Obwohl der Punk ursprünglich mit der Attitüde angetreten ist, möglichst simpel zu sein und keine besonderen instrumentalen Fähigkeiten zu erfordern, hat sich das Genre im Laufe der Jahre für die tieftönende Zunft zu einer melodischen, rhythmischen sowie technischen Herausforderung gemausert. Viele Punk-Bassisten und -Bassistinnen verfügen heutzutage über durchaus ernstzunehmende spieltechnische Fähigkeiten an ihrem Instrument. In diesem Bass-Workshop wollen wir die wichtigsten Merkmale des Punk-Bassspiels unter die Lupe nehmen. Wir beleuchten, welche rhythmischen und melodischen Elemente das Bassspiel im Punk ausmachen und mit welchem Sound man sich in dieser Stilistik am besten in Szene setzen kann.

Punk Bass – History
Der Punk trat ursprünglich mit einer hoch basisdemokratischen Haltung an: Die Musik sollte demnach möglichst einfach sein und keinerlei besondere spieltechnische Fähigkeiten erfordern. Auf diese Weise sollte Punkmusik für jede und jeden zum Ventil für die eigenen Emotionen werden. Daher waren die Songs zumeist relativ kurz und besaßen nur wenig Akkorde – dafür ging es auf der Bühne umso energetischer und wilder zu.
Doch wie alles im Leben unterlagen auch die Punkmusik sowie die involvierten Bands und Musiker im Laufe der Zeit einer gewissen Entwicklung. Der Punk mischte sich mit anderen Genres – wie etwa dem Ska – und es entstanden neue Subgenres wie New Wave, Post Punk, Pop Punk etc.
Die Konsequenz dieser Entwicklungen ist, dass die Punkmusik und ihre Nachkommen heute auf deutlich höherem Niveau stattfinden: Die Songs sind deutlich ausgefeilter und das spieltechnische Niveau in der Regel wesentlich höher, ohne jedoch die ursprüngliche Punk-Attitüde zu vernachlässigen. Wer zum Beispiel schon einmal versucht hat, einen Song von NOFX mit Fat Mike am Bass nachzuspielen, weiß, wovon ich spreche!
Punk Bass – Rhythmische Elemente
▶ Viertel & Achtel: Viertel- und Achtelnoten bilden gewissermaßen die Allzweckwaffe für treibende Grooves, um für den Rest der Band ein solides Fundament entstehen zu lassen.
▶ Vorgezogene Zählzeit 1 des 2. Taktes: Fast schon ein Klischee ist die in einem zweitaktigen Pattern um eine Achtel vorgezogenen Zählzeit 1 des zweiten Taktes. Dies erzeugt eine Art „Beschleunigungseffekt“ und wird auffallend häufig eingesetzt.
▶ Vorgezogene Zählzeit 3: Gleiches gilt für die auf die 2+ vorgezogene Zählzeit 3. Auch hier ist die Wirkung eine Art „Beschleunigungseffekt“.
▶ Walking Bass: Der Bass „läuft“ auf allen Viertelnoten und verbindet dies mit einer Melodie. Diese Art der Begleitung kennt man aus dem Jazz oder Reggae bzw. Ska.
▶ Breaks mit Fills: Hier spielt die Band unisono eine bestimmte rhythmische Figur, die meist einen Takt ausfüllt. Im zweiten Takt folgt dann ein Fill eines Instruments, nicht selten wird diese Ehre dem Bass zuteil.
▶ Sechzehntel: Ja, es gibt natürlich auch Punksongs in moderaten Tempi, sodass auch Sechzehntel vorkommen können. Ein kleiner Trick, um die Illusion von Geschwindigkeit zu erzeugen, ist das Spielen von Sechzehnteln, während die Gitarre auf Achtelnoten setzt.
▶ Hammer-Ons, Pull-Offs, Slides: Artikulationen dieser Art dienen dazu, der entsprechenden Note etwas „Dreck“ zu verleihen. Das fällt nicht zwingend unter dem Bereich Rhythmik – bevor wir aber eine eigene Kategorie dafür eröffnen, passt es hier noch am besten.
Hier findet ihr alle genannten Aspekte in Noten und Tabulatur:
Punk Bass – Melodische Elemente
Da die Gitarren häufig „nur“ Powerchords spielen, kann die Rolle des E-Basses im Punk von ganz einfacher Begleitung auf dem Grundton bis zu einem zweiten Melodieinstrument (neben dem Gesang) reichen. Hier sind die wichtigsten Bausteine dazu:
▶ Grundton: der Klassiker, mit dem man nie etwas falsch machen kann. Er sorgt vor allem in Verbindung mit Achtelnoten für eine grundsolide Basis.
▶ Oktave: Klar, auch die Oktave ist ja der Grundton, nur eben 12 Töne höher. Daher passt auch sie immer und kann sogar je nach Zusammenhang durchaus einen Steigerungseffekt mit sich bringen.
▶ Quinte/Oktave: Erste Klangfarben bringt der Verbund aus Quinte und die Oktave. Zum einen passen sie harmonisch immer, zum anderen lassen sich mit ihnen schon melodisch interessante Basslines gestalten.
▶ Dreiklänge: Sehr beliebt sind auch Arpeggios, also nacheinander gespielte Akkordtöne.
▶ Skalen: Ebenfalls häufig zu hören bekommt man Dur- der Molltonleitern, um melodische Überleitungen oder Motive zu gestalten.
▶ Powerchords (Grundton und Quinte): Um ordentlich Druck zu entfalten, kann man die Powerchords der Gitarre doppeln.
▶ Inverted Powerchords: Gleiches Prinzip, nur mit Umkehrungen (Quinte und Oktave statt Grundton und Quinte), um eine elegantere Stimmführung zu erzielen.
▶ Double Stops: Hier ist vieles möglich, z. B. Grundton und Terz, um das Tongeschlecht darzustellen. Ausschlaggebend für die Tonauswahl der Souble Stops ist eine elegante, harmonisch klingende Stimmführung.
Auch hier das Ganze in Noten und Tabulatur:
Punk Bass – Sound
▶ Welcher Bass?
Natürlich steht bei Punkmusik die Einstellung im Vordergrund und weniger das Instrument an sich. Es ist aber schon auffällig, dass in Punkbands ein P-Style Bass sehr häufig das Mittel der Wahl ist. Dies können auch Abwandlungen wie ein P/J-Bass (z. B. Mark Hoppus) oder ein 50’s P-Bass mit Singlecoil sein (wie etwa im Falle von Mike Dirnt). Ausnahmen bestätigen natürlich stets die Regel!




▶ Welche Saiten?
Für den aggressiven Ton sind Roundwound-Saiten zu empfehlen, im Idealfall aus Stainless Steel, da diese noch etwas brillanter klingen.




▶ Welches Pick?
Es gibt zwar Bassisten, welche mit Fingern anschlagen, sie sind aber eine kleine Minderheit. Für viel Attack und Biss verwenden die meisten Punk-Bassisten ein Pick. Aus welchem Material und wie dick ist dann wieder sehr individuell und Geschmacksache.
▶ Welcher Verstärker/Equalizer?
Hier wird es etwas kompliziert, da natürlich jeder Musiker mit seiner persönlichen Spieltechnik einen individuellen Ton mitbringt. Daher kann ich nur sagen, wie ich vorgehe, was euch dann als Basis für eigene Experimente dienen kann. An erster Stelle steht bei mir natürlich der P-Bass. Für cleane Punksounds booste ich die Bässe und Höhen etwas. Falls möglich, kommt auch ein Boost der Hochmitten um ca. 4 kHz hinzu. Der Grund: In diesem Frequenzbereich sitzt das Attack des Plektrums, das sich mit der Anhebung dieser Frequenz wunderbar herauskitzeln lässt. Zudem senke ich die Mitten bei ca. 450 Hz etwas ab.
Ein Kompressor unterstützt einen gleichmäßigen und druckvollen Sound. Ich rate bei Groovespiel zu längeren Attack- und kürzeren Release-Zeiten, einer Ratio zwischen 4:1 und 8:1 und einer kräftigen Kompression, die man – so vorhanden – mithilfe des Dry/Wet-Reglers mit dem unbearbeiteten Signal mischt.




▶ Welche Effekte?
Nicht selten haben wir es bei Punk Bass tatsächlich mit vergleichsweise cleanen Sounds zu tun. Ein bisschen „Dreck“ in Form von etwas Overdrive kann jedoch nicht schaden. Die Verzerrung sollte etwas bissiger sein, dafür aber nicht zu viel. Wir sind noch immer weit entfernt von High-Gain-Sounds – stattdessen geht es eher darum, dem Sound etwas Charakter zu verleihen. Weitere Effekte kommen wenig bis gar nicht vor, in seltenen Fällen kann man einen Chorus hören.
Viel Spaß mit euren eigenen Experimenten wünscht Thomas Meinlschmidt



