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Der perfekte Gitarrentrainingsplan

Gitarre-Üben bedeutet immer, ein Ziel vor Augen zu haben. Bei einem Bluesgitarristen, der seine eigenen Songs an den Mann bringen will, sind es vielleicht Improvisation und Songwriting, bei einem Gitarristen, der sich eher im Dienstleistungssektor sieht, möglicherweise stilspezifischen Spielweisen oder Blattlesen. Deshalb kann ein einziges System für alle Gitarristen, Genres und Ziele nicht wirklich existieren, auch wenn der Titel unseres heutigen Beitrags den perfekten Übungsplan verspricht.

(Bild: © Rawpixel.com)
(Bild: © Rawpixel.com)


Es heißt also, sich zu Beginn erst einmal darüber klar zu werden, was man kann und was man können möchte, oder sich die einfache Frage zu stellen: Wo will ich hin?
Und weil dieses Thema alles andere als homogen ist, möchte ich das Ganze mit einer kleinen Gliederung von Themenbereichen angehen, die ich für sinnvoll erachte und in denen jeder seine individuellen Schwerpunkte einordnen und setzen kann.

Grundlegendes:

Als erstes solltet ihr euch vor Augen führen, dass es beim Üben um eine kognitiv beanspruchende Tätigkeit geht, die einem ganz konkreten Ziel dient. Ohne Ziel wird es deshalb auch keinen Übe-Effekt geben. Aus diesem Grund ist es wichtig, die gewünschten Ergebnisse, die man nach einer bestimmten Zeitspanne erreichen möchte, möglichst klar und eindeutig zu definieren, denn die können bekanntlich bei jedem anders ausfallen.
Macht euch auch klar, dass Üben nicht Spielen und Spielen nicht Üben ist! Üben soll anstrengen und Fehler sind unvermeidlich. Oder wie mein Lehrer sagte: Wenn du übst und es klingt gut, verschwendest du Zeit!
Andererseits muss das Ganze in Fleisch und Blut übergehen, sodass ihr “loslassen” könnt und das Geübte beim Gig ohne Nachdenken einsetzt! Habt das Vertrauen, dass alles, was ihr gelernt habt, irgendwann von ganz alleine seinen Weg in euer Spiel findet!

1. Aufwärmen /Dehnen

Eine kurze Phase des Warm-Up am Beginn der Übe-Session ist sinnvoll, weil sie die Muskulatur vorbereitet und Verletzungen vorbeugt. Pat Metheny zum Beispiel wählt hierzu rein chromatische Übungen, die musikalisch nicht zwingend Sinn ergeben und dadurch nicht kognitiv belasten, denn das soll ja erst später kommen. Am Ende des Aufwärmens kann eine kurze Dehn-Session stehen, um eure Sehnen geschmeidig zu halten und um Verkürzungen entgegenzuwirken.

2. Tonmaterial und Akkorde

Akkorde

Der zweite Punkt beschäftigt sich im weitesten Sinne mit Griffbrettkenntnis und handelt davon, das Tonmaterial zum Solieren in den Griff zu bekommen und neue Akkorde, Voicings und Umkehrungen zu trainieren.
Zum Tonmaterial gehören für mich alle Formen von Skalen wie z.B. Pentatoniken, Bluesscale, Durscale, Harmonisch Moll, Melodisch Moll, Halbton-Ganzton etc. aber auch Dreiklangs- oder Vierklangsarpeggios.
Übt die Skalen in diversen Zerlegungen wie z.B. Dreier- oder Vierergruppen bzw. in Intervallen (z.B. in Terzen, Quarten usw.). Allerdings sollte es euch auch ein Anliegen sein, das Tonmaterial in allen Lagen und in allen Tonarten auf dem Griffbrett zu beherrschen. Hierzu empfehle ich immer, sich gewisse Einschränkungen zu setzen wie z.B. alles auf einer Saite oder alles in einer Lage etc. zu spielen. Eine mögliche Übung sähe z.B. so aus, dass man die Durscale durch alle Tonarten des Quintenzirkels spielt, aber die siebte Lage nicht verlassen darf.
Mit den Arpeggios könnt ihr natürlich genauso vorgehen. Alternativ lohnt sich für derlei geartete Übungen auch immer die Anschaffung eines Realbooks mit diversen Jazzstandards, denn auch wenn man nicht auf Jazz steht, liefern diese Stücke ein gutes Übe-Schlachtfeld für wechselnde Akkorde und damit auch Arpeggio- und Skalenchanges.
Wenn es um Akkorde geht, solltet ihr eine Aufteilung nach bestimmten Akkordstrukturen machen, um etwas System in eure Übungen zu bekommen. Interessant wären z.B. Dreiklänge und deren Umkehrungen und vierstimmige Akkorde (maj7, 7, m7, m7b5 und dim), denn damit kommt man bereits sehr weit und das sowohl im Pop als auch im Jazz und in jazzverwandten Stilrichtungen. Wichtig wäre, die Akkorde mindestens in zwei Varianten zu kennen, z.B. mit Grundton auf der E- und mit Grundton auf der A-Saite. Wer noch tiefer in die Akkordmaterie eindringen will, kann sich natürlich noch alle Drop2, Drop3, fünf- und sechsstimmige Akkorde, Clustervoicings etc. vornehmen. Aber lasst euch Zeit, denn die Gitarre stellt bekanntlich unzählige Akkordmöglichkeiten bereit!

3. Allgemeine musikalische Aspekte

Diesen Punkt würde ich zwar mit wechselnden Inhalten füllen, aber dennoch solltet ihr jeden Content eine gewisse Zeit kontinuierlich behandeln, bevor ihr zum nächsten Thema wechselt.
Themenbereiche wären z.B. Gehörtraining, Rhythmustraining und “Tightness”, Intonation beim Benden, Transkriptionen, Blattlesen, Harmonielehre, Komposition usw.
Versucht für euch selbst herauszufinden, an welchen Schwächen ihr arbeiten bzw. welche Qualitäten ihr verstärken möchtet.

4. Technik

technik

Eine solide Technik dient nicht nur dem “Show-Off-Flitze-Gefinger”, sondern verschafft euch auch Headroom, schwierigere Passagen souverän und relaxt zu spielen. Vordergründig wären die zu übenden Spielweisen der Wechselschlag und die Legatotechnik, die sich übrigens auch prima mit Punkt 2 verbinden lassen, denn dann kombiniert ihr Technik mit musikalischem Gehalt und könnt in der Spielsituation leichter darauf zugreifen.
Wenn ihr mit diesen beiden Grundtechniken zufrieden seid, wären Tapping, Sweeping oder anderen modernen Spielweisen weitere lohnenswerte Ziele.

5. Spielen zum Playback

(Bild: © Andrew Lam, karandaev, Flipser, Maglara, romantsubin / fotolia)
(Bild: © Andrew Lam, karandaev, Flipser, Maglara, romantsubin / fotolia)

Ein Punkt, der gerne vernachlässigt wird, ist das Üben in einem musikalischen Kontext, sei es eine Band oder ein Playalong, denn dort reduziert sich das Geübte unter Umständen recht drastisch auf das, was man wirklich beherrscht und internalisiert hat. Wenn ihr Improvisation übt, könnt ihr euch auch hier sinnvolle Begrenzungen auflegen – ein tolles Buch zu diesem Thema ist Hal Crooks “How to improvise”. Dort findet ihr zum Beispiel den “Play-Rest Approach”. Dabei legt ihr fest, wie viele Takte ihr spielt und wie viele Takte ihr pausiert, z.B. zwei Takte solieren – zwei Takte Ruhe.
Auch den Phrasenbeginn könnt ihr zu Übungszwecken festlegen. Zum Beispiel, dass jedes Lick auf die 2 beginnen muss oder auf die 3+ usw., womit ihr euer Formbewusstsein stärkt und neue, interessante Ideen generiert. Andere Prämissen wären wieder z.B. nur die dritte Lage zu verwenden oder nur die G- und D-Saite etc. Auch Akkorde lassen sich toll zu Playbacks üben, z.B. diverse Dreiklänge zu Funk-Grooves oder vierstimmige Akkorde zu Jazz-Playalongs.

6. Spielen für den Spaß

Am Ende einer Übesession solltet ihr euch einfach “freispielen”. Lasst alles geübte hinter euch und spielt, was euch Freude bereitet. Setzt euch keine Vorgaben und “wollt” nichts. Habt einfach Spaß – das habt ihr euch nach einer intensiven Übe-Einheit auch verdient!
Zum Schluss stellt sich natürlich die Frage, wie viel und wie lange ihr üben solltet. Das lässt sich leider nicht ganz pauschal beantworten und wird letzten Endes auch von eurer Zeit und Lust definiert. Gut ist, sich nicht zu viele Themen vorzuknöpfen, sondern vielleicht nur an zwei oder drei Programmpunkten zu arbeiten. Wenn ihr das an vier bis fünf Tagen in der Woche schafft, dann ist schon sehr viel gewonnen, wobei ich sagen würde, dass im Schnitt 20 Minuten an diesen Tagen das Minimum sein sollten, wollt ihr erkennbare Fortschritte erzielen.
Damit wünsche ich euch viel Erfolg und vor allem Freude bei euren Übungen!

Hier findet ihr noch ein paar Buch- und Link-Empfehlungen:

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(Bild: © Rawpixel.com)

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