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Arturia MicroFreak Test

Kleine Power-Synths sind in! Es gibt günstige Minis, wie bei der Volca Serie, fast erwachsene Synths, wie den Mono– bzw. Minilogue XD von Korg, hippes Premium-Spielzeug, wie den OP-1 und die Pocket-Operator von Teenage Engineering, oder die virtuell-analogen Boutique-Synths von Roland. Es fehlen in dieser Aufzählung eigentlich nur die Franzosen von Arturia. Mit dem MicroFreak haben sie weit mehr als nur ein me-too-Produkt in petto, so viel steht fest. Wir schauen uns den Kleinen im Test einmal genau an.

Arturia MicroFreak Test
Viel Synth für wenig Geld: Der paraphone Hybrid-Synth Arturia MicroFreak

Der MicroFreak ist ein absolut eigenständiges Produkt und zur Abwechslung und im Gegensatz zu Micro oder Mini kein Spin-Off des großen Matrix Brute. Gibt es beim MicroFreak damit wirklich keine Brute-Parallelen mehr? Wir finden es heraus.
Kooperation mit Telekom Electronic Beats: Auch diesmal haben wir uns wieder mit Telekom Electronic Beats zusammengetan, um uns eine zweite Meinung einzuholen. Und wer ist besser für das Beurteilen eines kompakten Power Synths geeignet als Stimming? Eben. 

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Details

Hybrider Budget-Synth

Der Arturia MicroFreak ist ein stylischer Hybrid-Synth der Budget-Klasse und mit einer kapazitiven und poly-touch-fähigen 25-Tasten-Klaviatur ausgestattet. Hybrid bedeutet, dass die Klangerzeugung digital und das Filter analog ist. Ferner ist der Freak vierstimmig paraphon, was bedeutet, dass zwar bis zu vier Stimmen spielen, aber alle durch dasselbe Filter müssen. 

Viel Synth für wenig Geld: Der paraphone Hybrid-Synth Arturia MicroFreak
Viel Synth für wenig Geld: Der paraphone Hybrid-Synth Arturia MicroFreak

Das Ganze steckt in einem kompakt-soliden 311 x 233 x 55 mm großen und 1 kg leichten Kunststoff-Gehäuse. Außerdem gibt es überraschend viele Spielhilfen, jede Menge Extras und eine wirklich umfangreiche Mod-Matrix. Aber immer der Reihe nach – oder wie der Franzose sagen würde: L’un après l’autre.

Umfangreiche digitale Klangerzeugung

Die Klangerzeugung beginnt bei der „Digital Oscillator“ genannten Sektion, welche neun verschiedene Syntheseformen beherbergt. Darunter finden sich Algorithmen für subtraktive Synthese inklusive BasicWave, SuperWave, Virtuell Analog und Wavetable Ansatz, Extravagantes wie Harmonic-Synthesis, Karplus Strong, Waveshaper, 2-Operator-FM sowie Formant, Speech, Modal und Chords. Übrigens, der Code stammt teilweise von dem Open Source Code vom Mutable-Instruments Plaits, was aber nicht jeden gefallen hat.
Wie dem auch sei, das ist eine ganze Menge und nicht alltäglich – in Anbetracht des kleinen Preises ist es aber besonders bemerkenswert. Nur warum man den MicroFreak als „Algorithmic Synthesizer“ bewirbt und dann die entscheidende Sektion „Digital Oscillator“ – und nicht Algorithmus – nennt, ist schon ein wenig „nonchalant“.

Der DSP generiert dank unterschiedlichster Algorithmen viele verschiedene Schwingungsformen – gefiltert wird allerdings analog. Deswegen spricht man auch von einem Hybriden.
Der DSP generiert dank unterschiedlichster Algorithmen viele verschiedene Schwingungsformen – gefiltert wird allerdings analog. Deswegen spricht man auch von einem Hybriden.

Ausgewählt wird der Algorithmus jedenfalls mit TYPE, dem ersten der vier sehr orange-farbenen Encoder. Die folgenden drei definieren dann diesen Synthese-Typ. Beschriftet sind sie mit WAVE, TIMBRE und SHAPE, wobei das nur als eine Art grobe Orientierung zu verstehen ist, weil sich die konkreten Parameter von Typ zu Typ teils deutlich unterscheiden. 

Schickes, animiertes Display

Im hochauflösenden, aber etwas kleinen OLED-Display, werden die ausgewählten Synthese-Arten stylisch animiert, was ein wenig an den OP-1 von Teenage Engineering erinnert. Die eigentlichen Parameter sind immer in Form von drei unterschiedlichen Reagenzgläser dargestellt und müssen also mit weit weniger Pixel-Liebe auskommen – da geht doch visuell etwas mehr?! Alle anderen Parameter-Darstellungen sind wiederum dem Korg Monologue ähnlich  – und damit nüchtern-informativ anstatt witzig.

Analoges Filter, komplexe Envelopes, 1 LFO

Das Filter bietet  CUTOFF und RESSONACE Regler in Form zweier Potis, hinzu kommt ein beleuchteter TYPE-Taster, der drei Filterarten offeriert: Band-, High- und natürlich Lowpass – allesamt selbstressonanzfähig.

Das OLED ist sehr detailliert gestaltet, allerdings auch etwas klein.
Das OLED ist sehr detailliert gestaltet, allerdings auch etwas klein.

Anschließend geht es in die beiden Hüllkurven, eine als klassischer ADSR-, die andere als Cycling-ENVELOPE ausgelegt. Das Release steht in beiden Fällen in Abhängigkeit zu dem Decay bzw. Fall. Hinzu kommen im Cycling-Envelope zwei blau beschriftete Shape-Parameter via Shift-Befehl. Opulent, würde ich sagen, zumal es auch einen sync-baren LFO gibt, der sechs verschiedene Formen kennt.

Fette Matrix, prêt a manger

Das zweite dicke Highlight ist die üppige Modulationsmatrix. Sie kennt fünf Quellen und sieben Ziele, wovon drei „ASSIGN“ sind und auch Cross-Modulationen möglich werden. Die Zuweisung der Verknüpfungen ist mittels MATRIX Push-Encoder äußerst flink erledigt und geschieht mühelos: Encoder drehen und damit den Quelle/Ziel-Knoten auswählen, Encoder drücken, Intensität auswählen, fertig! Ähnlich simpel läuft auch die Zuweisung der drei Assignables: Entsprechenden Assign-Taster gedrückt halten, am Zielparameter rumdrehen – et voilà!

Die Matrix ist clever gestaltet und bietet großes Modulation-Potential!
Die Matrix ist clever gestaltet und bietet großes Modulation-Potential!

Umfangreiche Spielhilfen

Kommen wir zur Klaviatur. Sie besitzt keine mechanischen Teile und reagiert nur auf kapazitive Änderungen. Konkret: Wieviel Haut aufliegt. Drückt man fester, liegt mehr Haut auf und die Klaviatur registriert das – pro Taste. Diesen Pressure-Parameter könnt ihr als Aftertouch oder Velocity definieren sowie hinten raus auch als CV abgreifen. Allzu viel sollte man von dieser Art des Klaviaturspiels aber nicht erwarten. 
Ferner gibt es im oberen rechten Bereich einen weiteren Streifen, der als Pitch-Bend dient, oder aber auch die beiden Parameter „SPICE and DICE“ bedient, welche Gate- und Triggersignale von Arpeggios oder Sequenzen „randomizen“. Hinzu kommen die Arpeggio- und Sequenzer-Steuerschaltflächen. Für den Arpeggiator lauten diese Steuerfunktionen UP, ORDER, RANDOM und PATTERN, was die Abspielreihenfolge des gehaltenen Akkords beeinflusst. Außerdem kann man Arpeggios in auch in den Sequenzer kopieren

64-Step-Sequenzer

Man sieht es der kleinen Kiste wirklich nicht an, in ihr schlummert aber ein echt umfangreicher Step-Sequenzer! Bis zu 64 Steps kann eine Sequenz lang sein – und jedes Preset bietet sogar zwei Sequenz-Speicher, A und B. Preset-Speicherplätze selbst gibt es übrigens 256, wovon 180 vorab mit einer schönen Auswahl belegt sind.

Die Kreativabteilung von Arturia hat bei dem Design der Klaviatur ganze Arbeit geleistet.
Die Kreativabteilung von Arturia hat bei dem Design der Klaviatur ganze Arbeit geleistet.

Ferner gibt es einen Live-Write- sowie Step-Write-Mode, außerdem können bis zu vier Modulationen aufgenommen und editiert werden, eine Tie-Funktion gibt es ebenfalls. Die Pattern-Länge wird indes etwas umständlich im UTILITY-Menü definiert, genau wie viele weitere Detail-Einstellungen, wie MIDI-Channel etc.

Anschlüsse und Lieferumfang

Kommen wir zu den Anschlüssen: Audio-seitig gibt es einen symmetrischen Mono-Line-Ausgang auf 6,3 mm Klinke und einen Kopfhörerausgang auf 3,5 mm Klinke. Steuerspannungen gibt es hingegen via CV, Gate und Pressure-Ausgang sowie als Clock-IO. Für die digitale Kommunikation hat es einen USB-MIDI und einen MIDI I/O auf Miniklinke – entsprechende Kabel liegen bei.

Fotostrecke: 2 Bilder Viele Ausgänge für die Steuerung andere Gerätschaften sind an Board: MIDI I/O, USB-MIDI, Clock I/O, CV/Gate/Pressure-Out. Der Kopfhörerausgang ist nur leider etwas schwach.

Der USB-Anschluss dient auch der Stromversorgung, wobei es dennoch einen 12-Volt Anschluss für das mitgelieferte und etwas klobige Netzteil gibt. Wichtig in dem Zusammenhang: Die kapazitive Tastatur funktioniert nur bei richtigen Erdung und es kann bei sonderbaren USB-Stromversorgungen Probleme geben. Löblich ist der zusätzliche Powerschalter, auch wenn er fragil anmutet.

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Praxis

Kein Spielzeug, auch wenn es so aussieht

Der Arturia MicroFreak mag wie ein Spielzeug aussehen, die Möglichkeiten dahinter sind jedoch beachtlich. Dank der vielen unterschiedlichen Algorithmen sind weite Felder an Sounds möglich. Ein Brot- und Butter-Synth ist er aber absolut nicht, seine Spezialität ist das Verrückte – ein echter Freak eben. Dank der vielen Cross-Modulationsmöglichkeiten kann man so echt kaputte FX-Sounds erstellen. Aber hört doch lieber selbst:

Audio Samples
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Arturia_MicroFreak_01_JPStrings.wav Arturia_MicroFreak_02_Waveshaper.wav Arturia_MicroFreak_03_SineSpice.wav Arturia_MicroFreak_04_Glitch.wav Arturia_MicroFreak_05_WarmCloud.wav Arturia_MicroFreak_06_WeirdBass.wav Arturia_MicroFreak_07_ChopsticksArp.wav Arturia_MicroFreak_08_BrokenHurdyGurdy.wav Arturia_MicroFreak_09_DiceGames.wav Arturia_MicroFreak_10_SadDelay.wav

Die Bedienung ist ebenfalls sehr gut, nur mit der Klaviatur muss man sich wirklich anfreunden wollen. Sie ist mir ein wenig zu speziell, in der kurzen Testzeit konnte ich sie nicht richtig bändigen: Mal drückt man zu stark, dann zu wenig und ein anderes Mal berührt man fälschlich eine andere Taste. Man sollte allerdings auch wissen, dass ich kein besonders guter Keyboard-Spieler bin.
Außerdem hat sicherlich auch niemand vor, Mozart und Chopin auf dem Freak zu spielen. Von daher geht das Gebotene absolut in Ordnung, zumal man überwiegend Sequenzer oder Arpeggios programmieren wird. Auch die restliche Verarbeitung ist für 299 Euro mega!

Was könnte für mich besser sein?

Aber irgendwas hab ich ja doch immer zu meckern. Die Kiste ist zu leise, der Kopfhörerausgang zu schwach. Und das Arturia-Filter ist auch mal wieder nicht so richtig meins und hat insbesondere als Ausgleich für den digitalen Grundcharakter der Maschine einfach nicht genug Cojones. Eventuell kann ein nachgeschaltetes Drive-Pedal das Ganze aber abfangen.

Kleiner Synth ganz groß: Arturia MicroFreak.
Kleiner Synth ganz groß: Arturia MicroFreak.

Teilweise hört man unter Studio-Bedingungen auch Nebengeräusche und minimales Aliasing, ferner dauert das Umschalten der Presets einen kleinen Moment. Ich will damit sagen, der kleine DSP arbeitet am Limit – das merkt man auch dann, wenn man versucht den Algorithmus-Type zu modellieren. Manchmal sind aber auch die Attacks zu clicky bzw. reißen ab, wenn man zu schnell spielt. Naja, das deutsche Handbuch ist echt mäßig übersetzt und sehr umständlich geschrieben.

Was sagt Stimming?

In der Zusammenarbeit mit Electronic Beats hat auch Stimming den MicroFreak untersucht – und ihn direkt in sein neues Liveseteingebaut. Und er ist von der Kiste mega-begeistert, vor allem weil das Ding so klein und leicht ist – und dafür wirklich jede Menge Features mitbringt. Das ist auch wirklich nicht von Hand zu weisen. Mein klanglicher Geschmack dürfte ebenfalls bei einem Live-Einsatz absolut nebensächlich sein. Ihr seht also: Geschmäcker dürfen verschieden sein – und das ist gut so.

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Stimming geht auf den Sequenzer nicht weiter ein, der ist aber wirklich sehr gut. Die Möglichkeit 64 Steps zu benutzen und pro Step bis zu vier Parameter automatisieren zu können, ist wirklich bemerkenswert. Das geht schon alles ein wenig in Richtung Elektron, allerdings ist er nicht so intuitiv nutzbar. Das liegt daran, dass es keine individuellen Step-Taster gibt sondern die Steps mit dem Encoder ausgewählt werden müssen. Umständlich ist auch die Tatsache, dass man die Step-Länge etwas verschachtelt in den Utilities einstellen muss. Die Möglichkeiten, die Sequenzen mit Dice & Spice aufzupeppen wiederum sind besonders live von Vorteil. Aber nochmal: Für 299,- Euro ist das Alles eine fette Menge!

Arturia MicroFreak Sound Demo (no talking)

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Fazit

Der Test beweist: Der MicroFreak ist ein tolles, eigenständiges Produkt, das jede Menge Potenzial bietet, auch wenn es kein Brot-und-Butter-Synth ist. Er liefert hochinteressante Sounds abseits von den üblichen Bombast-Klischees moderner VA-Synths und füllt damit angenehm eine Nische für Skurriles. Auch wer gern eigene Sounds schrauben will, und das auch gern mobil in Teilarbeit erledigt, ist mit dem Freak bestens beraten. Die ungewöhnliche Klaviatur ist sicherlich auch dem günstigen Preis geschuldet und sollte am besten liebevoll als „sophistiqué“ verstanden werden. An das mäßige Filter kann man sich sicherlich gewöhnen, wirklich schade finde ich nur den schwachen Kopfhörerausgang. Ansonsten: très bien!

Pro

  • Eigenständiges Design
  • Viele Klangmöglichkeiten
  • Umfangreiche und intuitive Routing-Matrix
  • 64-Steps-Sequenzer mit A/B-Variation und Randomize-Funktionen

Contra

  • Schwacher Kopfhörerausgang

  • Mäßiges Filter
Arturia_MicroFreak_02_Top_

Features

  • Hybrid Synthesizer, vierstimmig paraphon
  • 25 Tasten Multi-Touch-Keyboard mit Pressure
  • digitaler Oszillator mit unterschiedlichen Synthesealgorithmen wie Karplus Strong,
  • Harmonic OSC, Superwave und Texturer
  • analogers Filter (-12 dB/Okt.) mit wählbarer Tiefpass-, Bandpass- und Hochpass-Charakteristik
  • zwei Hüllkurven-Generatoren und ein LFO mit 6 Schwingungsformen
  • Modulationsmatrix mit 5 Quellen und 7 Zielen
  • Stepsequenzer mit 4 Automationsspuren und Zufallsparametern, Arpeggiator
  • OLED Display
  • Line-Ausgang: 6,3mm-Klinke und 3,5mm-Kopfhörer
  • CV / Gate / Pressure Ausgänge: 3,5 mm-Klinke
  • Clock In / Out: 3,5mm-Klinke
  • MIDI In / Out: 3,5mm-TRS-Klinke
  • USB Port
  • Abmessungen: 311 x 233 x 55 mm
  • Gewicht: 1,02 kg
  • Inkl. 12V DC Netzteil

Preis

  • EUR 299,- (Straßenpreis am 18.7.2019)

Weitere Informationen zu diesem Produkt gibt es auf der Webseite des Herstellers.

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Profilbild von Peter Hertel

Peter Hertel sagt:

#1 - 15.07.2020 um 18:49 Uhr

1

Ja, für den Preis ist das Teil wirklich super. Was ich ein wenig vermisse sind ein Paar Effekte wie Distortion oder Reverb und Delay. Das würde den Freak noch um ein fielfaches aufwerten. Auch wenn man dann vieleicht 350€ blechen müste. Das wäre immernoch Super.

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