunsch zum SV-1 übertragen werden. Ganze Listen solcher Backup-Datensätze lassen sich so verwalten. Außerdem lassen sich bei einigen Effekten und Amps bestimmte Parameter nur per Software regeln, so etwa die Attack-Zeit des Kompressors oder die Wahl der entsprechenden Box zum Amp, um nur zwei zu nennen. Im Editor lassen sich alle Regler endlich auch stufenlos bewegen. Es ist also durchaus sinnvoll, mit dem Editor zu arbeiten, die favorisierten Sounds hier zu erstellen und auf das Piano zu übertragen.

Software Editor
Software Editor
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Ziehen wir also Bilanz: Das SV-1 ist in jeder Hinsicht ein ungewöhnliches Stagepiano. Einzigartig in Design, Konzept und Soundqualität. Die Konzentration auf Vintage-Tasteninstrumente schränkt die Vielseitigkeit natürlich ein. Größter Gegenspieler ist hierbei das Nord Stage, das weit mehr Klangvariabilität bietet, aber auch teurer ist. Allerdings lässt das SV-1 in puncto Rhodes und Wurli-Sounds auch diesen (bisher ungeschlagenen) schwedischen Konkurrenten zurück! Das Zusammenspiel von Sounds mit Nebengeräusch-Samples, hervorragenden Amp- und Effektsimulationen ist konsequent und klanglich schlicht exzellent. Die gewichtete Tastatur ist nicht unbedingt zum Orgelspielen prädestiniert, aber durchaus für Klavier, Rhodes und Wurlitzer. Geht es um den Sound, ist das Korg so nah am Original wie sonst nichts, als leidenschaftlicher E-Pianist kommt man am SV-1 nicht vorbei! Geht es einem aber mehr um Variabilität im Live-Geschäft, hat die Konkurrenz aus Schweden die Nase vorn.

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Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Phänomenale Sounds
  • Phänomenale Effekt- und Ampsimulationen
  • Sehr einfache Bedienung
Contra
  • Eingeschränkte Vielseitigkeit
Artikelbild
Korg SV-1 Test
Für 1.499,00€ bei
Technische Details
  • 73 oder 88 gewichtete Tasten
  • 80-fach polyphon
  • 36 Sounds größtenteils von Vintage-Tasteninstrumenten
  • Diverse ausgewählte Effekt- und Amp-Simulationen
  • Anschlüsse: Stereo-Out Klinke, Stereo-Out XLR (symmetrisch), Stereo-In, MIDI In/Out, Sustain/Switch/Expressionpedal, USB, Kopfhöre
  • Maße: 73er: 1143 x 347 x 157 (B x T x H in mm)
  • 88er: 1356 x 347 x 157 (B x T x H in mm)
  • Gewicht: 17,5 kg (73er); 20,5 kg (88er)
  • Preis: 2201,- Euro UVP (73er), 2379,- Euro UVP (88er)
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