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Drum Play-Alike – Matt Chamberlain Workshop

Style

Besonders hervorzuheben sind Chamberlains flüssiger Spielstil und sein Prinzip, wenige spärliche Fills respektvoll in den Groove einzubetten um maximal Übergänge im Song klar zu markieren und sie ansonsten voll dem loopig (Loop = wiederkehrendes Ostinato) gespielten Rhythmus unterzuordnen.

Ein weiterer Grund für den Erfolg seines Stils ist die immer bewusster gesetzte Abkehr von elektronischen Grooves. Programmierten Popsongs fehlen heutzutage trotz „Humanizer“-Funktion der neuesten Musikprogramme immer noch viele wesentliche musikalische Züge. Zum Glück! Um auszuwerten, was zwischen miteinander musizierenden Musikern passiert, bräuchte das Internationale Rechenzentrum in Genf wahrscheinlich Monate, mal ganz abgesehen von der Schwierigkeit bei der Erhebung der Daten. Bis also ein echter Schlagzeuger im Studio wirklich ersetzt werden kann, wird noch beruhigend viel Zeit vergehen. Wer heutzutage jedoch versucht, mit dem bekannten „höher, schneller, weiter“ Prinzip zu einem vielgebuchten Studiodrummer zu avancieren, wird eine herbe Enttäuschung erleben. In Sachen Präzision und Geschwindigkeit wirken wir im direkten Vergleich wie Urmenschen, die mit Keulen auf die Jagd gehen. Allerdings gibt es eine Paradedisziplin der Midi-Programmierung, mit der sich ein Drummer leider vermehrt befassen muss, um weiterhin mitspielen zu können: Die Quantisierung. Wer so ungenau spielt, dass sogar Edward mit den Scherenhänden keine Chance hätte, auf der Aufnahme noch irgendwas zu retten, der verliert den Job früher oder später an einen Schlagzeuger, der sich etwas intensiver mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Und ganz eventuell verliert er den Job sogar an Matt, denn dessen Gabe, die „Time“ wie eine Quartz-Uhr zu vermitteln ist eine Seltenheit und spart im Studiokontext nicht nur die Zeit und die Nerven der Produzenten und Mitmusiker, sondern vor allem Eines: Geld. 

Ein prüfender Blick auf ein Timing-Raster bei Logic legt bei mir kurz die Vermutung nahe, dass es sich um Teufelswerk handelt. Ich höre gerade eine Aufnahme einer Live-Session von Brad Mehldau. Matt spielt hier einen Groove, der im Verhältnis „4 über 3“ zum Piano-Rhythmus läuft und einfach saumäßig exakt voran rollt (Brad Mehldau – When It Rains). Es ist aber eben kein Teufelswerk, sondern viel harte Arbeit. Was zu tun ist, erfährst du hier:

Timekeeping

Die Drumcomputer-Variante

Suche dir einen Groove deiner Wahl aus, den du spielen möchtest. Spiele diesen Groove zu einem durchgehenden 4/4 Klick deines Drumcomputers. Der Computer sollte idealerweise dazu in der Lage sein, ein zweitaktiges Pattern einprogrammiert zu bekommen, denn jetzt klaust du dem Computer eine Viertel nach der anderen. Den Anfang machst du, indem du die letzte Viertel im letzten Takt frei lässt, den Groove aber über die Lücke im Metronom hinweg spielst. Dein Rhythmus verändert sich also nicht, nur der Klick wird immer löchriger. Wenn du dich jetzt sicher fühlst, spiele deinen Groove zu einem zweitaktigen Pattern, mit 4/4 Klick im ersten Takt und lass den zweiten Takt im Drumcomputer komplett frei. In Notenform sieht das Ganze so aus:

Die Metronom-Variante

Nicht jeder ist stolzer Besitzer eines Drumcomputers, aber keine Angst, es geht auch mit den altbewährten Klicksounds vom Boss DB-90 oder der Tama Rhythm-Watch, sowie einigen anderen Geräten. Aus eigener Erfahrung kann ich das DB-90 von Boss sehr empfehlen, da dieses Gerät noch etliche Möglichkeiten eines Drumcomputers bietet und für mich schon häufig absolute Live- und Tourtauglichkeit bewiesen hat. Aber die Metronomvariante geht wahrscheinlich sogar mit Omas Kuckucksuhr: Spiele einen Groove deiner Wahl zum Metronom, bis du dich in der Time des Metronoms absolut sicher fühlst. Schalte dann das Gerät (am besten per Trittschalter) aus und spiele den Rhythmus einige Minuten ohne Metronom weiter. Schalte das Metronom dann wieder ein, während du noch spielst, und überprüfe, ob du langsamer oder schneller geworden bist. Wenn du diese Übung häufig wiederholst, gewinnst du Sicherheit im Timekeeping und bekommst einen verlässlichen Überblick über Grooves, die du tendenziell schneller spielst oder solche, die du eher langsamer auffasst, und kannst somit bewusst gegenarbeiten.
Abgesehen von der Fähigkeit, wie ein Uhrwerk zu laufen, gibt es noch einen weiteren sehr charakteristischen Time-Bezug im Drumming von Matt: Er ordnet seine Grooves deutlich hörbar in ein Sechzehntel-Raster. Egal in welche Aufnahme man hört, überall wird man von einem Wohlfühl-Teppich aus klar definierten Ghost-Notes – also leisen Snaredrum-Zwischenschlägen – und dynamischen 16-tel Hihat-Ostinati durch den Song getragen. Um einen ähnlichen Spielfluss wie Chamberlain zu erreichen, lohnt es sich, ein Sechzehntel-lastiges Pattern zu spielen und alle Noten gleich laut „tschick-tschik-tschik-tschik“ mitzusprechen. Dieses Konzept hilft, jegliche Überbetonungen bestimmter Trommeln aufzuheben. Manche Drummer konzentrieren sich beispielsweise besonders auf ihre Bassdrum, was häufig dazu führt, dass diese ganz leicht aus dem Raster gelöst wird und an exponierterer Stelle leicht hinter der Zählzeit gespielt wird. Dadurch entsteht ein leichtes „Laid-Back“-Gefühl.

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