Anzeige

Cherry Audio Mercury-4 Test

 

CherryAudio_Mercury4_B01_Test_Full_GUI

Schon wegen seines Gehäuse-Designs, das an frühe Heimorgeln erinnert, ist der 1978 erschienene Roland Jupiter-4 nicht so gefeiert worden als sein überaus erfolgreicher Nachfolger Jupiter-8, von dem es inzwischen richtig tolle Emulationen gibt.
Doch der Schein trügt: Ein Jupiter-4 versprüht klanglich und vor allem wegen seiner praktischen Geradlinigkeit noch besondere Reize. Man wird sich aber nicht deswegen auf eines der wenigen Second-Hand-Modelle einlassen, die zu astronomischen Preisen angeboten werden. Umso besser ist es, wenn man den Jupiter-4 nun als erstaunlich kostengünstige Emulation erwerben kann. Nach dem im Juli 2021 veröffentlichten Memorymode mit voller Punktzahl im Bonedo-Test und einigen anderen Klassikern wie Oberheim Eight-Voice, ARP 2600, Korg MS-20 oder Roland Juno-106 hat Cherry Audio wieder zugeschlagen: Mercury-4 ist das neue Produkt und die Erwartungen sind hoch. 

Der Cherry Audio Mercury-4 orientiert sich zwar deutlich am Original der späten 70er Jahre, enthält aber noch zusätzliche Komponenten, die einen Vergleich zwischen alter Hardware und neuer Emulation unfair ausschauen lassen. Wie fast immer: Eine Software und den Synthesizer im Original nutzt man in der Praxis unterschiedlich. Und natürlich sind immer auch klanglich unterschiedliche Nuancen auszumachen. Wer sich dennoch näher für den originalen Roland Jupiter-4 interessiert, findet einige Details im Bonedo-Feature.

Details

Mercury-4 bietet einen Jupiter-4 plus Joker

Der Oszillator des Roland Jupiter-4 samt Sub-Ozillator und Rauschgenerator ist detailgetreu nachempfunden. Mit der Pulsbreitenmodulation und dem Stereo-Ensemble-Effekt sind auch schwebende Klänge möglich. Ein Drift-Regler sorgt für Schwankungen in der Tonhöhe – das ist sinnvoll, denn das Original ist nicht sehr stimmstabil, sondern für ein analoges Drifting bekannt. Die Emulation ist aber übrigens nicht auf vier Stimmen limitiert, sondern erlaubt eine 16-fache Polyfonie. Auch das Unisono fehlt bei den Assign Modes nicht und lässt sich in der Schwebung (Detune) dosieren.

Der Mercury-4 bietet bis zu 16 Stimmen, die sich unisono schalten lassen. Das Tuning kann per Drift-Regler einem analogen Synthesizer ähneln.
Der Mercury-4 bietet bis zu 16 Stimmen, die sich unisono schalten lassen. Das Tuning kann per Drift-Regler einem analogen Synthesizer ähneln.

Das Filter kombiniert einen resonanzfähigen Tief- und Hochpass und soll wie der VCO die klanglichen Eigenschaften des Roland JP-4 simulieren. Der LFO lässt sich tempo-sychronisieren und die Trigger-Sektion sorgt für eine S/H-Modulation der Filterfrequenz wie auch für die rhythmische Auflösung des Arpeggiators. Die Arpeggiator-Einheit ist etwas eigenwillig, denn die höchste Note der gebrochenen Akkord muss per „Top Note“ definiert werden. Man kann nicht – wie üblich – eine Range von eins bis vier Oktaven anwählen.
Cherry Audio zieht noch ein Ass aus dem Ärmel. Der Mercury-4 integriert anders als sein historisches Vorbild ein Band-Echo-Effekt. Dieses Tape-Echo bietet sieben Modes, die im Audio-Demo kurz vorgestellt werden, und erzeugt zusammen mit dem internen Reverb schöne räumliche Effekte und verleiht dem Sound des Mercury-4 einen charmanten Retro-Touch.

Mehr als ein Extra: Der Mercury-4 verfügt über ein Band-Echo-Effekt, das dem Synth klanglich noch mehr Charme verleiht.
Mehr als ein Extra: Der Mercury-4 verfügt über ein Band-Echo-Effekt, das dem Synth klanglich noch mehr Charme verleiht.
Audio Samples
0:00
Osc Drift Chorus Tape Echo

Per Drift-Regler lassen sich die beim Jupiter-4 und anderen analogen Synthesizern häufigen Schwankungen in der Tonhöhe nachempfinden. Das Analog Drifting wird während des Arpeggios  in seiner Intensität verändert.
Der Ensemble-Effekt des Mercury-4 ist nicht so charismatisch wie der Juno-Chorus, verhilft aber zur Soundfülle. Das Echo wiederum bietet sieben Modes für unterschiedliche Muster.

Anzeige

Praxis

Lässt sich der Mercury-4 gut bedienen?

Er sieht fantastisch aus und sein GUI füllt auf Wunsch den größten Bildschirm. In der Focus-Ansicht ist sogar jede noch so gute Lesebrille überflüssig. Der Mercury-4 sollte mit seinen überschaubaren Anzahl an Klang- und Effekt-Parametern insbesondere auch den ungeübten Schrauber zum Sounddesign motivieren. Man kann eigentlich nicht viel falsch machen. Die MPE-Controller werden nicht nur unterstützt, sondern anhand einiger Factory Presets kann man dies gleich in der Praxis ausprobieren. Der Browser vereinfacht das Auffinden der Presets und rundet den positiven Eindruck ab. Klares Ja, auch dieses Instrument von Cherry Audio ist sehr gut zu bedienen.

Was bietet der kleine virtuelle Jupiter klanglich? 

Die über 300 Presets bieten einen guten Einstieg. Von Arpeggiator- und Bass-Sounds über Leads und Polysynths bis hin zu Chords und Effekten ist ein guter Stoff vorhanden. Insgesamt zwölf dieser Presets finden sich in den Audio-Demos wieder. Diese Auswahl zeigt, in welche Kerbe der Mercury klanglich schlägt. Er hat einen direkten und durchaus kernig-kraftvollen Sound, der ihn für monotone Linien wie Bass, Leads oder Arp prädestiniert. Nicht zu seinen Stärken gehören weiche und schwebende Pads oder Streicher, was jede Jupiter-8-Emulation deutlich besser hinbekommt. Dennoch lassen sich einige schöne polyfone Sounds mit analogen Drift (Audio Demo „Folklore Trails“) realisieren, wobei auch das „musikalische“ Filter zusagt.

Mit dem Browser-System des Mercury-4 hat man seine Sounds gut im Blick.
Mit dem Browser-System des Mercury-4 hat man seine Sounds gut im Blick.
Audio Samples
0:00
Mercury4 Preset „Bass Camp“ Mercury4 Preset „Crystal Clear“ Mercury4 Preset „Derain Impact“ Mercury4 Preset „Angelic Glider“ Mercury4 Preset „Folklore Trails“ Mercury4 Preset „Rezo16“ Mercury4 Preset „Cloud Assasin“ Mercury4 Preset „PortaBrass“ Mercury4 Preset „Random Move“ Mercury4 Preset „Solo Flight“ Mercury4 Preset „Square Space“ Mercury4 Preset „Stacked Wide“

Wo liegen die klanglichen Stärken?

Natürlich ist der Mercury-4 für viele Musikstile einsetzbar. Für Retro- und LoFi-Producer ist er jedenfalls eine dankbare Maschine. Wegen des guten Band-Echo-Effekts und der Möglichkeit, Akkorde im 1-Finger-Modus zu spielen, empfiehlt sich dieser Synthesizer auch besonders für Dub-Techno, Dub-House und verwandte Spielarten elektronischer Musik. Die in diesen Genres typischen Chord-Phrasen lassen sich sogar ziemlich einfach per „Init Sound“ erstellen: Filtern und Hüllkurven-Decay setzen, Tape Echo aktivieren und Tempo-synchronisieren, Moll-Dreiklang per Chord Memory speichern – und sich verführen lassen. Wie sich das bereits nach wenigen Minuten anhören kann, verdeutlichen drei Beispiele, wobei der Chord-Sound der dritten Phrase noch per Arpeggiator getriggert wird.  
Diese drei einfachen User Presets möchten wir keineswegs vorenthalten. Hier geht es zum Download der Mercury-4 Bonedo Presets.

Audio Samples
0:00
Mercury-4 Bonedo Dub-Sequenz 01 Mercury-4 Bonedo Dub-Sequenz 02 Mercury-4 Bonedo Dub-Sequenz 03

Was könnte verbessert werden?

Ein Wunsch für ein größeres Update wäre neben einem funktionell erweiterten Arpeggiator ein Step-Sequencer. Der Ensemble-Effekt darf gern noch um einen Phaser und Flanger ergänzt werden. Außerdem könnte sich der Mercury-4 insgesamt etwas modulationsfreudiger zeigen. Bitte aber nicht falsch verstehen, dieser Synth ist schon in der Version 1.0 rund geworden.

Anzeige

Fazit

Wie auch immer die Entwickler von Cherry Audio das schaffen: Ständig erscheinen interessante Emulationen, die klanglich und auch in punkto Handling begeistern. Der Mercury-4 macht keine Ausnahme. Man wundert sich, was er zu diesem attraktiven Preis alles kann und leistet.
Der Mercury-4 ist ein Tipp, wenn man grundsätzlich simpel bedienbare Analog-Synthesizer schätzt. Mit seiner Chord Memory-Funktion, dem Arpeggiator und vor allem aufgrund seines internen Band-Echo-Effekts setzt er individuelle Akzente. Für Chords und Phrasen in den Dub-Spielarten (Dub-Techno/House) der elektronischen Musik ist er klasse. Selbst wer schon mehrere Plugins hat, bekommt neue Anreize. Der Mercury-4 schafft etwa Abwechslung für eine Roland-Juno-Emulation.
Alles richtig gemacht, vielen Dank für ein sympathisches Instrument! Anhand der Demo-Version kann man den Mercury-4 für 30 Tage einmal selber testen – viel Spaß dabei!

Pro
  • Gelungene Emulation des Roland JP-4
  • Souveräner Klang
  • Sehr günstiger Preis
  • Großes Benutzer-Interface
  • 16-fache Polyfonie
  • Internes Tape Echo
  • MPE-Support
Contra
  • kein Contra
CherryAudio_Mercury4_B01_Test_Full_GUI
FEATURES
  • Hersteller: Cherry Audio
  • Name: Memorymode
  • Typ: Software-Synthesizer
  • Emulation des Roland Jupiter-4
  • Polyfon spielbar
  • Interne Effekte (Chorus, Tape Echo, Reverb)
  • Arpeggiator
  • VST2/3, AU, AAX Standalone
  • Systemvoraussetzungen: Ab Windows 7 (64-bit), Mac OS X (64-bit) ab 10.9, Online-Aktivierung
PREIS: 
regulär 59 USD, Einführungspreis 39 USD
    Unser Fazit:
    4,5 / 5
    Pro
    • Gelungene Emulation des Roland JP-4
    • Souveräner Klang
    • Sehr günstiger Preis
    • Großes Benutzer-Interface
    • 16-fache Polyfonie
    • Internes Tape Echo
    • MPE-Support
    Contra
    • kein Contra
    Artikelbild
    Cherry Audio Mercury-4 Test
    Hot or Not
    ?
    CherryAudio_Mercury4_B01_Test_Full_GUI Bild

    Wie heiß findest Du dieses Produkt?

    Kommentieren
    Profilbild von Bert Friedrich

    Bert Friedrich sagt:

    #1 - 17.09.2021 um 07:19 Uhr

    0

    Hi Matthias, quick question: Download link for the three Dub sequenz sounds is not working? Thanks for the nice review!

      Profilbild von Matthias Sauer

      Matthias Sauer sagt:

      #1.1 - 17.09.2021 um 09:36 Uhr

      0

      Hi Bert, many thanks for your nice comment! Will be updated soon ... but please expect not too much ;) All the best! Matthias

      Antwort auf #1 von Bert Friedrich

      Antworten Melden Empfehlen
      +1
    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
    Bonedo YouTube
    • dreadbox Artemis Sound Demo (no talking)
    • Arturia Astrolab 88 Review - Arturia's Flagship Stage Keyboard
    • Moog Messenger Sound Demo with Custom Presets