Kaum ein Bass-Intro ist so legendär, klanglich markant und spieltechnisch anspruchsvoll wie das, mit dem sich Jaco Pastorius beim Song „Birdland“ von Weather Report verewigt hat. Mit seinem einzigartigen Stil, gespielt auf einem Fender Jazz Bass, setzte Jaco neue Maßstäbe im Fusion-Genre – und präsentierte gleich zu Beginn des Songs ein Flageolett-Thema, das Bassgeschichte schrieb. Dabei kommt eine besondere Technik zum Einsatz: sogenannte False Harmonics oder Künstliche Flageoletts. Diese Spielweise erfordert Präzision, ein gutes Ohr – und natürlich eine Menge Übung. In diesem Workshop zeigen wir dir Schritt für Schritt, wie du diesen Sound authentisch erzeugen kannst.

“Birdland” – das Original im Video
Hören wir uns doch zu Beginn wie immer erst noch einmal das Original an:
„Birdland“ – ein Meilenstein des Jazz-Rock
„Birdland“ wurde im Jahr 1977 von Joe Zawinul, dem Keyboarder und Mastermind der Band Weather Report, komponiert und gilt als einer der bekanntesten Jazz-Fusion-Titel aller Zeiten. Veröffentlicht auf dem Erfolgsalbum “Heavy Weather” von 1977, stellt das Stück eine musikalische Hommage an den legendären New Yorker Jazzclub “Birdland” dar – ein Ort, der Zawinuls musikalisches Leben stark prägte. Dort hörte er Größen wie Louis Armstrong, Duke Ellington oder Miles Davis – und lernte sogar seine Frau Maxine kennen. Benannt wurde der Club (und damit auch der Song) nach dem Bebop-Saxofonisten Charlie „Bird“ Parker.
Die Komposition entwickelte sich schnell zum modernen Jazz-Standard. 1979 gewann The Manhattan Transfer einen Grammy für ihre vokale Version mit Text von Jon Hendricks, ebenso wie Quincy Jones, der das Stück 1989 in sein Album “Back On The Block” integrierte. Auch die kubanische Band Los Van Van bezog sich mit einer Neuinterpretation auf „Birdland“.
Das Stück gilt bis heute als Inbegriff des erfolgreichen Weather-Report-Sounds – eingängig, rhythmisch komplex und stilistisch wegweisend.
“Birdland” – alles beginnt mit einer Synth-Bass-Linie
Die ikonische Studioaufnahme von „Birdland“, bei der Jaco Pastorius den berühmten Basspart einspielte, entstand laut eigenen Aussagen in nur einem Take. Ehe Jaco zu seiner weltbekannten Melodie ansetzt, hören wir zunächst eine eingängige Keyboard-Linie, gespielt von Weater-Report-Mastermind Joe Zawinul. Hier seht ihr diese Linie:

“Birdland” – das Bass-Intro von Jaco Pastorius
Über diese Synthie-Linie setzt Jaco Pastorius unmittelbar mit einer Melodie auf seinem Fender Jazz Bass ein, für welche eine besondere Spieltechnik zum Einsatz kommt: Dabei erzeugt er mit der Anschlaghand künstliche Flageoletts (auch “artificial” oder “false harmonics” genannt). Hierfür legt er den Daumen der Anschlaghand leicht auf die Stelle, an der sich die Strecke zwischen gegriffenem Ton (im Bereich 12. bis 14. Bund) und Brücke halbiert – beim Jazz Bass ist das ungefähr die Stelle, an der sich der Halstonabnehmer befindet.
Als nächstes zupft er die Saite mit dem Zeigefinger oder Mittelfinger der Anschlaghand, während der Daumen immer noch an der besagten Stelle liegt. Hat man die richtige Stelle getroffen, klingt der am Hals gegriffene Ton eine Oktave höher. Das macht man jetzt analog mit jedem Ton, der gespielt wird. Die besondere Herausforderung: Die Anschlaghand muss stets im Abstand zu den gegriffenen Tönen mitwandern, um immer den richtigen Flageolettpunkt zu treffen.
Wandert man nun mit dem Daumen der Anschlaghand abermals eine halbe Strecke von der soeben gespielten Position weiter in Richtung Brücke (also auf ein Viertel der Strecke), erhält man einen künstlichen Flageolett-Ton, welcher zwei Oktaven höher liegt als der gegriffene Ton.
Und genau das macht Jaco während der Intromelodie: In erste Hälfte spielt er künstliche Flageoletts eine Oktave höher, in der zweiten springt er in die Flageoletts mit zwei Oktaven über dem gespielten Ton. Dabei muss man die Saite relativ hart anschlagen, denn die Töne sind nicht ganz so einfach aus einem E-Bass herauszukitzeln. Jaco verwendet hierfür ausschließlich den Stegtonabnehmer seines Fender Jazz-Basses, wodurch die Obertöne stärker zur Geltung kommen.
In diesem YouTube-Video wird die Erzeugung der künstlichen Obertöne sehr gut vorgeführt:
Noch etwas: Beachtet bitte auch, dass viele Melodietöne gezogen werden (Bendings), die Töne A und Bb wechseln nur durch das Auf- und Abziehen der G-Saite auf dem 14. Bund.
Und hier das passende Soundfile:
Als nächstes hört ihr die Melodie gemeinsam mit dem Synth-Bass, wobei ihr beachten müsst, dass Pastorius mit dem Einsteigen der Melodie die “Eins” immer vorzieht:
Zum Experimentieren: Der Sound des Synth-Basses von “Birdland”
Auch das Keyboard-Intro lässt sich übrigens wunderbar mit einem Bass realisieren, indem man ein Bass-Synth-Pedal verwendet. Ich habe in meinem Archiv ein uraltes Korg G5 entdeckt, das sich überraschenderweise ganz hervorragend für diesen Zweck eignet. Allerdings wird man auch mit anderen Synth-Pedalen oder verschiedenen Filtern ähnliche Effekte generieren können – wichtig ist nur, dass es in der Lage ist, eine schnell ansprechende Sägezahnwellenform zu erzeugen.
Hier seht ihr die Settings meines Korg G5:

Das ist der trockene Synth-Bass-Sound:
Als nächstes habe ich den Sound mithilfe eines Kompressors etwas angedickt …
… und mit einem Plate-Hall ausgestattet:
“Birdland”: Soundeinstellungen für den Melodie-Bass
Den Melodie-Bass mit den künstlichen Flageoletts habe ich auf einem Jazz Bass gespielt, unter Verwendung des hinten liegenden Tonabnehmers (Bridge Pickup). Die passive Tonblende war voll aufgedreht.
Die unschönen Nebentöne werden durch unbeabsichtigt mitklingende tiefe Saiten verursacht. Dieses Problem lässt sich aber leicht mittels eines Lowcuts im EQ gut wegretuschieren.
Zusätzlich habe ich ein paar Frequenzen gepusht, die dabei helfen, die Obertöne noch klarer herauszustellen. Ihr seht, dass speziell die Frequenz um 500 Hz um einiges angehoben ist (Punkt 2), Frequenzen unterhalb 250 Hz stark abgesenkt und unterhalb von 60 Hz komplett abgeschnitten sind (Punkt 1):

Der nächste Schritt: Ein Kompressor sorgt für etwas mehr dynamische Dichte, aber nicht zu viel:
Abschließend habe ich die Flageolett-Melodie in ein kleines Hallbett gebettet, was ihr zusätzlich einen singenden Charakter verleiht:
Viel Spaß bei Eurem Ausflug in die Gefilde der künstlichen Obertöne wünscht
Ollie Poschmann