Die Roland TR-808 ist der Klassiker unter den Drum Machines. Als sie 1980 auf den Markt kam, war das Publikum von der drückenden Kick und scharfen Snare verwirrt. Gedacht als Begleitinstrument für z. B. Gitarristen, floppte die 808. Genau diese Eigenschaften katapultierten die Drum Machine ein wenig später in den Legendenstatus.

Afrika Bambaataa – Planet Rock (1982)
Planet Rock gilt als einer der ersten Tracks, der die Roland TR-808 gezielt als kreatives Instrument nutzte – nicht nur als Ersatz für ein Drumset. Produziert von Arthur Baker und John Robie, wurde der Track auf einem Synclavier komponiert. Die Beats stammen von einer TR-808. Diese Entscheidung fiel aus Budgetgründen – laut Baker konnte man sich keinen teuren Studio-Drummer leisten. Doch die 808 wurde zur klanglichen Offenbarung: Ihre scharfen Hi-Hats, tiefen Kicks und klatschenden Claps verliehen dem Song seinen futuristischen Sound.
Die messerscharfe und unmenschliche Präzision des Sequenzers schuf einen bis dahin noch nicht gehörten Maschinenfunk. Was in Düsseldorf um Kraftwerk herum startete, wurde in Amerika – u. a. von Afrika Bambaataa – weiterentwickelt. Es entstand ein neues Genre: Electro – und Planet Rock war einer der ersten Vertreter.
Eazy-E – Boyz-n-the-Hood (1987)
Boyz-n-the-Hood, produziert von Dr. Dre und DJ Yella für Eazy-E, markiert einen Schlüsselmoment im Hip-Hop – nicht nur lyrisch, sondern auch bezogen auf Produktionstechniken. Dre programmierte die Beats damals noch mit begrenzter Studioausstattung im Ruthless-Studio, darunter eine echte TR-808, die für Kickdrums, Claps und Hi-Hats verwendet wurde.
Die markante, subtile Kickdrum und trockene Clap der 808 gaben dem minimalistischen Beat seinen Drive – zusammen mit geloopten Melodien von der Ensoniq Mirage oder SP-1200. Statt auf opulente Produktion zu setzen, lebt der Track von der rohen Direktheit des analogen Charakters der Drum Machine.
Heutzutage sind fette Subbässe (umgangssprachlich auch „808s“) im Hip-Hop Standard – damals gab es noch keine Standards. Dr. Dre schuf so das Fundament, auf dem heute Genres wie Trap aufbauen. Dabei ist die Kick in Boyz-n-the-Hood nicht überkomprimiert oder basslastig wie bei aktuellen Vertretern des Genres – sondern leicht, aber dominant, was sie im Mix besonders wirkungsvoll machte.
Nine Inch Nails – Sin (1989)
Das NIN-Debütalbum ist ohnehin schon ein Industrial-Klassiker – und kommt daher auch nicht ohne den Drum-Machine-Klassiker aus. Inspiriert von Pionieren wie Front 242 wird die 808 hier aggressiv verfremdet. Laut einem Interview mit Keyboard Magazine (1990) setzte Reznor die TR-808 ein, um „kalte, unnatürlich präzise Beats“ zu programmieren. Dabei wurde sie nicht als reine Groove-Maschine, sondern als Soundquelle für kreative Zerstörung verwendet.
Die 808-Kick und Claps wurden stark bearbeitet. Sie bilden das Fundament unter einer Wand aus Synths, Gitarren und Vocals. Produzent Flood, bekannt für seine Arbeit mit Depeche Mode, half dabei, den 808-Sound in ein industrielles Klangbild einzubetten. Reznor sagte, er mochte die 808, „weil sie nicht versuchte, wie echte Drums zu klingen“. Genau das machte sie für Industrial perfekt – maschinell, kontrolliert, unerbittlich.
Tame Impala – Let It Happen (2015)
Mittlerweile ist das Currents-Album ein Klassiker der Indie-Szene – eigentlich eine Welt, in der man keine fetten Beats aus der 808 erwarten würde. Was Kevin Parker liefert, sind auch keine fetten Beats, sondern gezieltes Einsetzen der einzelnen Stimmen.
In mehreren Interviews, u. a. mit Sound on Sound und Pitchfork, bestätigt Parker, dass er eine echte TR-808 für die Grundstruktur des Tracks verwendet hat. Die Kick, Snare und Hi-Hats wurden direkt aus der Maschine aufgenommen und bewusst minimal bearbeitet, um den warmen Klang zu bewahren.
Die 808 läuft als konstanter Puls unter dem Song – besonders im langen Instrumentalbreak, der wie ein Loop wirkt. Dieser hypnotische Effekt wurde laut Parker durch gezieltes Looping echter 808-Sequenzen erreicht, nicht durch Samples. Parker mischt seine Songs komplett selbst – die 808 lief durch analoge Kompressoren und ein Tascam-Tape, um den charakteristischen Tame-Impala-Sound zu schaffen.
SZA – Good Days (2020)
In Good Days, einem der erfolgreichsten Tracks von SZA, treffen sphärische Harmonien und introspektive Vocals auf eine feinfühlige, aber druckvolle Rhythmusarbeit. Produziert von Los Hendrix und Carter Lang, wurde laut einem Interview mit Sound on Sound (2021) tatsächlich eine echte Roland TR-808 für Teile des Drumtracks verwendet – insbesondere für die subtile Kickdrum und Hi-Hats.
Die Produktion setzt auf ein sehr luftiges, offenes Arrangement, in dem die 808 nicht dominant, sondern atmosphärisch eingebettet ist. Die Produzenten ließen Teile der 808 durch analoge Filter und Tape-Sättigung laufen, um sie wärmer und weniger digital wirken zu lassen – eine bewusste Entscheidung, um Good Days „organischer“ klingen zu lassen, obwohl die Basis elektronisch ist.
Die TR-808 – Ein Stück Geschichte
Die Roland TR-808 hat sich vom technischen Außenseiter zum Herzschlag moderner Musik entwickelt. Ob in Planet Rock, Boyz-n-the-Hood oder Good Days – ihr unverwechselbarer Sound prägt Generationen. Am 808 Day feiern wir nicht nur eine Maschine, sondern Musikgeschichte.